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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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die Presse ungefährlich machen mußte. Wozu erst zwei Warnungen, welche nur
dazu dienen, die Erbitterung zu steigern, wozu am Ende ein Verfahren, wel¬
ches die Behörden, welche dasselbe einleiten, nicht mit Befriedigung erfüllen
kann, weil es doch in der Regel keinen andern Zweck haben wird, als mit
dem Beklagten zu unterhandeln, Gnade für Gewalt ergehen zu lassen, wenn
er Unterwerfung gelobt, ihn zu verurtheilen, wenn er sich als das zeigt, was
man mit altpreußischen Worte einen gradlinigen Mann nennt, Es soll uns
nicht einfallen, Herrn v. Manteuffel mit der gegenwärtigen Negierung zu ver¬
gleichen , sein Verfahren war durchaus menschenfreundlicher und geschäfts¬
mäßiger. Er sprach vertraulich mit Redacteuren oder Verlegern, verstand wohl
ihnen einzelne Concessionen abzugewinnen, ließ auch wohl einmal einen Angriff
auf sich zu und sah philosophisch durch die Finger. Und er kam ziemlich weit
damit und gelangt jetzt in Frieden zu seinen Jahren. Er war kein Feuer-
brand. Jetzt geht das schneller zu, und wir meinen, die Kohlen, welche man
ausstreut, sind zu heiß.

Für das Ministerium ist offenbar die Zeit ruhiger Erwägungen Vorüber,
es hat die Rücksichten auf die öffentliche Meinung weit hinter sich geworfen,
es hat zu viel gewagt, um ohne große Demüthigung zurückzugehen, und sowohl
Politik als Stolz gebieten ihm, Alles an das "Durch" zu setzen.

Die Zeitungen sind zum Schweigen gebracht; da werden die Stadtgemeinden
unbequem, und weil sie zumeist durch die Vereine in Aufregung gebracht wer¬
den, so wird die nächste Aufgabe, die Vereine unschädlich zu machen. Und da
wieder bei der gewagten Anwendung von Gesctzparagraphen und bei dem Re¬
giment der Ministerialvervrdnungcn, welches jetzt nöthig wird, der liberale
Geist, welcher die Mehrzahl der preußischen Beamten erfüllt, hinderlich wird,
so muß eine entsprechende Verschärfung des Disciplinargcsetzes stattfinden. Ein
Schritt folgt mit gebieterischer Nothwendigkeit auf den andern.

Ebenso wird die Opposition, welche für das Recht des parlamentarischen
Lebens kämpft, aus einer Position in die andere getrieben. Die Presse ist
stumm gemacht, die Vereine und die städtischen Korporationen nehmen den
Kampf auf. Die Deputationen der Städte werden ungnädig abgewiesen
und mit Strafen wegen ungesetzlichen Verhaltens bedroht, die Vereine will
man schließen. So wird ein gesetzliches Mittel des Widerstandes nach dem
andern der Opposition entzogen, und dieselbe wird bald in der Lage sein, Ver¬
fassung und Recht nicht mehr mit den gesetzlichen Mitteln vertheidigen zu
können.

Noch kämpfen beide Gewalten des Staates, Regierung und Opposition,
mit Gesctzparagraphen gegen einander. Und in der That machen die Schwan¬
kungen und Dissonannzen, welche in der preußischen Gesetzgebung seit dem Jahre
1848 stattgefunden haben, nicht schwer, jede Auffassung mit einigem Schein


die Presse ungefährlich machen mußte. Wozu erst zwei Warnungen, welche nur
dazu dienen, die Erbitterung zu steigern, wozu am Ende ein Verfahren, wel¬
ches die Behörden, welche dasselbe einleiten, nicht mit Befriedigung erfüllen
kann, weil es doch in der Regel keinen andern Zweck haben wird, als mit
dem Beklagten zu unterhandeln, Gnade für Gewalt ergehen zu lassen, wenn
er Unterwerfung gelobt, ihn zu verurtheilen, wenn er sich als das zeigt, was
man mit altpreußischen Worte einen gradlinigen Mann nennt, Es soll uns
nicht einfallen, Herrn v. Manteuffel mit der gegenwärtigen Negierung zu ver¬
gleichen , sein Verfahren war durchaus menschenfreundlicher und geschäfts¬
mäßiger. Er sprach vertraulich mit Redacteuren oder Verlegern, verstand wohl
ihnen einzelne Concessionen abzugewinnen, ließ auch wohl einmal einen Angriff
auf sich zu und sah philosophisch durch die Finger. Und er kam ziemlich weit
damit und gelangt jetzt in Frieden zu seinen Jahren. Er war kein Feuer-
brand. Jetzt geht das schneller zu, und wir meinen, die Kohlen, welche man
ausstreut, sind zu heiß.

Für das Ministerium ist offenbar die Zeit ruhiger Erwägungen Vorüber,
es hat die Rücksichten auf die öffentliche Meinung weit hinter sich geworfen,
es hat zu viel gewagt, um ohne große Demüthigung zurückzugehen, und sowohl
Politik als Stolz gebieten ihm, Alles an das „Durch" zu setzen.

Die Zeitungen sind zum Schweigen gebracht; da werden die Stadtgemeinden
unbequem, und weil sie zumeist durch die Vereine in Aufregung gebracht wer¬
den, so wird die nächste Aufgabe, die Vereine unschädlich zu machen. Und da
wieder bei der gewagten Anwendung von Gesctzparagraphen und bei dem Re¬
giment der Ministerialvervrdnungcn, welches jetzt nöthig wird, der liberale
Geist, welcher die Mehrzahl der preußischen Beamten erfüllt, hinderlich wird,
so muß eine entsprechende Verschärfung des Disciplinargcsetzes stattfinden. Ein
Schritt folgt mit gebieterischer Nothwendigkeit auf den andern.

Ebenso wird die Opposition, welche für das Recht des parlamentarischen
Lebens kämpft, aus einer Position in die andere getrieben. Die Presse ist
stumm gemacht, die Vereine und die städtischen Korporationen nehmen den
Kampf auf. Die Deputationen der Städte werden ungnädig abgewiesen
und mit Strafen wegen ungesetzlichen Verhaltens bedroht, die Vereine will
man schließen. So wird ein gesetzliches Mittel des Widerstandes nach dem
andern der Opposition entzogen, und dieselbe wird bald in der Lage sein, Ver¬
fassung und Recht nicht mehr mit den gesetzlichen Mitteln vertheidigen zu
können.

Noch kämpfen beide Gewalten des Staates, Regierung und Opposition,
mit Gesctzparagraphen gegen einander. Und in der That machen die Schwan¬
kungen und Dissonannzen, welche in der preußischen Gesetzgebung seit dem Jahre
1848 stattgefunden haben, nicht schwer, jede Auffassung mit einigem Schein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/478>, abgerufen am 27.09.2024.