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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Der Erfolg bezeugte, daß in allen diesen Behauptungen nur die in den
ministeriellen Kreisen herrschenden Wünsche sich abspiegelten. Anstatt aber später
das Unrecht einzugestehen, welches durch die über den Inhalt der Papiere auf¬
gesprengten Unwahrheiten den Gegnern zugefügt war, fand das Blatt es an¬
gemessen, den Ausgang der Verfolgung zu verschweigen. Die Leser des "Nord¬
deutschen Korrespondenten" haben durch diese Zeitung selbst niemals erfahren,
daß der Querelbescheid des Oberappellationsgerichts die vollständige Unverfäng¬
lichkeit des Inhalts der Papiere anerkannte, deren Rücklieferung anordnete und,
zum Beweise, daß eine grobe Verschuldung des Criminalcollegiums vorlag,
dieses in die Kosten verurtheilte. Die erlittene Niederlage ward mit Schweigen
übergangen, weil es zu große Ueberwindung kostete, der Wahrheit die Ehre
zu geben.

Die Herren v. Schröter und Bolle wollten indessen ihre Arbeit doch nicht
ganz umsonst gethan haben, und so wurden denn noch vor Ausführung des ober-
gerichtlichen Erkenntnisses in aller Heimlichkeit beglaubigte Abschriften von den¬
jenigen Papieren veranstaltet, deren Inhalt sie für gravirend ansahen; und
während das Criminaicollegium demnächst den Schein annahm, als befolge
es die rechtskräftige Entscheidung des Oberappellationsgerichts durch Zurück¬
gabe der Papiere an ihre Eigenthümer, brachte Herr v. Schröter die ihm von
Bolle zugefertigten beglaubigten Abschriften im Ministerialarchiv in Sicherheit,
um sie zu gelegener Zeit doch noch einmal gegen die von ihm verfolgten
Männer zu verwerthen.

Da es an Bolle nicht gelegen hatte, wenn die intendirte Hochverraths-
untersuchung fehlgeschlagen war, so wünschte der Minister ihm einen Beweis
seiner Erkenntlichkeit für den dargebrachten Eifer zu liefern und ihn dadurch
zur Fortsetzung desselben anzuspornen. Er legte sogleich dem ersten Landtage
nach der Restauration, welcher im Februar des Jahres 1851 zusammentrat,
eine großherzogliche Proposition vor, weiche auf Bewilligung einer Gehalts¬
zulage Von 200 Thlr. für Bolle gerichtet war. Indessen walteten damals noch
die üblen Eindrücke bei der Ritterschaft vor, welche Bolle durch seine Flucht bei
Gelegenheit eines Aufruhrs ländlicher Tagelöhner hervorgerufen hatte, und die
Landtagsversammlung lehnte die dem Schützling des Ministers zugedachte Be¬
lohnung ab. Ein Seitenstück zu dieser dem einen Richter bewiesenen Dankbar¬
keit bildet die Pensionirung eines anderen, welcher in der gleichen Sache thätig
gewesen war, jedoch nicht zu Ungunsten, sondern zu Gunsten der Männer,
auf welche der Minister es mit einer Criminaluntersuchung abgesehen hatte.
Der älteste Rath im Oberappellationsgcricht, Ackermann, mühte durch die über
ihn verhängte Pensionirung dafür büßen, daß er als Referent in der Sache
nicht im Stande gewesen war sich davon zu überzeugen, daß Verdachtsgrsinde
wegen eines Verbrechens gegen die Männer obwalteten, die man in Untersuchung


Greuzbotc" II. 1603. 39

Der Erfolg bezeugte, daß in allen diesen Behauptungen nur die in den
ministeriellen Kreisen herrschenden Wünsche sich abspiegelten. Anstatt aber später
das Unrecht einzugestehen, welches durch die über den Inhalt der Papiere auf¬
gesprengten Unwahrheiten den Gegnern zugefügt war, fand das Blatt es an¬
gemessen, den Ausgang der Verfolgung zu verschweigen. Die Leser des „Nord¬
deutschen Korrespondenten" haben durch diese Zeitung selbst niemals erfahren,
daß der Querelbescheid des Oberappellationsgerichts die vollständige Unverfäng¬
lichkeit des Inhalts der Papiere anerkannte, deren Rücklieferung anordnete und,
zum Beweise, daß eine grobe Verschuldung des Criminalcollegiums vorlag,
dieses in die Kosten verurtheilte. Die erlittene Niederlage ward mit Schweigen
übergangen, weil es zu große Ueberwindung kostete, der Wahrheit die Ehre
zu geben.

Die Herren v. Schröter und Bolle wollten indessen ihre Arbeit doch nicht
ganz umsonst gethan haben, und so wurden denn noch vor Ausführung des ober-
gerichtlichen Erkenntnisses in aller Heimlichkeit beglaubigte Abschriften von den¬
jenigen Papieren veranstaltet, deren Inhalt sie für gravirend ansahen; und
während das Criminaicollegium demnächst den Schein annahm, als befolge
es die rechtskräftige Entscheidung des Oberappellationsgerichts durch Zurück¬
gabe der Papiere an ihre Eigenthümer, brachte Herr v. Schröter die ihm von
Bolle zugefertigten beglaubigten Abschriften im Ministerialarchiv in Sicherheit,
um sie zu gelegener Zeit doch noch einmal gegen die von ihm verfolgten
Männer zu verwerthen.

Da es an Bolle nicht gelegen hatte, wenn die intendirte Hochverraths-
untersuchung fehlgeschlagen war, so wünschte der Minister ihm einen Beweis
seiner Erkenntlichkeit für den dargebrachten Eifer zu liefern und ihn dadurch
zur Fortsetzung desselben anzuspornen. Er legte sogleich dem ersten Landtage
nach der Restauration, welcher im Februar des Jahres 1851 zusammentrat,
eine großherzogliche Proposition vor, weiche auf Bewilligung einer Gehalts¬
zulage Von 200 Thlr. für Bolle gerichtet war. Indessen walteten damals noch
die üblen Eindrücke bei der Ritterschaft vor, welche Bolle durch seine Flucht bei
Gelegenheit eines Aufruhrs ländlicher Tagelöhner hervorgerufen hatte, und die
Landtagsversammlung lehnte die dem Schützling des Ministers zugedachte Be¬
lohnung ab. Ein Seitenstück zu dieser dem einen Richter bewiesenen Dankbar¬
keit bildet die Pensionirung eines anderen, welcher in der gleichen Sache thätig
gewesen war, jedoch nicht zu Ungunsten, sondern zu Gunsten der Männer,
auf welche der Minister es mit einer Criminaluntersuchung abgesehen hatte.
Der älteste Rath im Oberappellationsgcricht, Ackermann, mühte durch die über
ihn verhängte Pensionirung dafür büßen, daß er als Referent in der Sache
nicht im Stande gewesen war sich davon zu überzeugen, daß Verdachtsgrsinde
wegen eines Verbrechens gegen die Männer obwalteten, die man in Untersuchung


Greuzbotc» II. 1603. 39
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/309>, abgerufen am 19.10.2024.