Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.teiunterschieden, und mancher Demokrat hatte die Genugthuung, sich hier von In Betreff des übrigen Inhalts des Programms war von einem hervor¬ teiunterschieden, und mancher Demokrat hatte die Genugthuung, sich hier von In Betreff des übrigen Inhalts des Programms war von einem hervor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188229"/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656"> teiunterschieden, und mancher Demokrat hatte die Genugthuung, sich hier von<lb/> einem Liberalen überholt zu sehen. Die Leiter überzeugten sich bald, daß eine<lb/> scharfe Betonung des Nechtspunl'tes nothwendig auch eine Enthaltung von der<lb/> Wahl oder doch von den Verhandlungen der Kammer bedinge, und das konnte<lb/> man doch unmöglich wollen. Man mußte sich daher klar werden, ob man länger<lb/> passiv bleiben wolle oder nicht, eine Aufsparung der Rechtsfrage auf bessere<lb/> Zeiten barg entweder eine politische Mutlosigkeit oder eine übelanstehende<lb/> Mentalreservation in sich. Das Programm durfte daher nichts enthalten, was<lb/> das Gewissen der Leute zu einer rechtlichen Anerkennung verband, aber es mußte<lb/> auch die factischen Zustände als Basis der politischen Thätigkeit annehmen, —<lb/> Vor Allem aber hatte man Ursache, vorsichtig zu sein. § 47 des neuen Wahl¬<lb/> gesetzes lautet: „Jede Wahl soll lediglich aus der freien Ueberzeugung der<lb/> Wählenden hervorgehen. Wer auf solche durch Drohungen, falsche Vorspiege¬<lb/> lung. Geschenke oder Versprechungen einzuwirken suchen sollte, verliert für im¬<lb/> mer das Recht zu wählen oder gewählt zu werden. Gegen die Entscheidung<lb/> der betreffenden Regierungsbehörde steht eine Berufung an die betreffende<lb/> Kammer zu:c." Bei einer solchen Bestimmung handelt es sich lediglich um<lb/> die Frage, wie groß ist der Druck der öffentlichen Meinung, die Regierung und<lb/> die Kammern an der Aechtung politischer Gegner zu verhindern; denn unter<lb/> „falsche Vorspiegelung" und „Versprechung" läßt sich wohl so ziemlich Alles<lb/> bringen, was ein Kandidat seinen Wählern sagen kann, und was der herr¬<lb/> schenden Partei nicht gefällt. Die öffentliche Meinung aber hat in Sachsen<lb/> nicbt viel von „großer Kühnheit" aus alten Mähren zu sagen, und so gilt es-<lb/> nach den Waffen sich einzurichten, die den politischen Gegnern zu Gebote<lb/> stehen. — Auf dieser adoptirten Grundlage wird es nun Aufgabe der Gewählten<lb/> sein, den vollen sittlichen und rechtlichen Gegensatz zwischen denen zum Aus¬<lb/> drucke zu bringen, welche sich dem Bestehenden fügen, und denen, welche den<lb/> neuen Gesetzesboden durch Verordnung schufen, und welche ihn ohne Recht und<lb/> Mandat anerkennen halfen. Man kann mit den Dingen Frieden schließen, »in<lb/> den Personen nie! Und der Friede mit den Dingen kann nur soweit gehen,<lb/> daß man eben die Basis adoptirt, aber sie ist mit zwingender Nothwendig¬<lb/> keit sofort zu verwenden, um sie umzubilden, und so wird denn der Ruf!<lb/> Wahlreform, sich bei jedem Landtage wiederholen, bis den materiell unerlä߬<lb/> lichen Forderungen in dieser Beziehung Genüge geschehen ist. Daß die Posi¬<lb/> tion: Wahlreform daher auch in das Programm der Fortschrittspartei an her¬<lb/> vorragender Stelle aufzunehmen sei, war von vornherein selbstverständlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> In Betreff des übrigen Inhalts des Programms war von einem hervor¬<lb/> ragenden Abgeordneten der demokratischen Partei eine Grundlage durch Auf¬<lb/> stellung von neunundzwanzig Reformbedürfnissen gegeben worden. Dieselbe<lb/> war mit großer Gesetzeskenntniß auf durchaus positiver Basis und mit der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202]
