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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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und in derselben Anträge stelle. Herr Maracka ertheilte darauf die Antwort,
daß die Verfassung von 1849 nur rechtlich, aber noch nicht wieder factisch
bestehe, und daß er daher einstweilen seine Stimme nur in einer Landtags¬
vertretung erheben könne, die zwar ein faktisches, aber nicht ein rechtliches Dasein
habe. Den Landrath v. Rieden aber erinnerte er, wie er im Jahre 1848
mit der ganzen Ritterschaft auf das Landstandschaftsrecht verzichtet habe, womit
es doch schwer vereinbar sei, den factisch bestehenden Ständen den rechtlichen
Bestand zu vindiciren. Er wandte sich sodann an die ganze Versammlung und
bat sie zu bedenken, daß es jetzt noch Zeit sei, den Antrag ruhig in Erwägung
zu ziehen, daß aber wieder Zeiten kommen könnten, wo der Schreckensruf er¬
schalle: "popuws ante pol'tas", und eine ruhige Behandlung des Gegenstandes
nicht mehr zulasse.

Das vorauszusehende Ende dieser Unterhaltung war, daß das Landtags-
directorium Herrn Manccke seinen Vortrag zurückgab. Es geschah dies mittelst
folgender schriftlicher Erklärung: "Das Landtagsdirectorium retradirt dem Herrn
Manccke auf Duggenkovpel den am heutigen Tage übergebenen Vortrag mit
dessen Anlagen, die Verfassung Mecklenburgs betreffend, weil dieser Vertrag
schon aus formellen Gründen sich nicht zur Vorlage eignet und deshalb auch
seiner Verlesung nicht Start gegeben werden kann."

Herr Pogge protestirte gegen ein solches Verfahren und verlas in der
folgenden Sitzung einen Vortrag in dieser Angelegenheit, welcher durch seine
offene und scharfe Kritik der Zustände des Landes die Gegner zu den leiden¬
schaftlichsten Aeußerungen entflammte. Der Vorsitzende unterbrach ihn wieder¬
holt und suchte ihn vom Weiterlesen zurückzuhalten. Höhnisches Gelächter und
stürmische Rufe übertönten den Vortrag oft so stark, daß Herr Pogge kaum
von den Nächststehenden gehört werden konnte, obgleich er sich einer recht starken
Stimme erfreut. Herr Pogge las jedoch unbeirrt weiter, bis das Schriftstück
zu Ende war. Als er dasselbe aber darauf zu Protokoll überreichen wollte,
verweigerte der Protokollführer, Landrath v. Oertzen auf Woltow, die An¬
nahme. Einer der Bürgermeister, Namens Wulffleff aus Sternberg, dessen
Name aus der constitutionellen Zeit dadurch bekannt ist, daß er einmal gleich¬
zeitig in drei verschiedenen Wahlkreisen sich um die Stimmen der Wähler an¬
gelegentlich bewarb, ohne es jemals bis zum Abgeordneten bringen zu können,
erhebt gegen diese Weigerung formelle Bedenken, da das Schriftstück einmal
verlesen sei, räth jedoch zu dem Ausweg, dessen sofortige Netradirung nach
erfolgter Annahme zu beschließen. Herr v, Oertzen auf Brunn empfiehlt, den
Landesherrn zu ersuchen, daß er Herrn Pogge nicht wieder zum Landtage ein¬
berufen möge, da er immer von Neuem die Ruhe des Landtags störe. Herr
v- Dewitz auf Milzvw räth, den Vortrag zurückzugeben; wenn dies mehrmals
geschehe, so würden solche Dictamina schon von selbst wegbleiben. El" Anderer,


und in derselben Anträge stelle. Herr Maracka ertheilte darauf die Antwort,
daß die Verfassung von 1849 nur rechtlich, aber noch nicht wieder factisch
bestehe, und daß er daher einstweilen seine Stimme nur in einer Landtags¬
vertretung erheben könne, die zwar ein faktisches, aber nicht ein rechtliches Dasein
habe. Den Landrath v. Rieden aber erinnerte er, wie er im Jahre 1848
mit der ganzen Ritterschaft auf das Landstandschaftsrecht verzichtet habe, womit
es doch schwer vereinbar sei, den factisch bestehenden Ständen den rechtlichen
Bestand zu vindiciren. Er wandte sich sodann an die ganze Versammlung und
bat sie zu bedenken, daß es jetzt noch Zeit sei, den Antrag ruhig in Erwägung
zu ziehen, daß aber wieder Zeiten kommen könnten, wo der Schreckensruf er¬
schalle: „popuws ante pol'tas", und eine ruhige Behandlung des Gegenstandes
nicht mehr zulasse.

Das vorauszusehende Ende dieser Unterhaltung war, daß das Landtags-
directorium Herrn Manccke seinen Vortrag zurückgab. Es geschah dies mittelst
folgender schriftlicher Erklärung: „Das Landtagsdirectorium retradirt dem Herrn
Manccke auf Duggenkovpel den am heutigen Tage übergebenen Vortrag mit
dessen Anlagen, die Verfassung Mecklenburgs betreffend, weil dieser Vertrag
schon aus formellen Gründen sich nicht zur Vorlage eignet und deshalb auch
seiner Verlesung nicht Start gegeben werden kann."

