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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Kammerherr v. Oertzen auf Kotelow, bezweifelt, das? Herr Pogge dadurch zu
bekehren sei, da schon eine dreimalige Erfahrung dieser Art feine Wirkung auf
ihn hervorgebracht habe. Herr Pogge ruft den erregten Gemüthern zu, sie
möchten von ihrer Freiheit sich auszusprechen nur recht ungenirter Gebrauch
machen, wie auch er dies gethan habe.

Das Ende dieser wüsten Scene bildete der Beschluß der Landtagsver¬
sammlung: das Dictamen solle wegen seines ungeeigneten Inhaltes dem Herrn
Pogge zurückgegeben werden. Die Adclspartei erklärte damit wiederholt, daß
sie die bestehende Verfassung einer Aenderung nicht für bedürftig, ja schon eine
bloße Erörterung dieser Frage für unzulässig halte, und daß sie entschlossen sei,
die Verfassung völlig unverändert der Nachkommenschaft zu überliefern.

Zur Charakteristik der von Herrn Manecke vertretenen Auffassung dient vor¬
züglich der nachstehende Satz aus dem vom Landtagsdirectorium zurückgewiesenen
Vortrag: "Da die augenblicklich in Mecklenburg fast unumschränkt herrschende
Partei es durchzuführen gewußt hat, daß schon seit einer Reihe von Jahren
keine Stimme ihrer so zahlreichen Gegner im Lande selbst laut werden darf,
so muß das Bemühen, die einzig noch übrig gebliebene Gelegenheit, die Wünsche.
Hoffnungen und Bedürfnisse des Landes auf dem Landtage vorzubringen, zu
unterdrücken, jedem Unbefangenen als ein Entsetzen erregendes erscheinen."
Solche Bestrebungen seien nicht blos verderbenbringend für das Land, sondern
auch, nach Ausweis der Geschichte, den Mitgliedern der gegnerischen Partei
selbst aufs Aeußerste gefährlich.

Noch schärfer und umfassender legt der Pvggeschc Vortrag die bedenkliche
Lage dar, in welche das Land durch das Verhalten der Adelspartei in der
Verfassungsfrage gerathen ist. Wegen der Bedeutung dieses Actenstücks als
eines aus der Mitte der Ritterschaft selbst hervorgegangenen Urtheils über die
unglücklichen Zustände des Landes, ihre Ursachen, ihre Gefahren und ihr Heil¬
mittel wird sich eine ausführlichere Mittheilung desselben um so mehr recht¬
fertigen als die einheimische Presse meistens nur dürftige Auszüge daraus und
kein einziges mecklenburgisches Blatt es ohne Lücken gebracht hat. Im Ein¬
gange wird die dem Antrage Maneckes widerfahrene Behandlung referirt und
das Bedauern ausgesprochen, daß der Landtagsversammlung über eine so
wichtige Frage die Beschlußncchme entzogen werde. Weiter heißt es dann:

"Nachdem der von 82 Ständemitgliedern gestellte Verfassungsantrag nicht
einmal hat zur Berathung gebracht werden können, ist man vielfach zu der
Ueberzeugung gekommen, daß nur ein Zurückgehen auf das Staatsgrundgesetz
von 1849 uns die so nothwendige Reform unserer politischen Zustände bringe"
kann, und ist diese Ansicht nicht allein im Lande weit verbreitet, sondern auch
durch gewichtige Stimmen in den deutschen Bundesstaaten unterstützt. -- Das
Werk, welches auf unsere Veranlassung hin durch die gesetzlich berufenen Ver-


Kammerherr v. Oertzen auf Kotelow, bezweifelt, das? Herr Pogge dadurch zu
bekehren sei, da schon eine dreimalige Erfahrung dieser Art feine Wirkung auf
ihn hervorgebracht habe. Herr Pogge ruft den erregten Gemüthern zu, sie
möchten von ihrer Freiheit sich auszusprechen nur recht ungenirter Gebrauch
machen, wie auch er dies gethan habe.

Das Ende dieser wüsten Scene bildete der Beschluß der Landtagsver¬
sammlung: das Dictamen solle wegen seines ungeeigneten Inhaltes dem Herrn
Pogge zurückgegeben werden. Die Adclspartei erklärte damit wiederholt, daß
sie die bestehende Verfassung einer Aenderung nicht für bedürftig, ja schon eine
bloße Erörterung dieser Frage für unzulässig halte, und daß sie entschlossen sei,
die Verfassung völlig unverändert der Nachkommenschaft zu überliefern.

Zur Charakteristik der von Herrn Manecke vertretenen Auffassung dient vor¬
züglich der nachstehende Satz aus dem vom Landtagsdirectorium zurückgewiesenen
Vortrag: „Da die augenblicklich in Mecklenburg fast unumschränkt herrschende
Partei es durchzuführen gewußt hat, daß schon seit einer Reihe von Jahren
keine Stimme ihrer so zahlreichen Gegner im Lande selbst laut werden darf,
so muß das Bemühen, die einzig noch übrig gebliebene Gelegenheit, die Wünsche.
Hoffnungen und Bedürfnisse des Landes auf dem Landtage vorzubringen, zu
unterdrücken, jedem Unbefangenen als ein Entsetzen erregendes erscheinen."
Solche Bestrebungen seien nicht blos verderbenbringend für das Land, sondern
auch, nach Ausweis der Geschichte, den Mitgliedern der gegnerischen Partei
selbst aufs Aeußerste gefährlich.

