Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Provinzialgouverneure bekannt, in Preußen findet sich nichts Ähnliches, außer
für Neuenburg, -- das einzige Land, welches der König nicht bereist hat.

An einer andern Stelle heißt es in den Natmöes: "Es gibt Provinzen,
wo die Katholiken in dem Maße überwiegen, daß der Konig nur ein oder
zwei protestantische Commissarien hinschicken kann." Die Handschriften von 1765
lesen: "qu'rin c>u clvux evmmisLS.it es xroteLwrts "; spätere auch wohl dafür
"<j6mM8", ohne indeß damit etwas im Sinne zu andern.

Welches politische oder administrative Verhältniß ist überhaupt als zum
Grunde liegend gedacht, wenn von einem Hinschielen von königlichen Com-
missaren und einem bestimmten Glaubensbekenntniß derselben die Rede ist?
Auf deutsche und speciell preußische Verhältnisse angewandt, ist uns der Sinn
durchaus unverständlich, und wir müssen von Herrn Acton die Lösung des
Mthsels erwarten. -- Und welcher katholische Landestheil hätte das Recht des
Königs, Beamte jeder Konfession anzustellen, beschränkt?

Was Schlesien, diejenige Provinz, in der die meisten Katholiken lebten,
betrifft, so hatte Friedrich der Große aus politischen Gründen 1741 angeordnet,
daß selbst in den Städten die obersten Gemeindestellen mit Protestanten besetzt
werden sollten.

Ebenso bezeichnend ist es, wenn der Verfasser der Na,t,iri6öL den großen
Kurfürsten "Suillg-uns 1ö Kranä" nennt, oder wenn er den König sagen läßt,
daß die Proceßgebühren und Stempelabgaben um "500,000 Livres" gefallen
seien. So lesen die Handschriften von 1765 und auch selbst der actonsche Ab¬
druck ; dem Urheber der buffonschen Abschrift scheint diese Rechnung nach fran¬
zösischem Gelde aufgefallen zu sein und er schrieb "Florins", wohl in der Mei¬
nung, daß man in Preußen, wie in den an Frankreich angrenzenden deutschen
Ländern, nach Gulden rechne.

Sonderbar, daß der König von Preußen, der, wenn er an Voltaire schreibt,
nach Thalern rechnet, seinem jungen Neffen gegenüber sich in Livres aus-
drückt!

Wir dürfen hier wohl die Erörterung darüber, ob Friedrich der Große der
Verfasser dieses Machwerks ist, schließen. Aber wir wollen uns nicht ver¬
sagen den falschen Nirtin^s eine andere Lehrstunde dieses Königs gegenüber¬
zustellen, welche er am Abend seines Lebens seinem Großneffen, dem spätern
König Friedrich Wilhelm dem Dritten gab, deren Inhalt dieser in späteren
Jahren erzählt hat.

König Friedrich begegnete dem fünfzehnjährigen Knaben im Garten
von Sanssouci und ließ sich freundlich mit ihm in ein Gespräch ein; richtete
an ihn verschiedene Fragen über wissenschaftliche Gegenstände und forderte ihn
schließlich auf, eine Fabel von Lafontaine, die er ihm aufschlug, zu übersetzen.
Als der junge Prinz geläufig übersetzt hatte, lobte er ihn. Der Knabe aber


Vrenjbotm I. 1863. 65

Provinzialgouverneure bekannt, in Preußen findet sich nichts Ähnliches, außer
für Neuenburg, — das einzige Land, welches der König nicht bereist hat.

An einer andern Stelle heißt es in den Natmöes: „Es gibt Provinzen,
wo die Katholiken in dem Maße überwiegen, daß der Konig nur ein oder
zwei protestantische Commissarien hinschicken kann." Die Handschriften von 1765
lesen: „qu'rin c>u clvux evmmisLS.it es xroteLwrts "; spätere auch wohl dafür
"<j6mM8", ohne indeß damit etwas im Sinne zu andern.

Welches politische oder administrative Verhältniß ist überhaupt als zum
Grunde liegend gedacht, wenn von einem Hinschielen von königlichen Com-
missaren und einem bestimmten Glaubensbekenntniß derselben die Rede ist?
Auf deutsche und speciell preußische Verhältnisse angewandt, ist uns der Sinn
durchaus unverständlich, und wir müssen von Herrn Acton die Lösung des
Mthsels erwarten. — Und welcher katholische Landestheil hätte das Recht des
Königs, Beamte jeder Konfession anzustellen, beschränkt?

Was Schlesien, diejenige Provinz, in der die meisten Katholiken lebten,
betrifft, so hatte Friedrich der Große aus politischen Gründen 1741 angeordnet,
daß selbst in den Städten die obersten Gemeindestellen mit Protestanten besetzt
werden sollten.

