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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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20,000 Mann, die einen reißenden Fluß und keine Pontons vor sich hatten,
mit Earleys Hilfe gefangen zu nehmen.

Erst Abends fünf Uhr begann der Angriff. Genera! Lee, der jetzt sicher war,
daß Hooker ihm bei Chancellorsville keinen Streich mehr spielen könne, kam
nach Fredericksburg und führte die hier versammelten drei Divisionen persönlich
gegen den Feind. Der Widerstand, den dieser leistete, war sehr schwach. Seine
gebrochenen Colonnen eilten auf Banks Fort zu, wo sie, leider nicht kräftig genug
verfolgt und von der einbrechenden Nacht sowie von einem abermaligen dicken
Nebel geschützt, eine Pontonbrücke über das Wasser schlugen und, von Mac Law
wirksam mit Kanonen beschossen, erschöpft und entmuthigt auf das Nordufer
hinübergingen. Zu Chancellorsville lagen die Conföderirten in Linien, welche sie
mit unermüdlicher Energie in der Nacht um die Position von Hvokers Truppen
gezogen hatten, und welche diesen nur den einzigen Ausweg nach United States
Fort offen ließen. Ich ritt heute an einer beträchtlichen Strecke dieser Linien
hin und nie sah ich eine Truppe so lustig und wohlgemuth. Plcinkler, welche
eben erst von der Front kamen, beklagten sich, daß die Häutens nicht mehr
plänkeln wollten und daß überhaupt mit ihnen nichts mehr zu machen sei.
Seltsam und unerhört, 80,000 Mann umgeben und eingehemmt in ihren
Bewegungen von einem Heer, welches (hier übertreibt der Berichterstatter un-
zweifelhaft. D. Red.) nur zwei Drittel so stark als sie war. Dahin war es mit
"der schönsten Armee aus Erden" gekommen.

Am Dienstag früh ritt ich hinüber nach Fredericksburg und fand, daß hier
außer einem großen Haufen Gefangener bei Sälen Church kein einziger unio-
nistischer Soldat noch auf der Südseite des Rappahannvck war. Ich begab mich
in Lech Hauptquartier und hatte den VorrheU, mit dem General nach Chan¬
cellorsville zurückzukehren und seine offenen Bemerkungen über die Ereignisse der
Woche anzuhören. Er beklagte die vergleichsweise ungestrafte Art, mit welcher
Scdgwick seinem Griff entkommen war. "Bis jetzt," sagte er, "haben wir
nichts gethan, als der nördlichen Presse Material zu "einem abermaligen großen
Siege der Union" geliefert. Wahr, wir verjagten unsern Feind von jedem Schlacht¬
feld, zerstörten ihm jede Formation, fegten ihn aus Schanzen hinweg, aus denen
meine armen zerlumpten Burschen sich von keiner Windsbraut und keinem
Gewitter hätten vertreiben lassen, aber was will das bedeuten? Ich habe die
Erfahrung gemacht, daß nichts als die Gefangennahme eines ganzen Corps
eine Wirkung hervorbringen kann, und solch eine Gefangennahme hätte gestern
zu Stande gebracht werden sollen." AIs ich bemerkte, daß nach der Masse von
weggeworfenen Waffen und Ausrüstungsstücken zu urtheilen wenigstens ein
Viertel der Armee Hookers zu weiteren Kampfe unfähig gemacht sein müsse,
äußerte der General: "Mit den Hilfsmitteln des Nordens ist der Verlust an
Waffen wahrscheinlich schon jetzt ausgeglichen. Denken Sie sich, mit welcher


20,000 Mann, die einen reißenden Fluß und keine Pontons vor sich hatten,
mit Earleys Hilfe gefangen zu nehmen.

Erst Abends fünf Uhr begann der Angriff. Genera! Lee, der jetzt sicher war,
daß Hooker ihm bei Chancellorsville keinen Streich mehr spielen könne, kam
nach Fredericksburg und führte die hier versammelten drei Divisionen persönlich
gegen den Feind. Der Widerstand, den dieser leistete, war sehr schwach. Seine
gebrochenen Colonnen eilten auf Banks Fort zu, wo sie, leider nicht kräftig genug
verfolgt und von der einbrechenden Nacht sowie von einem abermaligen dicken
Nebel geschützt, eine Pontonbrücke über das Wasser schlugen und, von Mac Law
wirksam mit Kanonen beschossen, erschöpft und entmuthigt auf das Nordufer
hinübergingen. Zu Chancellorsville lagen die Conföderirten in Linien, welche sie
mit unermüdlicher Energie in der Nacht um die Position von Hvokers Truppen
gezogen hatten, und welche diesen nur den einzigen Ausweg nach United States
Fort offen ließen. Ich ritt heute an einer beträchtlichen Strecke dieser Linien
hin und nie sah ich eine Truppe so lustig und wohlgemuth. Plcinkler, welche
eben erst von der Front kamen, beklagten sich, daß die Häutens nicht mehr
plänkeln wollten und daß überhaupt mit ihnen nichts mehr zu machen sei.
Seltsam und unerhört, 80,000 Mann umgeben und eingehemmt in ihren
Bewegungen von einem Heer, welches (hier übertreibt der Berichterstatter un-
zweifelhaft. D. Red.) nur zwei Drittel so stark als sie war. Dahin war es mit
„der schönsten Armee aus Erden" gekommen.

Am Dienstag früh ritt ich hinüber nach Fredericksburg und fand, daß hier
außer einem großen Haufen Gefangener bei Sälen Church kein einziger unio-
nistischer Soldat noch auf der Südseite des Rappahannvck war. Ich begab mich
in Lech Hauptquartier und hatte den VorrheU, mit dem General nach Chan¬
cellorsville zurückzukehren und seine offenen Bemerkungen über die Ereignisse der
Woche anzuhören. Er beklagte die vergleichsweise ungestrafte Art, mit welcher
Scdgwick seinem Griff entkommen war. „Bis jetzt," sagte er, „haben wir
nichts gethan, als der nördlichen Presse Material zu „einem abermaligen großen
Siege der Union" geliefert. Wahr, wir verjagten unsern Feind von jedem Schlacht¬
feld, zerstörten ihm jede Formation, fegten ihn aus Schanzen hinweg, aus denen
meine armen zerlumpten Burschen sich von keiner Windsbraut und keinem
Gewitter hätten vertreiben lassen, aber was will das bedeuten? Ich habe die
Erfahrung gemacht, daß nichts als die Gefangennahme eines ganzen Corps
eine Wirkung hervorbringen kann, und solch eine Gefangennahme hätte gestern
zu Stande gebracht werden sollen." AIs ich bemerkte, daß nach der Masse von
weggeworfenen Waffen und Ausrüstungsstücken zu urtheilen wenigstens ein
Viertel der Armee Hookers zu weiteren Kampfe unfähig gemacht sein müsse,
äußerte der General: „Mit den Hilfsmitteln des Nordens ist der Verlust an
Waffen wahrscheinlich schon jetzt ausgeglichen. Denken Sie sich, mit welcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/508>, abgerufen am 28.09.2024.