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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Freude die Lieferanten in Washington die Ausschreibung einer neuen Lieferung
für hunderttausend Mann, von der Mühe bis herab zu den Schuhen, aufnehmen
werden, da der ganze Profit in die Taschen der republikanischen Partei fließt.
Vergleichen Sie deren Hilfsquellen mit den meinigen, Kein Tag vergeht ohne
gute Gelegenheiten für mich. Offenbare Vortheile bieten sich dar. aber ich
kann sie nicht benutzen. Mangel an Transportmitteln, an Werkzeugen, Man¬
gel an Pontons, an Pferden, an hinreichender Mannschaft nöthigen mich, von
der günstigen Gelegenheit zu handeln abzusehen. Aber ich denke, von nun an
soll sich eine größere Gleichheit der Kräfte finden."

Als wir uns trennten, führten mich die letzten Aeußerungen des Generals
zu dem Schluß, daß sein Angriff auf Hooker diesen Nachmittag wieder aufge¬
nommen werden würde. Aber die Natur trat dazwischen. Um ein Uhr ge¬
langte" wir nach Chancellorsvillc. Der Morgen war drückend schwül gewesen.
Jetzt zogen von Süden her schwere Gewitterwolken herauf, der Wind schlug in
Nordwest um, und el;, gewaltiger Platzregen rauschte hernieder. Diesen ganzen
Nachmittag, die Nacht und den größten Theil des folgenden Tages war es, als
ob der Himmel alle seine Schleußen geöffnet hätte. Regenstrome überschwemmten
die Gegend, und es wurde auffallend kühl. Als ich mich in einem kleinen
Farmhause am Knüppeldamm auf ein Weilchen geborgen, sah ich Andersons
Division durch den Schmutz vorbciwaten. Mit wildem Lärm, singend, jauch¬
zend, unbekümmert um ihre triefenden zerlumpten Monturen, durchnäßt und
kalt bis auf die Haut, aber innen heiß von der Begier, sich wieder in das
Kampfgetümmel zu stürzen, zogen die tapfern Burschen vorüber. In welcher
Verfassung Hookers Truppen die Nacht verbrachten, weiß ich nicht. Sicher aber
ist, daß der schwere Regen und das betäubende Blitzen und Krachen der gött¬
lichen Artillerie in der Dicnstagsnacht für sie ein Segen war. Lech neuer An¬
griff wurde dadurch aufgehalten, und Mittwoch früh war Hooker mit seiner
ganzen Armee wieder auf dem Nordufer des Flusses. Die ganze Nacht hin¬
durch waren hinüber die Pontons bei United States Fort gezogen."

Wir füge" noch Einiges aus den Tagebuchsblätlcrn hinzu, welche von Jack¬
sons letzten Stunden handeln.

"An der Eisenbahn zwischen Richmond und Fredericksburg gelegen, zwölf
Meilen von letzterer Stadt, ist Guineys Depot seit vielen Monaten eine Haupt¬
niederlage der Conföderirtcn für Munition und allerlei andere Kriegsbedürf¬
nisse gewesen. Denken Sie sich diesen Ort, wie ich ihn heute Morgen (Frei¬
tag) sah, umlagert von 12,000 bis 14,000 Mann, schwimmend in Koth und
Schlamm, voll von Kranken und Verwundeten, ein Babel voll Verwirrung
und lärmendes Durcheinanderschreien in allen Sprachen. Hier sind ferner gegen
6000 gefangene Unionisten, die in ihren blauen Uniformen wie ein Jndigvfeld
aus dem niederen sumpfigen Boden aussehen, und welche sich allesammt weigern.


Grenzboten II. 1863. 64

Freude die Lieferanten in Washington die Ausschreibung einer neuen Lieferung
für hunderttausend Mann, von der Mühe bis herab zu den Schuhen, aufnehmen
werden, da der ganze Profit in die Taschen der republikanischen Partei fließt.
Vergleichen Sie deren Hilfsquellen mit den meinigen, Kein Tag vergeht ohne
gute Gelegenheiten für mich. Offenbare Vortheile bieten sich dar. aber ich
kann sie nicht benutzen. Mangel an Transportmitteln, an Werkzeugen, Man¬
gel an Pontons, an Pferden, an hinreichender Mannschaft nöthigen mich, von
der günstigen Gelegenheit zu handeln abzusehen. Aber ich denke, von nun an
soll sich eine größere Gleichheit der Kräfte finden."

Als wir uns trennten, führten mich die letzten Aeußerungen des Generals
zu dem Schluß, daß sein Angriff auf Hooker diesen Nachmittag wieder aufge¬
nommen werden würde. Aber die Natur trat dazwischen. Um ein Uhr ge¬
langte» wir nach Chancellorsvillc. Der Morgen war drückend schwül gewesen.
Jetzt zogen von Süden her schwere Gewitterwolken herauf, der Wind schlug in
Nordwest um, und el;, gewaltiger Platzregen rauschte hernieder. Diesen ganzen
Nachmittag, die Nacht und den größten Theil des folgenden Tages war es, als
ob der Himmel alle seine Schleußen geöffnet hätte. Regenstrome überschwemmten
die Gegend, und es wurde auffallend kühl. Als ich mich in einem kleinen
Farmhause am Knüppeldamm auf ein Weilchen geborgen, sah ich Andersons
Division durch den Schmutz vorbciwaten. Mit wildem Lärm, singend, jauch¬
zend, unbekümmert um ihre triefenden zerlumpten Monturen, durchnäßt und
kalt bis auf die Haut, aber innen heiß von der Begier, sich wieder in das
Kampfgetümmel zu stürzen, zogen die tapfern Burschen vorüber. In welcher
Verfassung Hookers Truppen die Nacht verbrachten, weiß ich nicht. Sicher aber
ist, daß der schwere Regen und das betäubende Blitzen und Krachen der gött¬
lichen Artillerie in der Dicnstagsnacht für sie ein Segen war. Lech neuer An¬
griff wurde dadurch aufgehalten, und Mittwoch früh war Hooker mit seiner
ganzen Armee wieder auf dem Nordufer des Flusses. Die ganze Nacht hin¬
durch waren hinüber die Pontons bei United States Fort gezogen."