Ebenso bezeichnend ist es, wenn der Verfasser der Na,t,iri6öL den großen
Kurfürsten „Suillg-uns 1ö Kranä« nennt, oder wenn er den König sagen läßt,
daß die Proceßgebühren und Stempelabgaben um „500,000 Livres" gefallen
seien. So lesen die Handschriften von 1765 und auch selbst der actonsche Ab¬
druck ; dem Urheber der buffonschen Abschrift scheint diese Rechnung nach fran¬
zösischem Gelde aufgefallen zu sein und er schrieb „Florins", wohl in der Mei¬
nung, daß man in Preußen, wie in den an Frankreich angrenzenden deutschen
Ländern, nach Gulden rechne.

Sonderbar, daß der König von Preußen, der, wenn er an Voltaire schreibt,
nach Thalern rechnet, seinem jungen Neffen gegenüber sich in Livres aus-
drückt!

Wir dürfen hier wohl die Erörterung darüber, ob Friedrich der Große der
Verfasser dieses Machwerks ist, schließen. Aber wir wollen uns nicht ver¬
sagen den falschen Nirtin^s eine andere Lehrstunde dieses Königs gegenüber¬
zustellen, welche er am Abend seines Lebens seinem Großneffen, dem spätern
König Friedrich Wilhelm dem Dritten gab, deren Inhalt dieser in späteren
Jahren erzählt hat.

König Friedrich begegnete dem fünfzehnjährigen Knaben im Garten
von Sanssouci und ließ sich freundlich mit ihm in ein Gespräch ein; richtete
an ihn verschiedene Fragen über wissenschaftliche Gegenstände und forderte ihn
schließlich auf, eine Fabel von Lafontaine, die er ihm aufschlug, zu übersetzen.
Als der junge Prinz geläufig übersetzt hatte, lobte er ihn. Der Knabe aber