Noch schärfer und umfassender legt der Pvggeschc Vortrag die bedenkliche
Lage dar, in welche das Land durch das Verhalten der Adelspartei in der
Verfassungsfrage gerathen ist. Wegen der Bedeutung dieses Actenstücks als
eines aus der Mitte der Ritterschaft selbst hervorgegangenen Urtheils über die
unglücklichen Zustände des Landes, ihre Ursachen, ihre Gefahren und ihr Heil¬
mittel wird sich eine ausführlichere Mittheilung desselben um so mehr recht¬
fertigen als die einheimische Presse meistens nur dürftige Auszüge daraus und
kein einziges mecklenburgisches Blatt es ohne Lücken gebracht hat. Im Ein¬
gange wird die dem Antrage Maneckes widerfahrene Behandlung referirt und
das Bedauern ausgesprochen, daß der Landtagsversammlung über eine so
wichtige Frage die Beschlußncchme entzogen werde. Weiter heißt es dann:

„Nachdem der von 82 Ständemitgliedern gestellte Verfassungsantrag nicht
einmal hat zur Berathung gebracht werden können, ist man vielfach zu der
Ueberzeugung gekommen, daß nur ein Zurückgehen auf das Staatsgrundgesetz
von 1849 uns die so nothwendige Reform unserer politischen Zustände bringe»
kann, und ist diese Ansicht nicht allein im Lande weit verbreitet, sondern auch
durch gewichtige Stimmen in den deutschen Bundesstaaten unterstützt. — Das
Werk, welches auf unsere Veranlassung hin durch die gesetzlich berufenen Ver-


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[0094] Kammerherr v. Oertzen auf Kotelow, bezweifelt, das? Herr Pogge dadurch zu bekehren sei, da schon eine dreimalige Erfahrung dieser Art feine Wirkung auf ihn hervorgebracht habe. Herr Pogge ruft den erregten Gemüthern zu, sie möchten von ihrer Freiheit sich auszusprechen nur recht ungenirter Gebrauch machen, wie auch er dies gethan habe. Das Ende dieser wüsten Scene bildete der Beschluß der Landtagsver¬ sammlung: das Dictamen solle wegen seines ungeeigneten Inhaltes dem Herrn Pogge zurückgegeben werden. Die Adclspartei erklärte damit wiederholt, daß sie die bestehende Verfassung einer Aenderung nicht für bedürftig, ja schon eine bloße Erörterung dieser Frage für unzulässig halte, und daß sie entschlossen sei, die Verfassung völlig unverändert der Nachkommenschaft zu überliefern. Zur Charakteristik der von Herrn Manecke vertretenen Auffassung dient vor¬ züglich der nachstehende Satz aus dem vom Landtagsdirectorium zurückgewiesenen Vortrag: „Da die augenblicklich in Mecklenburg fast unumschränkt herrschende Partei es durchzuführen gewußt hat, daß schon seit einer Reihe von Jahren keine Stimme ihrer so zahlreichen Gegner im Lande selbst laut werden darf, so muß das Bemühen, die einzig noch übrig gebliebene Gelegenheit, die Wünsche. Hoffnungen und Bedürfnisse des Landes auf dem Landtage vorzubringen, zu unterdrücken, jedem Unbefangenen als ein Entsetzen erregendes erscheinen." Solche Bestrebungen seien nicht blos verderbenbringend für das Land, sondern auch, nach Ausweis der Geschichte, den Mitgliedern der gegnerischen Partei selbst aufs Aeußerste gefährlich. Noch schärfer und umfassender legt der Pvggeschc Vortrag die bedenkliche Lage dar, in welche das Land durch das Verhalten der Adelspartei in der Verfassungsfrage gerathen ist. Wegen der Bedeutung dieses Actenstücks als eines aus der Mitte der Ritterschaft selbst hervorgegangenen Urtheils über die unglücklichen Zustände des Landes, ihre Ursachen, ihre Gefahren und ihr Heil¬ mittel wird sich eine ausführlichere Mittheilung desselben um so mehr recht¬ fertigen als die einheimische Presse meistens nur dürftige Auszüge daraus und kein einziges mecklenburgisches Blatt es ohne Lücken gebracht hat. Im Ein¬ gange wird die dem Antrage Maneckes widerfahrene Behandlung referirt und das Bedauern ausgesprochen, daß der Landtagsversammlung über eine so wichtige Frage die Beschlußncchme entzogen werde. Weiter heißt es dann: „Nachdem der von 82 Ständemitgliedern gestellte Verfassungsantrag nicht einmal hat zur Berathung gebracht werden können, ist man vielfach zu der Ueberzeugung gekommen, daß nur ein Zurückgehen auf das Staatsgrundgesetz von 1849 uns die so nothwendige Reform unserer politischen Zustände bringe» kann, und ist diese Ansicht nicht allein im Lande weit verbreitet, sondern auch durch gewichtige Stimmen in den deutschen Bundesstaaten unterstützt. — Das Werk, welches auf unsere Veranlassung hin durch die gesetzlich berufenen Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/94>, abgerufen am 24.11.2024.