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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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im Voraus berechnen können. Oestreich muß vielmehr wissen, daß Preußen
keineswegs gezwungen ist, seiner Politik in den europäischen Dingen Vorschub
zu leisten, daß es vielmehr, ohne sein Ziel aus dein Auge zu verlieren, ihm
in allen seinen Plänen feindlich gegenübertreten kann, daß es volle Freiheit
hat, sich in Combinationen einzulassen, die gerade auf die Schwächung Oest¬
reichs gerichtet sind. Nur unter der Voraussetzung, daß Oestreich die That¬
sache anerkennt, daß Preußen auch sein Gegner sein kann, daß dasselbe weder
moralisch verpflichtet, noch thatsächlich gezwungen ist, den Impulsen der wiener
Politik zu folgen, ist eine aufrichtige, auf einer Ausgleichung der Interessen
beruhende Alliance zwischen den beiden Mächten möglich.

Ehe wir aber erwägen, welche Stellung Preußen in der allgemeinen euro¬
päischen Politik einzunehmen habe, um seiue nationale Aufgabe mit Nachdruck
zu verfolgen, müssen wir vorher noch das zuerst zu erreichende Ziel näher ins
Auge fassen. Es ist augenscheinlich, daß jeder directe Versuch der Einigung zu¬
nächst die Uneinigkeit steigern würde, und daß in diesem Falle die auswärtigen
Gegner unseres Vaterlandes in dem in seiner Existenz bedrohten aufs Aeußerste
gebrachten Particularismus der Mittelstaaten eine vortreffliche Handhabe zur Ein¬
mischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands finden würden. Denn
daß Deutschland seine Neugestaltung unter allen Umständen gegen das Ausland
zu vertheidigen haben wird, scheint uns, wie wir schon oben bemerkt haben,
ganz unzweifelhaft zu sein, so unzweifelhaft, daß wir es für eine völlig vergebliche
Mühe halten würden, wenn man etwa nach Mitteln suchen wollte, dieser Ge¬
fahr vorzubeugen. Es kann nur darauf ankommen, zu verhindern, daß das
Ausland in unserem eigenen Lager seine Bundesgenossen finde. Die Einigkeit
muß in einer europäischen Frage vor dem Auslande constatirt und bewährt
worden sein, ehe das Wer? der Einigung zum Abschluß gebracht werden kann.

Ist denn nun aber die Aussicht vorhanden, daß es Preußen gelinge, alle
Elemente der Nation zu einer nationalen, gegen das Ausland gerichteten That zu
vereinigen? Wir zweifeln nicht daran. Der Kampf für die Herzogtümer Hol¬
stein und Schleswig wird auch der Kampf für die politische Einigung Deutsch¬
lands werden. In keiner andern Sache hat sich die Unfähigkeit der gegen¬
wärtigen Bundesversammlung, Deutschland wirksam nach Außen zu vertreten,
so handgreiflich dargelegt, als in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit.
Mit verschwindend kleiner Ausnahme ist die ganze Nation darüber vollkommen
einig, daß hier Abhilfe geschafft werden muß. Selbst den Bundestag vermag
die Noth der Herzogtümer zu Beschlüssen zu zwingen, die in Bezug auf
Correctheit nicht viel zu wünschen übrig lassen, die aber stets Beschlüsse bleiben
werden, weil eine Versammlung von Diplomaten, die an Jnstructionen ge¬
bunden sind, eben nur beschließen, aber absolut nicht handeln kann. Daß hier
nur Preußen helfen kann, sieht jeder, und vor Allem weiß man es in Däne-


im Voraus berechnen können. Oestreich muß vielmehr wissen, daß Preußen
keineswegs gezwungen ist, seiner Politik in den europäischen Dingen Vorschub
zu leisten, daß es vielmehr, ohne sein Ziel aus dein Auge zu verlieren, ihm
in allen seinen Plänen feindlich gegenübertreten kann, daß es volle Freiheit
hat, sich in Combinationen einzulassen, die gerade auf die Schwächung Oest¬
reichs gerichtet sind. Nur unter der Voraussetzung, daß Oestreich die That¬
sache anerkennt, daß Preußen auch sein Gegner sein kann, daß dasselbe weder
moralisch verpflichtet, noch thatsächlich gezwungen ist, den Impulsen der wiener
Politik zu folgen, ist eine aufrichtige, auf einer Ausgleichung der Interessen
beruhende Alliance zwischen den beiden Mächten möglich.

Ehe wir aber erwägen, welche Stellung Preußen in der allgemeinen euro¬
päischen Politik einzunehmen habe, um seiue nationale Aufgabe mit Nachdruck
zu verfolgen, müssen wir vorher noch das zuerst zu erreichende Ziel näher ins
Auge fassen. Es ist augenscheinlich, daß jeder directe Versuch der Einigung zu¬
nächst die Uneinigkeit steigern würde, und daß in diesem Falle die auswärtigen
Gegner unseres Vaterlandes in dem in seiner Existenz bedrohten aufs Aeußerste
gebrachten Particularismus der Mittelstaaten eine vortreffliche Handhabe zur Ein¬
mischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands finden würden. Denn
daß Deutschland seine Neugestaltung unter allen Umständen gegen das Ausland
zu vertheidigen haben wird, scheint uns, wie wir schon oben bemerkt haben,
ganz unzweifelhaft zu sein, so unzweifelhaft, daß wir es für eine völlig vergebliche
Mühe halten würden, wenn man etwa nach Mitteln suchen wollte, dieser Ge¬
fahr vorzubeugen. Es kann nur darauf ankommen, zu verhindern, daß das
Ausland in unserem eigenen Lager seine Bundesgenossen finde. Die Einigkeit
muß in einer europäischen Frage vor dem Auslande constatirt und bewährt
worden sein, ehe das Wer? der Einigung zum Abschluß gebracht werden kann.

Ist denn nun aber die Aussicht vorhanden, daß es Preußen gelinge, alle
Elemente der Nation zu einer nationalen, gegen das Ausland gerichteten That zu
vereinigen? Wir zweifeln nicht daran. Der Kampf für die Herzogtümer Hol¬
stein und Schleswig wird auch der Kampf für die politische Einigung Deutsch¬
lands werden. In keiner andern Sache hat sich die Unfähigkeit der gegen¬
wärtigen Bundesversammlung, Deutschland wirksam nach Außen zu vertreten,
so handgreiflich dargelegt, als in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit.
Mit verschwindend kleiner Ausnahme ist die ganze Nation darüber vollkommen
einig, daß hier Abhilfe geschafft werden muß. Selbst den Bundestag vermag
die Noth der Herzogtümer zu Beschlüssen zu zwingen, die in Bezug auf
Correctheit nicht viel zu wünschen übrig lassen, die aber stets Beschlüsse bleiben
werden, weil eine Versammlung von Diplomaten, die an Jnstructionen ge¬
bunden sind, eben nur beschließen, aber absolut nicht handeln kann. Daß hier
nur Preußen helfen kann, sieht jeder, und vor Allem weiß man es in Däne-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/361>, abgerufen am 20.10.2024.