Wir füge» noch Einiges aus den Tagebuchsblätlcrn hinzu, welche von Jack¬
sons letzten Stunden handeln.

„An der Eisenbahn zwischen Richmond und Fredericksburg gelegen, zwölf
Meilen von letzterer Stadt, ist Guineys Depot seit vielen Monaten eine Haupt¬
niederlage der Conföderirtcn für Munition und allerlei andere Kriegsbedürf¬
nisse gewesen. Denken Sie sich diesen Ort, wie ich ihn heute Morgen (Frei¬
tag) sah, umlagert von 12,000 bis 14,000 Mann, schwimmend in Koth und
Schlamm, voll von Kranken und Verwundeten, ein Babel voll Verwirrung
und lärmendes Durcheinanderschreien in allen Sprachen. Hier sind ferner gegen
6000 gefangene Unionisten, die in ihren blauen Uniformen wie ein Jndigvfeld
aus dem niederen sumpfigen Boden aussehen, und welche sich allesammt weigern.


Grenzboten II. 1863. 64
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[0509] Freude die Lieferanten in Washington die Ausschreibung einer neuen Lieferung für hunderttausend Mann, von der Mühe bis herab zu den Schuhen, aufnehmen werden, da der ganze Profit in die Taschen der republikanischen Partei fließt. Vergleichen Sie deren Hilfsquellen mit den meinigen, Kein Tag vergeht ohne gute Gelegenheiten für mich. Offenbare Vortheile bieten sich dar. aber ich kann sie nicht benutzen. Mangel an Transportmitteln, an Werkzeugen, Man¬ gel an Pontons, an Pferden, an hinreichender Mannschaft nöthigen mich, von der günstigen Gelegenheit zu handeln abzusehen. Aber ich denke, von nun an soll sich eine größere Gleichheit der Kräfte finden." Als wir uns trennten, führten mich die letzten Aeußerungen des Generals zu dem Schluß, daß sein Angriff auf Hooker diesen Nachmittag wieder aufge¬ nommen werden würde. Aber die Natur trat dazwischen. Um ein Uhr ge¬ langte» wir nach Chancellorsvillc. Der Morgen war drückend schwül gewesen. Jetzt zogen von Süden her schwere Gewitterwolken herauf, der Wind schlug in Nordwest um, und el;, gewaltiger Platzregen rauschte hernieder. Diesen ganzen Nachmittag, die Nacht und den größten Theil des folgenden Tages war es, als ob der Himmel alle seine Schleußen geöffnet hätte. Regenstrome überschwemmten die Gegend, und es wurde auffallend kühl. Als ich mich in einem kleinen Farmhause am Knüppeldamm auf ein Weilchen geborgen, sah ich Andersons Division durch den Schmutz vorbciwaten. Mit wildem Lärm, singend, jauch¬ zend, unbekümmert um ihre triefenden zerlumpten Monturen, durchnäßt und kalt bis auf die Haut, aber innen heiß von der Begier, sich wieder in das Kampfgetümmel zu stürzen, zogen die tapfern Burschen vorüber. In welcher Verfassung Hookers Truppen die Nacht verbrachten, weiß ich nicht. Sicher aber ist, daß der schwere Regen und das betäubende Blitzen und Krachen der gött¬ lichen Artillerie in der Dicnstagsnacht für sie ein Segen war. Lech neuer An¬ griff wurde dadurch aufgehalten, und Mittwoch früh war Hooker mit seiner ganzen Armee wieder auf dem Nordufer des Flusses. Die ganze Nacht hin¬ durch waren hinüber die Pontons bei United States Fort gezogen." Wir füge» noch Einiges aus den Tagebuchsblätlcrn hinzu, welche von Jack¬ sons letzten Stunden handeln. „An der Eisenbahn zwischen Richmond und Fredericksburg gelegen, zwölf Meilen von letzterer Stadt, ist Guineys Depot seit vielen Monaten eine Haupt¬ niederlage der Conföderirtcn für Munition und allerlei andere Kriegsbedürf¬ nisse gewesen. Denken Sie sich diesen Ort, wie ich ihn heute Morgen (Frei¬ tag) sah, umlagert von 12,000 bis 14,000 Mann, schwimmend in Koth und Schlamm, voll von Kranken und Verwundeten, ein Babel voll Verwirrung und lärmendes Durcheinanderschreien in allen Sprachen. Hier sind ferner gegen 6000 gefangene Unionisten, die in ihren blauen Uniformen wie ein Jndigvfeld aus dem niederen sumpfigen Boden aussehen, und welche sich allesammt weigern. Grenzboten II. 1863. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/509>, abgerufen am 28.09.2024.