teiunterschieden, und mancher Demokrat hatte die Genugthuung, sich hier von
einem Liberalen überholt zu sehen. Die Leiter überzeugten sich bald, daß eine
scharfe Betonung des Nechtspunl'tes nothwendig auch eine Enthaltung von der
Wahl oder doch von den Verhandlungen der Kammer bedinge, und das konnte
man doch unmöglich wollen. Man mußte sich daher klar werden, ob man länger
passiv bleiben wolle oder nicht, eine Aufsparung der Rechtsfrage auf bessere
Zeiten barg entweder eine politische Mutlosigkeit oder eine übelanstehende
Mentalreservation in sich. Das Programm durfte daher nichts enthalten, was
das Gewissen der Leute zu einer rechtlichen Anerkennung verband, aber es mußte
auch die factischen Zustände als Basis der politischen Thätigkeit annehmen, —
Vor Allem aber hatte man Ursache, vorsichtig zu sein. § 47 des neuen Wahl¬
gesetzes lautet: „Jede Wahl soll lediglich aus der freien Ueberzeugung der
Wählenden hervorgehen. Wer auf solche durch Drohungen, falsche Vorspiege¬
lung. Geschenke oder Versprechungen einzuwirken suchen sollte, verliert für im¬
mer das Recht zu wählen oder gewählt zu werden. Gegen die Entscheidung
der betreffenden Regierungsbehörde steht eine Berufung an die betreffende
Kammer zu:c." Bei einer solchen Bestimmung handelt es sich lediglich um
die Frage, wie groß ist der Druck der öffentlichen Meinung, die Regierung und
die Kammern an der Aechtung politischer Gegner zu verhindern; denn unter
„falsche Vorspiegelung" und „Versprechung" läßt sich wohl so ziemlich Alles
bringen, was ein Kandidat seinen Wählern sagen kann, und was der herr¬
schenden Partei nicht gefällt. Die öffentliche Meinung aber hat in Sachsen
nicbt viel von „großer Kühnheit" aus alten Mähren zu sagen, und so gilt es-
nach den Waffen sich einzurichten, die den politischen Gegnern zu Gebote
stehen. — Auf dieser adoptirten Grundlage wird es nun Aufgabe der Gewählten
sein, den vollen sittlichen und rechtlichen Gegensatz zwischen denen zum Aus¬
drucke zu bringen, welche sich dem Bestehenden fügen, und denen, welche den
neuen Gesetzesboden durch Verordnung schufen, und welche ihn ohne Recht und
Mandat anerkennen halfen. Man kann mit den Dingen Frieden schließen, »in
den Personen nie! Und der Friede mit den Dingen kann nur soweit gehen,
daß man eben die Basis adoptirt, aber sie ist mit zwingender Nothwendig¬
keit sofort zu verwenden, um sie umzubilden, und so wird denn der Ruf!
Wahlreform, sich bei jedem Landtage wiederholen, bis den materiell unerlä߬
lichen Forderungen in dieser Beziehung Genüge geschehen ist. Daß die Posi¬
tion: Wahlreform daher auch in das Programm der Fortschrittspartei an her¬
vorragender Stelle aufzunehmen sei, war von vornherein selbstverständlich.
In Betreff des übrigen Inhalts des Programms war von einem hervor¬
ragenden Abgeordneten der demokratischen Partei eine Grundlage durch Auf¬
stellung von neunundzwanzig Reformbedürfnissen gegeben worden. Dieselbe
war mit großer Gesetzeskenntniß auf durchaus positiver Basis und mit der
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