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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Die nicht hcimathsberechtigten mißliebigen Personen wurden aus dem
Lande gewiesen. Im August des Jahres 18S0 traf diese Maßregel gleichzeitig
drei in der behmschen Officin zu Rostock angestellte Männer: den Redacteur
der "Rostocker Zeitung" Friedensburg, den Factor Kornäcker und den Setzer
Felsing. Der Maßregel konnte nur die Absicht zu Grunde liegen, die einzige
größere politische Zeitung, welche durch Rechtssinn und mit Besonnenheit ge¬
paarte Freimüthigkeit sich unbequem gemacht hatte, durch plötzliche Entziehung
ihrer Hauptkräfte zu vernichten oder, wenn dies nicht gelang, den Verleger
gründlich einzuschüchtern. Sie war so wenig überlegt, daß sie in dem Factor
sogar einen Mann traf, welcher ein Gegner der demokratischen Richtung war
und dies bald nachher durch Begründung eines reactionären katholischen Blattes
in seiner Vaterstadt Hildesheim bekundete. Anderer in Rostock sich aufhaltender
Ausländer entledigte man sich indirect, indem man den nur allzuwillfährigen
Magistrat zu Rostock zu deren Ausweisung vermochte. Auf demselben Wege
wurden auch Inländer von diesem gefürchteten Hauptsitze der Demokratie ent¬
fernt und in ihrer. literarischen Thätigkeit gehemmt. Einmal mit den Aus¬
weisungen im Zuge, blieb man mit denselben nicht bei den politisch Mißlie¬
bigen stehen, sondern entledigte sich durch dieses Mittel auch jeder anderen
unbequemen Persönlichkeit, z. B. des römisch-katholischen Priesters Holzammer,
welcher auf dem Landgute des Herrn von der Kellerburg, eines der mecklen¬
burgischen Ritterschaft angehöngen Konvertiten, als dessen Hauskaplan einen
katholischen Privatgottesdienst zu verrichten begonnen hatte. Mochte zur Uebung
dieser priesterlichen Function gesetzlich auch eine Concession erforderlich sein, so
blieb bei dem vom Minister angeordneten, durch Gensdarmen ausgeführten
Transport des Priesters über die Landesgrenze doch jedenfalls der Umstand un¬
beachtet, daß ihm von dem Gutsherrn das Heimathsrecht verliehen und er da¬
durch nach damaligem Gesetz mecklenburgischer Staatsbürger geworden war.

Wer von den politisch Mißliebigen in einem kündbaren Amte stand, ward
jetzt gekündigt und dadurch in den meisten Fällen in eine bedrängte Lage ge¬
bracht oder zur Auswanderung genöthigt. So wurden Reinhard und Wöhler,
jener aus dem Schulamt, dieser aus dem Postdienst entfernt, weil sie ihr von
den Wählern empfangenes Mandat als Abgeordnete zur deutschen Neicksver-
sammlung treu bis zu Ende durchgeführt hatten. Wenzlaff, zweiter Vicepräsi-
dent der mecklenburgischen Abgeordnetenkammer, verlor gleichfalls durch Kündi¬
gung sein Schulamt. Dieses von der Regierung im weitesten Umfange zur
Anwendung gebrachte Verfahren fand begreiflich auch bei den wiederhergestellten
ständischen und gutsherrlichen Obrigkeiten und bei den städtischen Gemeinde¬
behörden reichliche Nachahmung.

Wer durch die Kündigung nicht zu erreichen war, gegen den suchte man
Stoff zu einer Disciplinaruntersuchung zu gewinnen, und es gelang auch auf


Die nicht hcimathsberechtigten mißliebigen Personen wurden aus dem
Lande gewiesen. Im August des Jahres 18S0 traf diese Maßregel gleichzeitig
drei in der behmschen Officin zu Rostock angestellte Männer: den Redacteur
der „Rostocker Zeitung" Friedensburg, den Factor Kornäcker und den Setzer
Felsing. Der Maßregel konnte nur die Absicht zu Grunde liegen, die einzige
größere politische Zeitung, welche durch Rechtssinn und mit Besonnenheit ge¬
paarte Freimüthigkeit sich unbequem gemacht hatte, durch plötzliche Entziehung
ihrer Hauptkräfte zu vernichten oder, wenn dies nicht gelang, den Verleger
gründlich einzuschüchtern. Sie war so wenig überlegt, daß sie in dem Factor
sogar einen Mann traf, welcher ein Gegner der demokratischen Richtung war
und dies bald nachher durch Begründung eines reactionären katholischen Blattes
in seiner Vaterstadt Hildesheim bekundete. Anderer in Rostock sich aufhaltender
Ausländer entledigte man sich indirect, indem man den nur allzuwillfährigen
Magistrat zu Rostock zu deren Ausweisung vermochte. Auf demselben Wege
wurden auch Inländer von diesem gefürchteten Hauptsitze der Demokratie ent¬
fernt und in ihrer. literarischen Thätigkeit gehemmt. Einmal mit den Aus¬
weisungen im Zuge, blieb man mit denselben nicht bei den politisch Mißlie¬
bigen stehen, sondern entledigte sich durch dieses Mittel auch jeder anderen
unbequemen Persönlichkeit, z. B. des römisch-katholischen Priesters Holzammer,
welcher auf dem Landgute des Herrn von der Kellerburg, eines der mecklen¬
burgischen Ritterschaft angehöngen Konvertiten, als dessen Hauskaplan einen
katholischen Privatgottesdienst zu verrichten begonnen hatte. Mochte zur Uebung
dieser priesterlichen Function gesetzlich auch eine Concession erforderlich sein, so
blieb bei dem vom Minister angeordneten, durch Gensdarmen ausgeführten
Transport des Priesters über die Landesgrenze doch jedenfalls der Umstand un¬
beachtet, daß ihm von dem Gutsherrn das Heimathsrecht verliehen und er da¬
durch nach damaligem Gesetz mecklenburgischer Staatsbürger geworden war.

