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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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weit genug, um alle Schattirungen, welche in der Ueberzeugung von der Noth¬
wendigkeit einer bundesstaatlichen Evnstituirung Deutschlands einig sind, in sich
zu begreifen. Nur gegen jenen Stammesparticulariswus, dem das Bedürfniß
der Einheit unverständlich ist, gegen diejenige Demokratie, welche nichts gelernt
und nichts vergessen hat, und gegen solche Flickversuche, welche die Schadhaf¬
tigkeit der jetzigen Zustände mehr constativcn als zu beseitigen suchen, hat die
Nationalpartei eine bestimmt abgegrenzte Stellung eingenommen. Ihr Pro¬
gramm, wie es sich aus den ersten Versuchen heraus entwickelte, hat eben nach
diesen Seiten immer schärfere Grenzlinien gezogen. Man !>ut ihr das öftere
Schwanken in ihrem Programm vorgeworfen. Allein der Ursprung und die
allmälige Bildung der Partei rechtfertigen vollkommen die Modifikationen, die
in dieser Beziehung eintraten und die nie den von Anfang gegebenen Kern der
Sache trafen. Entstanden in einer Zeit, da man darauf gefaßt war, in Bälde
des preußischen Arms zur Vertheidigung des Vaterlandes zu bedürfen, war es
natürlich, daß sie die Vereinigung der diplomatischen und militärischen Action
in eine Hand, und zwar in die stärkste, als erste Forderung aufstellte. Als
dann die Aussicht auf eine kriegerische Verwickelung für die nächste Zeit ver¬
schwand, als gleichzeitig die Regierung des preußischen Staats mit der zu¬
nehmenden Reaction auch ihren deutschen Beruf compromittirte, und die Auf¬
gabe sich nunmehr darauf beschränkte, die Gleichgesinnten aus allen deutschen
Stämmen zu gemeinsamer Arbeit zu sammeln, konnte es genügend erscheinen,
im Allgemeinen eine einheitliche Executive und ein deutsches Parlament als
das nationale Ziel zu bezeichnen. Wenn hierin irgendwie etwas Mißverständ¬
liches liegen konnte, so wurde dies jedenfalls sofort beseitigt, als sich die
Nationalpartei entschloß, die Reichsverfassung von 1849 auf ihr Banner zu
schreiben. Aufgefordert zu diesem Entschlüsse war sie durch die Vorschläge zur
Reform des Bundes, über welche sich einige Cabincte geeinigt hatten. Solchen
willkürlichen Projecten gegenüber, welche gerade die wundesten Flecke ungeballt
ließen, sollte daran erinnert werden, nicht nur daß das deutsche Volk ein Recht
auf eine bundesstaatliche Verfassung habe, sondern daß eine solche Verfassung
bereits rechtsgiltig zu Stande gekommen und seiner Zeit von der Mehrzahl der
Regierungen angenommen war. Der Nechtspunkt war entscheidend. Aber auch
sachlich war dieses Programm der präciseste und gleichzeitig populärste Ausdruck
für die Bestrebungen der nationalen Partei, das erkennbarste Zeichen für Freund
und Feind. Ausgeschlossen waren damit die zweifelhaften Experimente, welche
nach dem Scheitern des Delegirtcuantrags die Fürsorge der Regierungen etwa
noch für ihre Völker ausdenken möchte, ausgeschlossen die von den Herden des
Particularismus ausgehenden Vorbehalte gegen eine einheitliche Executive, aus¬
geschlossen die Hintergedanken einer Demokratie, welche die gegebene Verfassung
verschmähend nur ein Parlament verlangt, um damit bei günstiger Gelegenheit


weit genug, um alle Schattirungen, welche in der Ueberzeugung von der Noth¬
wendigkeit einer bundesstaatlichen Evnstituirung Deutschlands einig sind, in sich
zu begreifen. Nur gegen jenen Stammesparticulariswus, dem das Bedürfniß
der Einheit unverständlich ist, gegen diejenige Demokratie, welche nichts gelernt
und nichts vergessen hat, und gegen solche Flickversuche, welche die Schadhaf¬
tigkeit der jetzigen Zustände mehr constativcn als zu beseitigen suchen, hat die
Nationalpartei eine bestimmt abgegrenzte Stellung eingenommen. Ihr Pro¬
gramm, wie es sich aus den ersten Versuchen heraus entwickelte, hat eben nach
diesen Seiten immer schärfere Grenzlinien gezogen. Man !>ut ihr das öftere
Schwanken in ihrem Programm vorgeworfen. Allein der Ursprung und die
allmälige Bildung der Partei rechtfertigen vollkommen die Modifikationen, die
in dieser Beziehung eintraten und die nie den von Anfang gegebenen Kern der
Sache trafen. Entstanden in einer Zeit, da man darauf gefaßt war, in Bälde
des preußischen Arms zur Vertheidigung des Vaterlandes zu bedürfen, war es
natürlich, daß sie die Vereinigung der diplomatischen und militärischen Action
in eine Hand, und zwar in die stärkste, als erste Forderung aufstellte. Als
dann die Aussicht auf eine kriegerische Verwickelung für die nächste Zeit ver¬
schwand, als gleichzeitig die Regierung des preußischen Staats mit der zu¬
nehmenden Reaction auch ihren deutschen Beruf compromittirte, und die Auf¬
gabe sich nunmehr darauf beschränkte, die Gleichgesinnten aus allen deutschen
Stämmen zu gemeinsamer Arbeit zu sammeln, konnte es genügend erscheinen,
im Allgemeinen eine einheitliche Executive und ein deutsches Parlament als
das nationale Ziel zu bezeichnen. Wenn hierin irgendwie etwas Mißverständ¬
liches liegen konnte, so wurde dies jedenfalls sofort beseitigt, als sich die
Nationalpartei entschloß, die Reichsverfassung von 1849 auf ihr Banner zu
schreiben. Aufgefordert zu diesem Entschlüsse war sie durch die Vorschläge zur
Reform des Bundes, über welche sich einige Cabincte geeinigt hatten. Solchen
willkürlichen Projecten gegenüber, welche gerade die wundesten Flecke ungeballt
ließen, sollte daran erinnert werden, nicht nur daß das deutsche Volk ein Recht
auf eine bundesstaatliche Verfassung habe, sondern daß eine solche Verfassung
bereits rechtsgiltig zu Stande gekommen und seiner Zeit von der Mehrzahl der
Regierungen angenommen war. Der Nechtspunkt war entscheidend. Aber auch
sachlich war dieses Programm der präciseste und gleichzeitig populärste Ausdruck
für die Bestrebungen der nationalen Partei, das erkennbarste Zeichen für Freund
und Feind. Ausgeschlossen waren damit die zweifelhaften Experimente, welche
nach dem Scheitern des Delegirtcuantrags die Fürsorge der Regierungen etwa
noch für ihre Völker ausdenken möchte, ausgeschlossen die von den Herden des
Particularismus ausgehenden Vorbehalte gegen eine einheitliche Executive, aus¬
geschlossen die Hintergedanken einer Demokratie, welche die gegebene Verfassung
verschmähend nur ein Parlament verlangt, um damit bei günstiger Gelegenheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/16>, abgerufen am 19.10.2024.