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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Regiment; England habe sie im 17. Jahrhundert durchgekämpft von den Stu-
arts bis zu Wilhelm von Oranien, Frankreich ringe immer noch damit von
Ludwig dem Vierzehnten bis Napoleon dem Dritten. Es sei eine heilsame Krankheit
des Staatskörpers, daure vierzig bis achtzig Jahr und mache stark und blühend.
Solcher Trost mag recht gut sein für unsere Enkel, für uns, die wir mit po¬
chendem Herzen das ganze Leiden durchzuleben haben, ist ein näherer Trost
nöthig. Wir suchen ihn, selbst wenn es der "deutsche Trost" wäre, daß es wo
anders noch schlechter geht.

Einiger Trost liegt allerdings in dem Verhalten unserer Gegner, welche
auf das Eifrigste und Erfolgreichste bemüht sind, die Sympathien, welche sie etwa
sich gewinnen konnten, zu verscherzen, die guten Karten, welche in ihrem Spiele
liegen mochten, mit leichter Hand von sich zu schleudern.

Es ist deshalb nicht unnütz, auf das mißtönende Schwirren der Presse zu
hören, welche die Arbeit der feudalen Partei vertheidigt. Selten hat eine po¬
litische Partei die Geschmacklosigkeit gehabt, Herren von so schlechtem Stil und
so unbedeutender Lebensart zu hononren, als jetzt dieselbe Partei, welche das
Schicksal von achtzehn Millionen Preußen in Händen hat. Der Dialekt, in
welchem das literarische Geziefer der Feudalen die Gegner des Ministeriums zu
kränken bestrebt ist, das Lärmschlagen, Schüren, Hetzen, Dcnuncircn und Ver¬
dächtigen wird nur übertroffen durch die plumpe Dreistigkeit ihrer Erfindungen
und die Behendigkeit, womit sie selbst Abenteuerliches zu glauben bereit
sind. So lange die Presse Preußens in vollem Chor ertönte, verschwand das
Getöse dieser Böotier in dem kräftigen Klänge zahlreicher mannhafter Stimmen.
Jetzt, wo die gesammte Oppositionsliteratur geknebelt ist, repräsentiren sie allein
hie Presse Preußens, und man muß wohl oder übel darauf hören. Bis zum
Verbot konnte die preußische Presse sich zu der besten irgend eines andern
Staates stellen, im Ganzen betrachtet und ganz abgesehen von Tendenz der
einzelnen Blätter; jetzt ist die Sprache der Blätter, welche noch laut eine Ueber¬
zeugung vertreten und ihre Gegner angreifen dürfen, nur mit der Humanität
und Cultur zu vergleichen, welche in den Schmutzblättern Neuyork's oder Kali¬
forniens zu Tage kommt, wo ungewaschene Hände, bevor sie die Feder ergrei¬
fen, das Bowiemesser vor sich in den Tisch stecken, um sich zu einem blutigen An¬
griff zu begeistern. Wenn noch Jemand in Zweifel war. bei welcher Partei
bessere Bildung. Anstand, Takt, Verständniß für die politischen Aufgaben des
Staates war, der kann jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Es wird uns Niemand
nachsagen, daß wir zu den Verehrern des Ministerpräsidenten gehören, aber das
dürfen wir doch aussprechen, wir halten es für eine ganz besondere Schickung,
daß er seine Reorganisation des Staates durch so übel duftende Vertraute em¬
pfehlen muß.

Aber auch die Regierung selbst thut mehr als unvermeidlich war. wenn sie


Grenzboten II. 1S63. - 60

Regiment; England habe sie im 17. Jahrhundert durchgekämpft von den Stu-
arts bis zu Wilhelm von Oranien, Frankreich ringe immer noch damit von
Ludwig dem Vierzehnten bis Napoleon dem Dritten. Es sei eine heilsame Krankheit
des Staatskörpers, daure vierzig bis achtzig Jahr und mache stark und blühend.
Solcher Trost mag recht gut sein für unsere Enkel, für uns, die wir mit po¬
chendem Herzen das ganze Leiden durchzuleben haben, ist ein näherer Trost
nöthig. Wir suchen ihn, selbst wenn es der „deutsche Trost" wäre, daß es wo
anders noch schlechter geht.

Einiger Trost liegt allerdings in dem Verhalten unserer Gegner, welche
auf das Eifrigste und Erfolgreichste bemüht sind, die Sympathien, welche sie etwa
sich gewinnen konnten, zu verscherzen, die guten Karten, welche in ihrem Spiele
liegen mochten, mit leichter Hand von sich zu schleudern.

