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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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neben dessen Pferde in den Schnee und wirbelte im Kreise umher, bis sie
platzte und ihre Stücke über unsere Köpfe hinaufschleuderte, ohne Jemand zu
beschädigen. Da gerieth der alte Knorring förmlich in Wuth, spuckte aus und
nefi "da haben wir den D.......!" ^ und noch einige Worte mehr."

Wir müssen gleich hier zur Rechtfertigung des alten Herr" bemerken, daß
es lediglich Besorgniß um die Person des Oberbefehlshabers, nicht um die
"gene Sicherheit war, was ihn zu den eben erzählten Aeußerungen veranlaßte;
denn er war es, der etwas später die in Unordnung zurückweichenden zwei
Divisionen des linken Flügels wieder sammelte und sie in einem Haken mit dem
Centrum, mit der Stirnseite nach den Kreegebcrgen gerichtet, aufstellte.

Ehe es aber dahin kam, war die Verwirrung auf dem russischen Flügel
so arg geworden, daß Benningsen sich bewegen ließ, langsam gegen Schmoditten
zu reiten, das eine halbe Meile hinter dem rechten Flügel auf der Straße nach
Königsberg lag. Er schien ziemlich rathlos zu sein; denn erst auf halbem Wege
ertheilte er wieder den Befehl, die Flüchtlinge bei Schmoditten zu sammeln, und
ritt selbst von neuem gegen Kutschittcn vor. Hier traf ihn endlich der preu¬
ßische Hauptmann Both mit der frohen Nachricht, daß Lestocq auf dem Schlacht¬
feld eingetroffen sei. Er brachte freilich nur S--6000 Mann, aber diese ge¬
nügten, um dem russischen linken Flügel wieder Halt zu geben und Davousts
Vorrücken durch die Wegnahme von Kutschittcn ein Ziel zu setzen. Er rettete
damit die russische Armee vor einer vollständigen Niederlage. Es wäre wohl
noch mehr zu erreichen gewesen, wenn auf Benningsen nicht die Verwirrung
seiner eignen Truppen,-die er mit angesehen, einen zu lebhaften Eindruck ge¬
macht, und er gewußt hätte, daß sich ein Theil des französischen Heeres, die
Corps Augereau und Soult, ebenfalls in vollständiger Auflösung befanden.

Nach dem Frieden von Tilsit begab sich Prinz Eugen nach Petersburg.
Nach seinen eigenen, zum Theil dunkeln und lückenhaften Andeutungen war
seine Stellung in Nußland keine angenehme. Zwar hatte er eine wahre Freun¬
din in der Kaiserin Mutter, die ihn fast une einen Sohn behandelte, aber auch
sie, wie er sich selbst ausdrückt, fand sich mehr als einmal veranlaßt, dem Rade
seines Glückes in die Speichen zu greisen. Es war die Nachwirkung der Gunst,
die ihm Paul der Erste geschenkt hatte, die ihm überall hemmend in den
Weg trat.

Eine andere Ursache der Kälte des Kaisers Alexander suchte der Prinz in
seinen Beziehungen zu der preußisch-deutschen Partei. Der Prinz läßt uns im
Dunkeln, von welcher Art diese eigentlich waren. Er sagt uns nur, daß alle
diejenigen, welche an der Möglichkeit verzweifelten, daß sich Preußen durch
"zene Kraft von seinem tiefen Fall erheben könnte, auf ihn die Augen ge¬
worfen und in ihm den zukünftigen militärischen Dictator Deutschlands gesehen
hatten. Es scheint uns dabei ein gut Stück Selbsttäuschung mit unterzulausen.


neben dessen Pferde in den Schnee und wirbelte im Kreise umher, bis sie
platzte und ihre Stücke über unsere Köpfe hinaufschleuderte, ohne Jemand zu
beschädigen. Da gerieth der alte Knorring förmlich in Wuth, spuckte aus und
nefi „da haben wir den D.......!" ^ und noch einige Worte mehr."

Wir müssen gleich hier zur Rechtfertigung des alten Herr» bemerken, daß
es lediglich Besorgniß um die Person des Oberbefehlshabers, nicht um die
"gene Sicherheit war, was ihn zu den eben erzählten Aeußerungen veranlaßte;
denn er war es, der etwas später die in Unordnung zurückweichenden zwei
Divisionen des linken Flügels wieder sammelte und sie in einem Haken mit dem
Centrum, mit der Stirnseite nach den Kreegebcrgen gerichtet, aufstellte.

Ehe es aber dahin kam, war die Verwirrung auf dem russischen Flügel
so arg geworden, daß Benningsen sich bewegen ließ, langsam gegen Schmoditten
zu reiten, das eine halbe Meile hinter dem rechten Flügel auf der Straße nach
Königsberg lag. Er schien ziemlich rathlos zu sein; denn erst auf halbem Wege
ertheilte er wieder den Befehl, die Flüchtlinge bei Schmoditten zu sammeln, und
ritt selbst von neuem gegen Kutschittcn vor. Hier traf ihn endlich der preu¬
ßische Hauptmann Both mit der frohen Nachricht, daß Lestocq auf dem Schlacht¬
feld eingetroffen sei. Er brachte freilich nur S—6000 Mann, aber diese ge¬
nügten, um dem russischen linken Flügel wieder Halt zu geben und Davousts
Vorrücken durch die Wegnahme von Kutschittcn ein Ziel zu setzen. Er rettete
damit die russische Armee vor einer vollständigen Niederlage. Es wäre wohl
noch mehr zu erreichen gewesen, wenn auf Benningsen nicht die Verwirrung
seiner eignen Truppen,-die er mit angesehen, einen zu lebhaften Eindruck ge¬
macht, und er gewußt hätte, daß sich ein Theil des französischen Heeres, die
Corps Augereau und Soult, ebenfalls in vollständiger Auflösung befanden.