Vrenjbotm I. 1863. 65
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188011"/>
            <p xml:id="ID_1923" prev="#ID_1922"> Provinzialgouverneure bekannt, in Preußen findet sich nichts Ähnliches, außer<lb/>
für Neuenburg, &#x2014; das einzige Land, welches der König nicht bereist hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1924"> An einer andern Stelle heißt es in den Natmöes: &#x201E;Es gibt Provinzen,<lb/>
wo die Katholiken in dem Maße überwiegen, daß der Konig nur ein oder<lb/>
zwei protestantische Commissarien hinschicken kann." Die Handschriften von 1765<lb/>
lesen: &#x201E;qu'rin c&gt;u clvux evmmisLS.it es xroteLwrts "; spätere auch wohl dafür<lb/>
"&lt;j6mM8", ohne indeß damit etwas im Sinne zu andern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1925"> Welches politische oder administrative Verhältniß ist überhaupt als zum<lb/>
Grunde liegend gedacht, wenn von einem Hinschielen von königlichen Com-<lb/>
missaren und einem bestimmten Glaubensbekenntniß derselben die Rede ist?<lb/>
Auf deutsche und speciell preußische Verhältnisse angewandt, ist uns der Sinn<lb/>
durchaus unverständlich, und wir müssen von Herrn Acton die Lösung des<lb/>
Mthsels erwarten. &#x2014; Und welcher katholische Landestheil hätte das Recht des<lb/>
Königs, Beamte jeder Konfession anzustellen, beschränkt?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1926"> Was Schlesien, diejenige Provinz, in der die meisten Katholiken lebten,<lb/>
betrifft, so hatte Friedrich der Große aus politischen Gründen 1741 angeordnet,<lb/>
daß selbst in den Städten die obersten Gemeindestellen mit Protestanten besetzt<lb/>
werden sollten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1927"> Ebenso bezeichnend ist es, wenn der Verfasser der Na,t,iri6öL den großen<lb/>
Kurfürsten &#x201E;Suillg-uns 1ö Kranä« nennt, oder wenn er den König sagen läßt,<lb/>
daß die Proceßgebühren und Stempelabgaben um &#x201E;500,000 Livres" gefallen<lb/>
seien. So lesen die Handschriften von 1765 und auch selbst der actonsche Ab¬<lb/>
druck ; dem Urheber der buffonschen Abschrift scheint diese Rechnung nach fran¬<lb/>
zösischem Gelde aufgefallen zu sein und er schrieb &#x201E;Florins", wohl in der Mei¬<lb/>
nung, daß man in Preußen, wie in den an Frankreich angrenzenden deutschen<lb/>
Ländern, nach Gulden rechne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1928"> Sonderbar, daß der König von Preußen, der, wenn er an Voltaire schreibt,<lb/>
nach Thalern rechnet, seinem jungen Neffen gegenüber sich in Livres aus-<lb/>
drückt!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1929"> Wir dürfen hier wohl die Erörterung darüber, ob Friedrich der Große der<lb/>
Verfasser dieses Machwerks ist, schließen. Aber wir wollen uns nicht ver¬<lb/>
sagen den falschen Nirtin^s eine andere Lehrstunde dieses Königs gegenüber¬<lb/>
zustellen, welche er am Abend seines Lebens seinem Großneffen, dem spätern<lb/>
König Friedrich Wilhelm dem Dritten gab, deren Inhalt dieser in späteren<lb/>
Jahren erzählt hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1930" next="#ID_1931"> König Friedrich begegnete dem fünfzehnjährigen Knaben im Garten<lb/>
von Sanssouci und ließ sich freundlich mit ihm in ein Gespräch ein; richtete<lb/>
an ihn verschiedene Fragen über wissenschaftliche Gegenstände und forderte ihn<lb/>
schließlich auf, eine Fabel von Lafontaine, die er ihm aufschlug, zu übersetzen.<lb/>
Als der junge Prinz geläufig übersetzt hatte, lobte er ihn. Der Knabe aber</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Vrenjbotm I. 1863. 65</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0517] Provinzialgouverneure bekannt, in Preußen findet sich nichts Ähnliches, außer für Neuenburg, — das einzige Land, welches der König nicht bereist hat. An einer andern Stelle heißt es in den Natmöes: „Es gibt Provinzen, wo die Katholiken in dem Maße überwiegen, daß der Konig nur ein oder zwei protestantische Commissarien hinschicken kann." Die Handschriften von 1765 lesen: „qu'rin c>u clvux evmmisLS.it es xroteLwrts "; spätere auch wohl dafür "<j6mM8", ohne indeß damit etwas im Sinne zu andern. Welches politische oder administrative Verhältniß ist überhaupt als zum Grunde liegend gedacht, wenn von einem Hinschielen von königlichen Com- missaren und einem bestimmten Glaubensbekenntniß derselben die Rede ist? Auf deutsche und speciell preußische Verhältnisse angewandt, ist uns der Sinn durchaus unverständlich, und wir müssen von Herrn Acton die Lösung des Mthsels erwarten. — Und welcher katholische Landestheil hätte das Recht des Königs, Beamte jeder Konfession anzustellen, beschränkt? Was Schlesien, diejenige Provinz, in der die meisten Katholiken lebten, betrifft, so hatte Friedrich der Große aus politischen Gründen 1741 angeordnet, daß selbst in den Städten die obersten Gemeindestellen mit Protestanten besetzt werden sollten. Ebenso bezeichnend ist es, wenn der Verfasser der Na,t,iri6öL den großen Kurfürsten „Suillg-uns 1ö Kranä« nennt, oder wenn er den König sagen läßt, daß die Proceßgebühren und Stempelabgaben um „500,000 Livres" gefallen seien. So lesen die Handschriften von 1765 und auch selbst der actonsche Ab¬ druck ; dem Urheber der buffonschen Abschrift scheint diese Rechnung nach fran¬ zösischem Gelde aufgefallen zu sein und er schrieb „Florins", wohl in der Mei¬ nung, daß man in Preußen, wie in den an Frankreich angrenzenden deutschen Ländern, nach Gulden rechne. Sonderbar, daß der König von Preußen, der, wenn er an Voltaire schreibt, nach Thalern rechnet, seinem jungen Neffen gegenüber sich in Livres aus- drückt! Wir dürfen hier wohl die Erörterung darüber, ob Friedrich der Große der Verfasser dieses Machwerks ist, schließen. Aber wir wollen uns nicht ver¬ sagen den falschen Nirtin^s eine andere Lehrstunde dieses Königs gegenüber¬ zustellen, welche er am Abend seines Lebens seinem Großneffen, dem spätern König Friedrich Wilhelm dem Dritten gab, deren Inhalt dieser in späteren Jahren erzählt hat. König Friedrich begegnete dem fünfzehnjährigen Knaben im Garten von Sanssouci und ließ sich freundlich mit ihm in ein Gespräch ein; richtete an ihn verschiedene Fragen über wissenschaftliche Gegenstände und forderte ihn schließlich auf, eine Fabel von Lafontaine, die er ihm aufschlug, zu übersetzen. Als der junge Prinz geläufig übersetzt hatte, lobte er ihn. Der Knabe aber Vrenjbotm I. 1863. 65

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/517
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/517>, abgerufen am 28.07.2024.