Es ist deshalb nicht unnütz, auf das mißtönende Schwirren der Presse zu
hören, welche die Arbeit der feudalen Partei vertheidigt. Selten hat eine po¬
litische Partei die Geschmacklosigkeit gehabt, Herren von so schlechtem Stil und
so unbedeutender Lebensart zu hononren, als jetzt dieselbe Partei, welche das
Schicksal von achtzehn Millionen Preußen in Händen hat. Der Dialekt, in
welchem das literarische Geziefer der Feudalen die Gegner des Ministeriums zu
kränken bestrebt ist, das Lärmschlagen, Schüren, Hetzen, Dcnuncircn und Ver¬
dächtigen wird nur übertroffen durch die plumpe Dreistigkeit ihrer Erfindungen
und die Behendigkeit, womit sie selbst Abenteuerliches zu glauben bereit
sind. So lange die Presse Preußens in vollem Chor ertönte, verschwand das
Getöse dieser Böotier in dem kräftigen Klänge zahlreicher mannhafter Stimmen.
Jetzt, wo die gesammte Oppositionsliteratur geknebelt ist, repräsentiren sie allein
hie Presse Preußens, und man muß wohl oder übel darauf hören. Bis zum
Verbot konnte die preußische Presse sich zu der besten irgend eines andern
Staates stellen, im Ganzen betrachtet und ganz abgesehen von Tendenz der
einzelnen Blätter; jetzt ist die Sprache der Blätter, welche noch laut eine Ueber¬
zeugung vertreten und ihre Gegner angreifen dürfen, nur mit der Humanität
und Cultur zu vergleichen, welche in den Schmutzblättern Neuyork's oder Kali¬
forniens zu Tage kommt, wo ungewaschene Hände, bevor sie die Feder ergrei¬
fen, das Bowiemesser vor sich in den Tisch stecken, um sich zu einem blutigen An¬
griff zu begeistern. Wenn noch Jemand in Zweifel war. bei welcher Partei
bessere Bildung. Anstand, Takt, Verständniß für die politischen Aufgaben des
Staates war, der kann jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Es wird uns Niemand
nachsagen, daß wir zu den Verehrern des Ministerpräsidenten gehören, aber das
dürfen wir doch aussprechen, wir halten es für eine ganz besondere Schickung,
daß er seine Reorganisation des Staates durch so übel duftende Vertraute em¬
pfehlen muß.

Aber auch die Regierung selbst thut mehr als unvermeidlich war. wenn sie


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[0477] Regiment; England habe sie im 17. Jahrhundert durchgekämpft von den Stu- arts bis zu Wilhelm von Oranien, Frankreich ringe immer noch damit von Ludwig dem Vierzehnten bis Napoleon dem Dritten. Es sei eine heilsame Krankheit des Staatskörpers, daure vierzig bis achtzig Jahr und mache stark und blühend. Solcher Trost mag recht gut sein für unsere Enkel, für uns, die wir mit po¬ chendem Herzen das ganze Leiden durchzuleben haben, ist ein näherer Trost nöthig. Wir suchen ihn, selbst wenn es der „deutsche Trost" wäre, daß es wo anders noch schlechter geht. Einiger Trost liegt allerdings in dem Verhalten unserer Gegner, welche auf das Eifrigste und Erfolgreichste bemüht sind, die Sympathien, welche sie etwa sich gewinnen konnten, zu verscherzen, die guten Karten, welche in ihrem Spiele liegen mochten, mit leichter Hand von sich zu schleudern. Es ist deshalb nicht unnütz, auf das mißtönende Schwirren der Presse zu hören, welche die Arbeit der feudalen Partei vertheidigt. Selten hat eine po¬ litische Partei die Geschmacklosigkeit gehabt, Herren von so schlechtem Stil und so unbedeutender Lebensart zu hononren, als jetzt dieselbe Partei, welche das Schicksal von achtzehn Millionen Preußen in Händen hat. Der Dialekt, in welchem das literarische Geziefer der Feudalen die Gegner des Ministeriums zu kränken bestrebt ist, das Lärmschlagen, Schüren, Hetzen, Dcnuncircn und Ver¬ dächtigen wird nur übertroffen durch die plumpe Dreistigkeit ihrer Erfindungen und die Behendigkeit, womit sie selbst Abenteuerliches zu glauben bereit sind. So lange die Presse Preußens in vollem Chor ertönte, verschwand das Getöse dieser Böotier in dem kräftigen Klänge zahlreicher mannhafter Stimmen. Jetzt, wo die gesammte Oppositionsliteratur geknebelt ist, repräsentiren sie allein hie Presse Preußens, und man muß wohl oder übel darauf hören. Bis zum Verbot konnte die preußische Presse sich zu der besten irgend eines andern Staates stellen, im Ganzen betrachtet und ganz abgesehen von Tendenz der einzelnen Blätter; jetzt ist die Sprache der Blätter, welche noch laut eine Ueber¬ zeugung vertreten und ihre Gegner angreifen dürfen, nur mit der Humanität und Cultur zu vergleichen, welche in den Schmutzblättern Neuyork's oder Kali¬ forniens zu Tage kommt, wo ungewaschene Hände, bevor sie die Feder ergrei¬ fen, das Bowiemesser vor sich in den Tisch stecken, um sich zu einem blutigen An¬ griff zu begeistern. Wenn noch Jemand in Zweifel war. bei welcher Partei bessere Bildung. Anstand, Takt, Verständniß für die politischen Aufgaben des Staates war, der kann jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Es wird uns Niemand nachsagen, daß wir zu den Verehrern des Ministerpräsidenten gehören, aber das dürfen wir doch aussprechen, wir halten es für eine ganz besondere Schickung, daß er seine Reorganisation des Staates durch so übel duftende Vertraute em¬ pfehlen muß. Aber auch die Regierung selbst thut mehr als unvermeidlich war. wenn sie Grenzboten II. 1S63. - 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/477>, abgerufen am 19.10.2024.