Nach dem Frieden von Tilsit begab sich Prinz Eugen nach Petersburg.
Nach seinen eigenen, zum Theil dunkeln und lückenhaften Andeutungen war
seine Stellung in Nußland keine angenehme. Zwar hatte er eine wahre Freun¬
din in der Kaiserin Mutter, die ihn fast une einen Sohn behandelte, aber auch
sie, wie er sich selbst ausdrückt, fand sich mehr als einmal veranlaßt, dem Rade
seines Glückes in die Speichen zu greisen. Es war die Nachwirkung der Gunst,
die ihm Paul der Erste geschenkt hatte, die ihm überall hemmend in den
Weg trat.

Eine andere Ursache der Kälte des Kaisers Alexander suchte der Prinz in
seinen Beziehungen zu der preußisch-deutschen Partei. Der Prinz läßt uns im
Dunkeln, von welcher Art diese eigentlich waren. Er sagt uns nur, daß alle
diejenigen, welche an der Möglichkeit verzweifelten, daß sich Preußen durch
«zene Kraft von seinem tiefen Fall erheben könnte, auf ihn die Augen ge¬
worfen und in ihm den zukünftigen militärischen Dictator Deutschlands gesehen
hatten. Es scheint uns dabei ein gut Stück Selbsttäuschung mit unterzulausen.


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[0139] neben dessen Pferde in den Schnee und wirbelte im Kreise umher, bis sie platzte und ihre Stücke über unsere Köpfe hinaufschleuderte, ohne Jemand zu beschädigen. Da gerieth der alte Knorring förmlich in Wuth, spuckte aus und nefi „da haben wir den D.......!" ^ und noch einige Worte mehr." Wir müssen gleich hier zur Rechtfertigung des alten Herr» bemerken, daß es lediglich Besorgniß um die Person des Oberbefehlshabers, nicht um die "gene Sicherheit war, was ihn zu den eben erzählten Aeußerungen veranlaßte; denn er war es, der etwas später die in Unordnung zurückweichenden zwei Divisionen des linken Flügels wieder sammelte und sie in einem Haken mit dem Centrum, mit der Stirnseite nach den Kreegebcrgen gerichtet, aufstellte. Ehe es aber dahin kam, war die Verwirrung auf dem russischen Flügel so arg geworden, daß Benningsen sich bewegen ließ, langsam gegen Schmoditten zu reiten, das eine halbe Meile hinter dem rechten Flügel auf der Straße nach Königsberg lag. Er schien ziemlich rathlos zu sein; denn erst auf halbem Wege ertheilte er wieder den Befehl, die Flüchtlinge bei Schmoditten zu sammeln, und ritt selbst von neuem gegen Kutschittcn vor. Hier traf ihn endlich der preu¬ ßische Hauptmann Both mit der frohen Nachricht, daß Lestocq auf dem Schlacht¬ feld eingetroffen sei. Er brachte freilich nur S—6000 Mann, aber diese ge¬ nügten, um dem russischen linken Flügel wieder Halt zu geben und Davousts Vorrücken durch die Wegnahme von Kutschittcn ein Ziel zu setzen. Er rettete damit die russische Armee vor einer vollständigen Niederlage. Es wäre wohl noch mehr zu erreichen gewesen, wenn auf Benningsen nicht die Verwirrung seiner eignen Truppen,-die er mit angesehen, einen zu lebhaften Eindruck ge¬ macht, und er gewußt hätte, daß sich ein Theil des französischen Heeres, die Corps Augereau und Soult, ebenfalls in vollständiger Auflösung befanden. Nach dem Frieden von Tilsit begab sich Prinz Eugen nach Petersburg. Nach seinen eigenen, zum Theil dunkeln und lückenhaften Andeutungen war seine Stellung in Nußland keine angenehme. Zwar hatte er eine wahre Freun¬ din in der Kaiserin Mutter, die ihn fast une einen Sohn behandelte, aber auch sie, wie er sich selbst ausdrückt, fand sich mehr als einmal veranlaßt, dem Rade seines Glückes in die Speichen zu greisen. Es war die Nachwirkung der Gunst, die ihm Paul der Erste geschenkt hatte, die ihm überall hemmend in den Weg trat. Eine andere Ursache der Kälte des Kaisers Alexander suchte der Prinz in seinen Beziehungen zu der preußisch-deutschen Partei. Der Prinz läßt uns im Dunkeln, von welcher Art diese eigentlich waren. Er sagt uns nur, daß alle diejenigen, welche an der Möglichkeit verzweifelten, daß sich Preußen durch «zene Kraft von seinem tiefen Fall erheben könnte, auf ihn die Augen ge¬ worfen und in ihm den zukünftigen militärischen Dictator Deutschlands gesehen hatten. Es scheint uns dabei ein gut Stück Selbsttäuschung mit unterzulausen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/139>, abgerufen am 19.10.2024.