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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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O Sun mag ich's um dich erwerben,
So laß mich erstliche" vor dir sterben!

Salvator zu Maria:


O liebste und traurige Mutter mein,
Wann ich gewährt das Bitten dein,
So wird dein liebe Seel' fahren
Zu den Altmüttcrn, die vor Jahren
sindt tummelt in die Finsterniß,
Da sie denn noch sind in Betrübniß,
Niemand mag in das Himmelreich tummelt,
Mir sei tera vor mein Leben genummen
Durch große Schmerzen, Angst und Pein ;
Alsdann wird der Himmel offen sein
Ich hab' gebeten meinen himmlischen Vater
Daß er dich tröst in meiner Marter.

Maria geht betend ab. Darauf das letzte Abendmahl im treuen Anschluß an
die Bibel. Judas forscht, ob er der Verräther sei, Christus antwortet bündig:
'


Du Hasts von dir selbs gesagt,
Niemand hat dich darumb gefragt.

Folgt dann die Scene auf dem Oelberg, die Gefangennehmung Christi,
sein Verhör bei Annas, woher ihn Petrus verläugnet, dann stürzt Judas, als
er siebt, welchen unglücklichen Ausgang die Sache nehmen wird, verzweifelnd
ab. Den Schluß macht der Präcursvr, der die Versammelten zur Fortsetzung des
Spieles am Charfreitag einladet.

Am Charfreitag begann der eigentliche Passion, den wieder der Präcursor
mit einer Anrede einleitet, welche den Inhalt desselben kurz angibt, Nun tritt
der Prophet David auf und weist darauf hin, daß jetzt seine Prophezeihungen
erfüllt werden. Christus wird zu Kaiphas geschleppt, welcher die Zeugen wider
ihn vernimmt und dann vor Pilatus, um hier das letzte Urtheil zu empfangen.
Dieser schickt ihn zu Herodes, wo er im Königsmantel verhöhnt wird. Von da
kehrt der Zug zu Pilatus zurück, wir sehen die Geißelung und Krönung, wobei die
Propheten David und Jerenüas als Zeugen des alten Bundes auftrete". Mitt¬
lerweile naht Judas wieder, wirft den Priestern das Geld für das unschuldige
Blut hin, wird aber von ihnen verspottet. Der Satan flüstert ihm in das Ohr:


Judas willt du dich erhenken,
Nimm hin, den Strick will ich dir schenken,
Den knüpf an den Hals gar vest
Und häng' dich bald, das ist das best.
Du hast so schwerlich gesunde wider Gott,
Dir ist nu nicht besser, denn der Tod.
Du wirst auch in der Hell' ein werther Gast,
Da ist dir schon bereit ein Palast.

Jesus wird von Pilatus den Juden übergeben; er nimmt das Kreuz auf die
Schulter und trägt es, beweint von den "heidnischen Frawen" zur Schädel¬
stätte. Dort angelangt setzt er sich neben das Kreuz, während Jesaias zu dem
Volke spricht und auf das 53. Capitel seiner Prophezeihungen hindeutet, wo
von dem Lamme die Rede ist, welches stumm zur Schlachtbank geführt wird.
Nun folgen die verschiedenen Scenen der Kreuzigung nach dem Texte der Bibel;
wenn den rechten Schächer ein Engel tröstet, den linken ein Teufel ins Ohr
flüstert, daß er seinem bußfertigen Gesellen nicht glauben solle, dieser wolle ihm
nur die Vernunft rauben, so fühlt man sich unmittelbar an manche altdeutsche
Gemälde erinnert, wo der gute und der böse Geist leibhaftig dargestellt sind.
Die Krieger des Pilatus gemahnen vollständig an die Lanzknechte, so ist auch
hier die Vergangenheit in die unmittelbare Gegenwart übersetzt, was wohl


10"
O Sun mag ich's um dich erwerben,
So laß mich erstliche» vor dir sterben!

Salvator zu Maria:


O liebste und traurige Mutter mein,
Wann ich gewährt das Bitten dein,
So wird dein liebe Seel' fahren
Zu den Altmüttcrn, die vor Jahren
sindt tummelt in die Finsterniß,
Da sie denn noch sind in Betrübniß,
Niemand mag in das Himmelreich tummelt,
Mir sei tera vor mein Leben genummen
Durch große Schmerzen, Angst und Pein ;
Alsdann wird der Himmel offen sein
Ich hab' gebeten meinen himmlischen Vater
Daß er dich tröst in meiner Marter.

Maria geht betend ab. Darauf das letzte Abendmahl im treuen Anschluß an
die Bibel. Judas forscht, ob er der Verräther sei, Christus antwortet bündig:
'


Du Hasts von dir selbs gesagt,
Niemand hat dich darumb gefragt.

Folgt dann die Scene auf dem Oelberg, die Gefangennehmung Christi,
sein Verhör bei Annas, woher ihn Petrus verläugnet, dann stürzt Judas, als
er siebt, welchen unglücklichen Ausgang die Sache nehmen wird, verzweifelnd
ab. Den Schluß macht der Präcursvr, der die Versammelten zur Fortsetzung des
Spieles am Charfreitag einladet.