Wer von den politisch Mißliebigen in einem kündbaren Amte stand, ward
jetzt gekündigt und dadurch in den meisten Fällen in eine bedrängte Lage ge¬
bracht oder zur Auswanderung genöthigt. So wurden Reinhard und Wöhler,
jener aus dem Schulamt, dieser aus dem Postdienst entfernt, weil sie ihr von
den Wählern empfangenes Mandat als Abgeordnete zur deutschen Neicksver-
sammlung treu bis zu Ende durchgeführt hatten. Wenzlaff, zweiter Vicepräsi-
dent der mecklenburgischen Abgeordnetenkammer, verlor gleichfalls durch Kündi¬
gung sein Schulamt. Dieses von der Regierung im weitesten Umfange zur
Anwendung gebrachte Verfahren fand begreiflich auch bei den wiederhergestellten
ständischen und gutsherrlichen Obrigkeiten und bei den städtischen Gemeinde¬
behörden reichliche Nachahmung.

Wer durch die Kündigung nicht zu erreichen war, gegen den suchte man
Stoff zu einer Disciplinaruntersuchung zu gewinnen, und es gelang auch auf


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[0304] Die nicht hcimathsberechtigten mißliebigen Personen wurden aus dem Lande gewiesen. Im August des Jahres 18S0 traf diese Maßregel gleichzeitig drei in der behmschen Officin zu Rostock angestellte Männer: den Redacteur der „Rostocker Zeitung" Friedensburg, den Factor Kornäcker und den Setzer Felsing. Der Maßregel konnte nur die Absicht zu Grunde liegen, die einzige größere politische Zeitung, welche durch Rechtssinn und mit Besonnenheit ge¬ paarte Freimüthigkeit sich unbequem gemacht hatte, durch plötzliche Entziehung ihrer Hauptkräfte zu vernichten oder, wenn dies nicht gelang, den Verleger gründlich einzuschüchtern. Sie war so wenig überlegt, daß sie in dem Factor sogar einen Mann traf, welcher ein Gegner der demokratischen Richtung war und dies bald nachher durch Begründung eines reactionären katholischen Blattes in seiner Vaterstadt Hildesheim bekundete. Anderer in Rostock sich aufhaltender Ausländer entledigte man sich indirect, indem man den nur allzuwillfährigen Magistrat zu Rostock zu deren Ausweisung vermochte. Auf demselben Wege wurden auch Inländer von diesem gefürchteten Hauptsitze der Demokratie ent¬ fernt und in ihrer. literarischen Thätigkeit gehemmt. Einmal mit den Aus¬ weisungen im Zuge, blieb man mit denselben nicht bei den politisch Mißlie¬ bigen stehen, sondern entledigte sich durch dieses Mittel auch jeder anderen unbequemen Persönlichkeit, z. B. des römisch-katholischen Priesters Holzammer, welcher auf dem Landgute des Herrn von der Kellerburg, eines der mecklen¬ burgischen Ritterschaft angehöngen Konvertiten, als dessen Hauskaplan einen katholischen Privatgottesdienst zu verrichten begonnen hatte. Mochte zur Uebung dieser priesterlichen Function gesetzlich auch eine Concession erforderlich sein, so blieb bei dem vom Minister angeordneten, durch Gensdarmen ausgeführten Transport des Priesters über die Landesgrenze doch jedenfalls der Umstand un¬ beachtet, daß ihm von dem Gutsherrn das Heimathsrecht verliehen und er da¬ durch nach damaligem Gesetz mecklenburgischer Staatsbürger geworden war. Wer von den politisch Mißliebigen in einem kündbaren Amte stand, ward jetzt gekündigt und dadurch in den meisten Fällen in eine bedrängte Lage ge¬ bracht oder zur Auswanderung genöthigt. So wurden Reinhard und Wöhler, jener aus dem Schulamt, dieser aus dem Postdienst entfernt, weil sie ihr von den Wählern empfangenes Mandat als Abgeordnete zur deutschen Neicksver- sammlung treu bis zu Ende durchgeführt hatten. Wenzlaff, zweiter Vicepräsi- dent der mecklenburgischen Abgeordnetenkammer, verlor gleichfalls durch Kündi¬ gung sein Schulamt. Dieses von der Regierung im weitesten Umfange zur Anwendung gebrachte Verfahren fand begreiflich auch bei den wiederhergestellten ständischen und gutsherrlichen Obrigkeiten und bei den städtischen Gemeinde¬ behörden reichliche Nachahmung. Wer durch die Kündigung nicht zu erreichen war, gegen den suchte man Stoff zu einer Disciplinaruntersuchung zu gewinnen, und es gelang auch auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/304>, abgerufen am 20.10.2024.