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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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zu sichern. Im April 1828 erhielt der Herzog endlich den Befehl, von Schle¬
sien, wohin er wieder abgereist war, nach Se. Petersburg zukommen, um sich
von dort nach der Türkei zu begeben. Er blieb im kaiserlichen Hauptquartier
bis zur Abreise des Kaisers aus dem Lager vor Schumla müßiger Zuschauer
der Kriegsvperationen und erhielt erst später das Commando des siebenten Armee-
corps.

Der Herzog häuft auf Diebitsch schwere Beschuldigungen, die sowohl dessen
militärische Befähigung, wie dessen Charakter als Mensch in Schatten stellen.
Inwieweit dieselben begründet sind, müssen wir dahin gestellt sein lassen, doch
scheint uns das Urtheil des Herzogs nicht ganz unbeeinflußt geblieben zu sein
von den Eigenheiten desselben, der, empfindlich verletzt von dem Mißverhältniß
zwischen dem eigenen Werthbewußtsein und der Geltung, die er in der Welt
hatte, überall sich von Neidern und Feinden beeinträchtigt glaubt, wo ihn vielleicht
nur sein eigenes bescheidenes Zurücktreten verkürzte. Unmittelbar nach der Thron¬
besteigung hatte er dem Kaiser Nikolaus gerathen, Diebitsch in seiner bisherigen
Stellung als Majorgeneral oder Chef des Generalstabs der Armee zu belassen,
doch zeigt er sich später von den Folgen dieser Empfehlung wenig erbaut. Den
wenig befriedigenden Ausgang des ersten türkischen Feldzugs schreibt er vornehm¬
lich Diebitsch zu, der den Plan dazu entworfen. Sein Ehrgeiz habe aus der Um¬
gebung des Kaisers alle Kenner des Türkenkriegs zu entfernen gewußt!, während
es ihm an aller Erfahrung gefehlt, obgleich, wie der Herzog zugibt, er im
Uebngen Scharfsinn und Kenntnisse genug besessen. So sei es gekommen, daß
man den Krieg mit allzuwenig Mitteln und zu spät begonnen. Daher sei ma"
denn gleich im Anfang auf das Hinderniß gestoßen, welches die Ueberschwew-
mungen der Donau am Ende jedes Frühjahrs den Truppenbewegungen ent¬
gegensetzen -- die dann keine andere Möglichkeit des Uebergangs als auf
Kähnen gestatten. Darauf war man nicht vorbereitet, und da auch die Bela¬
gerung von Braila unerwartet lange aufhielt, stieß man erst am 20. bei Schumlci
aus einen Gegner, der genügende Zeit gewonnen hatte, sich auf einen hart¬
näckigen Widerstand vorzubereiten. Die Türken waren, da sie nicht hoffen
durften, die viel besser geschulte russische Armee in offener Feldschlacht zu ver¬
nichten, nur darauf bedacht, sie durch Mangel zu Grunde zu richten. Wie
der Herzog Eugen sagt, fehlte es den Russen nicht an Vorräthen, und die Ver¬
pflegung war im Allgemeinen geordnet; man hatte aber nicht bedacht, daß der
Unterhalt der Pferde und Ochsen Fvuragierungen erheische und daß diese in
größerem Maßstabe nur durch eine hinreichende Zahl Reiterei bewerkstelligt
werden könnten. Von dieser mußte ein Theil zu diesem Gebrauch, ein anderer
zum Vorpostendienst und endlich ein dritter zum Ausruhen bestimmt werden-
Man hatte jedoch dem Kaiser glauben gemacht, daß man der Reiterei im Tür-
kenkriege nicht sonderlich bedürfe, und so fügte es sich denn im wesentlichsten


zu sichern. Im April 1828 erhielt der Herzog endlich den Befehl, von Schle¬
sien, wohin er wieder abgereist war, nach Se. Petersburg zukommen, um sich
von dort nach der Türkei zu begeben. Er blieb im kaiserlichen Hauptquartier
bis zur Abreise des Kaisers aus dem Lager vor Schumla müßiger Zuschauer
der Kriegsvperationen und erhielt erst später das Commando des siebenten Armee-
corps.