Am Charfreitag begann der eigentliche Passion, den wieder der Präcursor
mit einer Anrede einleitet, welche den Inhalt desselben kurz angibt, Nun tritt
der Prophet David auf und weist darauf hin, daß jetzt seine Prophezeihungen
erfüllt werden. Christus wird zu Kaiphas geschleppt, welcher die Zeugen wider
ihn vernimmt und dann vor Pilatus, um hier das letzte Urtheil zu empfangen.
Dieser schickt ihn zu Herodes, wo er im Königsmantel verhöhnt wird. Von da
kehrt der Zug zu Pilatus zurück, wir sehen die Geißelung und Krönung, wobei die
Propheten David und Jerenüas als Zeugen des alten Bundes auftrete». Mitt¬
lerweile naht Judas wieder, wirft den Priestern das Geld für das unschuldige
Blut hin, wird aber von ihnen verspottet. Der Satan flüstert ihm in das Ohr:


Judas willt du dich erhenken,
Nimm hin, den Strick will ich dir schenken,
Den knüpf an den Hals gar vest
Und häng' dich bald, das ist das best.
Du hast so schwerlich gesunde wider Gott,
Dir ist nu nicht besser, denn der Tod.
Du wirst auch in der Hell' ein werther Gast,
Da ist dir schon bereit ein Palast.

Jesus wird von Pilatus den Juden übergeben; er nimmt das Kreuz auf die
Schulter und trägt es, beweint von den „heidnischen Frawen" zur Schädel¬
stätte. Dort angelangt setzt er sich neben das Kreuz, während Jesaias zu dem
Volke spricht und auf das 53. Capitel seiner Prophezeihungen hindeutet, wo
von dem Lamme die Rede ist, welches stumm zur Schlachtbank geführt wird.
Nun folgen die verschiedenen Scenen der Kreuzigung nach dem Texte der Bibel;
wenn den rechten Schächer ein Engel tröstet, den linken ein Teufel ins Ohr
flüstert, daß er seinem bußfertigen Gesellen nicht glauben solle, dieser wolle ihm
nur die Vernunft rauben, so fühlt man sich unmittelbar an manche altdeutsche
Gemälde erinnert, wo der gute und der böse Geist leibhaftig dargestellt sind.
Die Krieger des Pilatus gemahnen vollständig an die Lanzknechte, so ist auch
hier die Vergangenheit in die unmittelbare Gegenwart übersetzt, was wohl


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[0083] O Sun mag ich's um dich erwerben, So laß mich erstliche» vor dir sterben! Salvator zu Maria: O liebste und traurige Mutter mein, Wann ich gewährt das Bitten dein, So wird dein liebe Seel' fahren Zu den Altmüttcrn, die vor Jahren sindt tummelt in die Finsterniß, Da sie denn noch sind in Betrübniß, Niemand mag in das Himmelreich tummelt, Mir sei tera vor mein Leben genummen Durch große Schmerzen, Angst und Pein ; Alsdann wird der Himmel offen sein Ich hab' gebeten meinen himmlischen Vater Daß er dich tröst in meiner Marter. Maria geht betend ab. Darauf das letzte Abendmahl im treuen Anschluß an die Bibel. Judas forscht, ob er der Verräther sei, Christus antwortet bündig: ' Du Hasts von dir selbs gesagt, Niemand hat dich darumb gefragt. Folgt dann die Scene auf dem Oelberg, die Gefangennehmung Christi, sein Verhör bei Annas, woher ihn Petrus verläugnet, dann stürzt Judas, als er siebt, welchen unglücklichen Ausgang die Sache nehmen wird, verzweifelnd ab. Den Schluß macht der Präcursvr, der die Versammelten zur Fortsetzung des Spieles am Charfreitag einladet. Am Charfreitag begann der eigentliche Passion, den wieder der Präcursor mit einer Anrede einleitet, welche den Inhalt desselben kurz angibt, Nun tritt der Prophet David auf und weist darauf hin, daß jetzt seine Prophezeihungen erfüllt werden. Christus wird zu Kaiphas geschleppt, welcher die Zeugen wider ihn vernimmt und dann vor Pilatus, um hier das letzte Urtheil zu empfangen. Dieser schickt ihn zu Herodes, wo er im Königsmantel verhöhnt wird. Von da kehrt der Zug zu Pilatus zurück, wir sehen die Geißelung und Krönung, wobei die Propheten David und Jerenüas als Zeugen des alten Bundes auftrete». Mitt¬ lerweile naht Judas wieder, wirft den Priestern das Geld für das unschuldige Blut hin, wird aber von ihnen verspottet. Der Satan flüstert ihm in das Ohr: Judas willt du dich erhenken, Nimm hin, den Strick will ich dir schenken, Den knüpf an den Hals gar vest Und häng' dich bald, das ist das best. Du hast so schwerlich gesunde wider Gott, Dir ist nu nicht besser, denn der Tod. Du wirst auch in der Hell' ein werther Gast, Da ist dir schon bereit ein Palast. Jesus wird von Pilatus den Juden übergeben; er nimmt das Kreuz auf die Schulter und trägt es, beweint von den „heidnischen Frawen" zur Schädel¬ stätte. Dort angelangt setzt er sich neben das Kreuz, während Jesaias zu dem Volke spricht und auf das 53. Capitel seiner Prophezeihungen hindeutet, wo von dem Lamme die Rede ist, welches stumm zur Schlachtbank geführt wird. Nun folgen die verschiedenen Scenen der Kreuzigung nach dem Texte der Bibel; wenn den rechten Schächer ein Engel tröstet, den linken ein Teufel ins Ohr flüstert, daß er seinem bußfertigen Gesellen nicht glauben solle, dieser wolle ihm nur die Vernunft rauben, so fühlt man sich unmittelbar an manche altdeutsche Gemälde erinnert, wo der gute und der böse Geist leibhaftig dargestellt sind. Die Krieger des Pilatus gemahnen vollständig an die Lanzknechte, so ist auch hier die Vergangenheit in die unmittelbare Gegenwart übersetzt, was wohl 10"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/83>, abgerufen am 25.11.2024.