Herr Pogge protestirte gegen ein solches Verfahren und verlas in der
folgenden Sitzung einen Vortrag in dieser Angelegenheit, welcher durch seine
offene und scharfe Kritik der Zustände des Landes die Gegner zu den leiden¬
schaftlichsten Aeußerungen entflammte. Der Vorsitzende unterbrach ihn wieder¬
holt und suchte ihn vom Weiterlesen zurückzuhalten. Höhnisches Gelächter und
stürmische Rufe übertönten den Vortrag oft so stark, daß Herr Pogge kaum
von den Nächststehenden gehört werden konnte, obgleich er sich einer recht starken
Stimme erfreut. Herr Pogge las jedoch unbeirrt weiter, bis das Schriftstück
zu Ende war. Als er dasselbe aber darauf zu Protokoll überreichen wollte,
verweigerte der Protokollführer, Landrath v. Oertzen auf Woltow, die An¬
nahme. Einer der Bürgermeister, Namens Wulffleff aus Sternberg, dessen
Name aus der constitutionellen Zeit dadurch bekannt ist, daß er einmal gleich¬
zeitig in drei verschiedenen Wahlkreisen sich um die Stimmen der Wähler an¬
gelegentlich bewarb, ohne es jemals bis zum Abgeordneten bringen zu können,
erhebt gegen diese Weigerung formelle Bedenken, da das Schriftstück einmal
verlesen sei, räth jedoch zu dem Ausweg, dessen sofortige Netradirung nach
erfolgter Annahme zu beschließen. Herr v, Oertzen auf Brunn empfiehlt, den
Landesherrn zu ersuchen, daß er Herrn Pogge nicht wieder zum Landtage ein¬
berufen möge, da er immer von Neuem die Ruhe des Landtags störe. Herr
v- Dewitz auf Milzvw räth, den Vortrag zurückzugeben; wenn dies mehrmals
geschehe, so würden solche Dictamina schon von selbst wegbleiben. El» Anderer,


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[0093] und in derselben Anträge stelle. Herr Maracka ertheilte darauf die Antwort, daß die Verfassung von 1849 nur rechtlich, aber noch nicht wieder factisch bestehe, und daß er daher einstweilen seine Stimme nur in einer Landtags¬ vertretung erheben könne, die zwar ein faktisches, aber nicht ein rechtliches Dasein habe. Den Landrath v. Rieden aber erinnerte er, wie er im Jahre 1848 mit der ganzen Ritterschaft auf das Landstandschaftsrecht verzichtet habe, womit es doch schwer vereinbar sei, den factisch bestehenden Ständen den rechtlichen Bestand zu vindiciren. Er wandte sich sodann an die ganze Versammlung und bat sie zu bedenken, daß es jetzt noch Zeit sei, den Antrag ruhig in Erwägung zu ziehen, daß aber wieder Zeiten kommen könnten, wo der Schreckensruf er¬ schalle: „popuws ante pol'tas", und eine ruhige Behandlung des Gegenstandes nicht mehr zulasse. Das vorauszusehende Ende dieser Unterhaltung war, daß das Landtags- directorium Herrn Manccke seinen Vortrag zurückgab. Es geschah dies mittelst folgender schriftlicher Erklärung: „Das Landtagsdirectorium retradirt dem Herrn Manccke auf Duggenkovpel den am heutigen Tage übergebenen Vortrag mit dessen Anlagen, die Verfassung Mecklenburgs betreffend, weil dieser Vertrag schon aus formellen Gründen sich nicht zur Vorlage eignet und deshalb auch seiner Verlesung nicht Start gegeben werden kann." Herr Pogge protestirte gegen ein solches Verfahren und verlas in der folgenden Sitzung einen Vortrag in dieser Angelegenheit, welcher durch seine offene und scharfe Kritik der Zustände des Landes die Gegner zu den leiden¬ schaftlichsten Aeußerungen entflammte. Der Vorsitzende unterbrach ihn wieder¬ holt und suchte ihn vom Weiterlesen zurückzuhalten. Höhnisches Gelächter und stürmische Rufe übertönten den Vortrag oft so stark, daß Herr Pogge kaum von den Nächststehenden gehört werden konnte, obgleich er sich einer recht starken Stimme erfreut. Herr Pogge las jedoch unbeirrt weiter, bis das Schriftstück zu Ende war. Als er dasselbe aber darauf zu Protokoll überreichen wollte, verweigerte der Protokollführer, Landrath v. Oertzen auf Woltow, die An¬ nahme. Einer der Bürgermeister, Namens Wulffleff aus Sternberg, dessen Name aus der constitutionellen Zeit dadurch bekannt ist, daß er einmal gleich¬ zeitig in drei verschiedenen Wahlkreisen sich um die Stimmen der Wähler an¬ gelegentlich bewarb, ohne es jemals bis zum Abgeordneten bringen zu können, erhebt gegen diese Weigerung formelle Bedenken, da das Schriftstück einmal verlesen sei, räth jedoch zu dem Ausweg, dessen sofortige Netradirung nach erfolgter Annahme zu beschließen. Herr v, Oertzen auf Brunn empfiehlt, den Landesherrn zu ersuchen, daß er Herrn Pogge nicht wieder zum Landtage ein¬ berufen möge, da er immer von Neuem die Ruhe des Landtags störe. Herr v- Dewitz auf Milzvw räth, den Vortrag zurückzugeben; wenn dies mehrmals geschehe, so würden solche Dictamina schon von selbst wegbleiben. El» Anderer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/93>, abgerufen am 28.07.2024.