Der Herzog häuft auf Diebitsch schwere Beschuldigungen, die sowohl dessen
militärische Befähigung, wie dessen Charakter als Mensch in Schatten stellen.
Inwieweit dieselben begründet sind, müssen wir dahin gestellt sein lassen, doch
scheint uns das Urtheil des Herzogs nicht ganz unbeeinflußt geblieben zu sein
von den Eigenheiten desselben, der, empfindlich verletzt von dem Mißverhältniß
zwischen dem eigenen Werthbewußtsein und der Geltung, die er in der Welt
hatte, überall sich von Neidern und Feinden beeinträchtigt glaubt, wo ihn vielleicht
nur sein eigenes bescheidenes Zurücktreten verkürzte. Unmittelbar nach der Thron¬
besteigung hatte er dem Kaiser Nikolaus gerathen, Diebitsch in seiner bisherigen
Stellung als Majorgeneral oder Chef des Generalstabs der Armee zu belassen,
doch zeigt er sich später von den Folgen dieser Empfehlung wenig erbaut. Den
wenig befriedigenden Ausgang des ersten türkischen Feldzugs schreibt er vornehm¬
lich Diebitsch zu, der den Plan dazu entworfen. Sein Ehrgeiz habe aus der Um¬
gebung des Kaisers alle Kenner des Türkenkriegs zu entfernen gewußt!, während
es ihm an aller Erfahrung gefehlt, obgleich, wie der Herzog zugibt, er im
Uebngen Scharfsinn und Kenntnisse genug besessen. So sei es gekommen, daß
man den Krieg mit allzuwenig Mitteln und zu spät begonnen. Daher sei ma»
denn gleich im Anfang auf das Hinderniß gestoßen, welches die Ueberschwew-
mungen der Donau am Ende jedes Frühjahrs den Truppenbewegungen ent¬
gegensetzen — die dann keine andere Möglichkeit des Uebergangs als auf
Kähnen gestatten. Darauf war man nicht vorbereitet, und da auch die Bela¬
gerung von Braila unerwartet lange aufhielt, stieß man erst am 20. bei Schumlci
aus einen Gegner, der genügende Zeit gewonnen hatte, sich auf einen hart¬
näckigen Widerstand vorzubereiten. Die Türken waren, da sie nicht hoffen
durften, die viel besser geschulte russische Armee in offener Feldschlacht zu ver¬
nichten, nur darauf bedacht, sie durch Mangel zu Grunde zu richten. Wie
der Herzog Eugen sagt, fehlte es den Russen nicht an Vorräthen, und die Ver¬
pflegung war im Allgemeinen geordnet; man hatte aber nicht bedacht, daß der
Unterhalt der Pferde und Ochsen Fvuragierungen erheische und daß diese in
größerem Maßstabe nur durch eine hinreichende Zahl Reiterei bewerkstelligt
werden könnten. Von dieser mußte ein Theil zu diesem Gebrauch, ein anderer
zum Vorpostendienst und endlich ein dritter zum Ausruhen bestimmt werden-
Man hatte jedoch dem Kaiser glauben gemacht, daß man der Reiterei im Tür-
kenkriege nicht sonderlich bedürfe, und so fügte es sich denn im wesentlichsten


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[0184] zu sichern. Im April 1828 erhielt der Herzog endlich den Befehl, von Schle¬ sien, wohin er wieder abgereist war, nach Se. Petersburg zukommen, um sich von dort nach der Türkei zu begeben. Er blieb im kaiserlichen Hauptquartier bis zur Abreise des Kaisers aus dem Lager vor Schumla müßiger Zuschauer der Kriegsvperationen und erhielt erst später das Commando des siebenten Armee- corps. Der Herzog häuft auf Diebitsch schwere Beschuldigungen, die sowohl dessen militärische Befähigung, wie dessen Charakter als Mensch in Schatten stellen. Inwieweit dieselben begründet sind, müssen wir dahin gestellt sein lassen, doch scheint uns das Urtheil des Herzogs nicht ganz unbeeinflußt geblieben zu sein von den Eigenheiten desselben, der, empfindlich verletzt von dem Mißverhältniß zwischen dem eigenen Werthbewußtsein und der Geltung, die er in der Welt hatte, überall sich von Neidern und Feinden beeinträchtigt glaubt, wo ihn vielleicht nur sein eigenes bescheidenes Zurücktreten verkürzte. Unmittelbar nach der Thron¬ besteigung hatte er dem Kaiser Nikolaus gerathen, Diebitsch in seiner bisherigen Stellung als Majorgeneral oder Chef des Generalstabs der Armee zu belassen, doch zeigt er sich später von den Folgen dieser Empfehlung wenig erbaut. Den wenig befriedigenden Ausgang des ersten türkischen Feldzugs schreibt er vornehm¬ lich Diebitsch zu, der den Plan dazu entworfen. Sein Ehrgeiz habe aus der Um¬ gebung des Kaisers alle Kenner des Türkenkriegs zu entfernen gewußt!, während es ihm an aller Erfahrung gefehlt, obgleich, wie der Herzog zugibt, er im Uebngen Scharfsinn und Kenntnisse genug besessen. So sei es gekommen, daß man den Krieg mit allzuwenig Mitteln und zu spät begonnen. Daher sei ma» denn gleich im Anfang auf das Hinderniß gestoßen, welches die Ueberschwew- mungen der Donau am Ende jedes Frühjahrs den Truppenbewegungen ent¬ gegensetzen — die dann keine andere Möglichkeit des Uebergangs als auf Kähnen gestatten. Darauf war man nicht vorbereitet, und da auch die Bela¬ gerung von Braila unerwartet lange aufhielt, stieß man erst am 20. bei Schumlci aus einen Gegner, der genügende Zeit gewonnen hatte, sich auf einen hart¬ näckigen Widerstand vorzubereiten. Die Türken waren, da sie nicht hoffen durften, die viel besser geschulte russische Armee in offener Feldschlacht zu ver¬ nichten, nur darauf bedacht, sie durch Mangel zu Grunde zu richten. Wie der Herzog Eugen sagt, fehlte es den Russen nicht an Vorräthen, und die Ver¬ pflegung war im Allgemeinen geordnet; man hatte aber nicht bedacht, daß der Unterhalt der Pferde und Ochsen Fvuragierungen erheische und daß diese in größerem Maßstabe nur durch eine hinreichende Zahl Reiterei bewerkstelligt werden könnten. Von dieser mußte ein Theil zu diesem Gebrauch, ein anderer zum Vorpostendienst und endlich ein dritter zum Ausruhen bestimmt werden- Man hatte jedoch dem Kaiser glauben gemacht, daß man der Reiterei im Tür- kenkriege nicht sonderlich bedürfe, und so fügte es sich denn im wesentlichsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/184>, abgerufen am 28.09.2024.