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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Stand gesetzt hätte, der Welt ihren Willen zu dictiren, die Sicherung einer
Macht, welche keinen Nebenbuhler, keinen mächtigen Nachbar und in Ermange¬
lung'dieser die Fähigkeit gehabt hätte, sich über den ganzen Continent aus¬
zudehnen, die Erhaltung eines Staatswesens, welches keine Armee, keine Ma¬
rine, keine Steuern von Bedeutung gekannt und doch das Privilegium besessen
hätte, allen Nationen Trotz zu bieten, war ein Ziel sehr wohl geeignet, alle
Gemüther zu entflammen und sie freudig Wohlstand, Leben und selbst die
Freiheit für lange Zeit opfern zu lassen. Für die Union kämpfen, hieß für
das Recht kämpfen, künftig die Welt mit zu beherrschen. Nachdem dieser Traum
aber vorüber ist. werden Hunderttausende, welche dafür gestorben wären, nur
wenig Lust haben zu sterben oder auch nur zu zahlen, um eine Entscheidung
der Frage herbeizuführen, ob die Linie der Trennung ein paar hundert Mei¬
len englischen Maßes weiter südlich oder westlich gezogen werden soll.

Politiker freilich werden die große Wichtigkeit der Frage sehen, aber das
Volk im Großen und Ganzen wird dafür nicht außer sich gerathen, nicht sich
zu edlerer Stimmung erheben, nicht sich opfern. So wird, sobald der wahre
Stand der Dinge allgemein begriffen sein wird, die Zahl der eifrigen und
thatkräftigen Fürsprecher für den Krieg sich auf zwei Classen: die Wahn¬
sinnigen und die Schurken, beschränken, auf die. welche noch immer an Wieder¬
herstellung der Union glauben, weil sie nichts lernten und nichts vergaßen, und
auf die. welche den Krieg lieben, weil er ihnen vorteilhafte Contracte und
Gelegenheit zum Betrug bringt, auf die, welche von dem Kampfe Verwirklichung
ihrer Träume, und auf die, welche von ihm Füllung ihrer Tasche erwarten.

Natürlich ist es möglich, daß irgend ein Nebenerfolg der föderalistischen
Streitkräfte vor Vicksvurg oder Charleston die sinkende Zuversicht des Nordens
wieder aus eine Weile belebt. Solche Ereignisse würden den Männern, die
jetzt am Staatsruder zu Washington stehen, ihr Verbleiben an dieser Stelle
noch für eine kurze Frist verbürgen, und den Streit aus ebensolange fortzusetzen
Schatten. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Lincoln und seine Minister leicht
bewogen werden können, eine Politik auszugeben, in die sie sich so tief ein¬
gelassen haben. Allein mit einem Volke, welches wo nicht verzweifelt, doch
lau auf die Dinge blickt, mit einer Volks- und Staatenvertretung, die über
die Grundsätze und Maßregeln, mit denen jene Politik durchzuführen, unter
sich in unversöhnlichem Zwiespalt ist, und mit einer turbulenter, mittelmäßig
geschulten und zusehends dahinschwindenden Armee wird der Krieg kaum ener¬
gisch und erfolgreich fortgesetzt werden können. Ein matter, langsam sich hin¬
schleppender Krieg aber, der keine entscheidenden Siege ausweist und darum
von keiner Aenderung in der relativen Stellung oder Stärke der kämpfenden
Theile begleitet ist, kann, sollte man meinen, schwerlich noch lange sich hin-
. ziehen.




Stand gesetzt hätte, der Welt ihren Willen zu dictiren, die Sicherung einer
Macht, welche keinen Nebenbuhler, keinen mächtigen Nachbar und in Ermange¬
lung'dieser die Fähigkeit gehabt hätte, sich über den ganzen Continent aus¬
zudehnen, die Erhaltung eines Staatswesens, welches keine Armee, keine Ma¬
rine, keine Steuern von Bedeutung gekannt und doch das Privilegium besessen
hätte, allen Nationen Trotz zu bieten, war ein Ziel sehr wohl geeignet, alle
Gemüther zu entflammen und sie freudig Wohlstand, Leben und selbst die
Freiheit für lange Zeit opfern zu lassen. Für die Union kämpfen, hieß für
das Recht kämpfen, künftig die Welt mit zu beherrschen. Nachdem dieser Traum
aber vorüber ist. werden Hunderttausende, welche dafür gestorben wären, nur
wenig Lust haben zu sterben oder auch nur zu zahlen, um eine Entscheidung
der Frage herbeizuführen, ob die Linie der Trennung ein paar hundert Mei¬
len englischen Maßes weiter südlich oder westlich gezogen werden soll.

Politiker freilich werden die große Wichtigkeit der Frage sehen, aber das
Volk im Großen und Ganzen wird dafür nicht außer sich gerathen, nicht sich
zu edlerer Stimmung erheben, nicht sich opfern. So wird, sobald der wahre
Stand der Dinge allgemein begriffen sein wird, die Zahl der eifrigen und
thatkräftigen Fürsprecher für den Krieg sich auf zwei Classen: die Wahn¬
sinnigen und die Schurken, beschränken, auf die. welche noch immer an Wieder¬
herstellung der Union glauben, weil sie nichts lernten und nichts vergaßen, und
auf die. welche den Krieg lieben, weil er ihnen vorteilhafte Contracte und
Gelegenheit zum Betrug bringt, auf die, welche von dem Kampfe Verwirklichung
ihrer Träume, und auf die, welche von ihm Füllung ihrer Tasche erwarten.

Natürlich ist es möglich, daß irgend ein Nebenerfolg der föderalistischen
Streitkräfte vor Vicksvurg oder Charleston die sinkende Zuversicht des Nordens
wieder aus eine Weile belebt. Solche Ereignisse würden den Männern, die
jetzt am Staatsruder zu Washington stehen, ihr Verbleiben an dieser Stelle
noch für eine kurze Frist verbürgen, und den Streit aus ebensolange fortzusetzen
Schatten. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Lincoln und seine Minister leicht
bewogen werden können, eine Politik auszugeben, in die sie sich so tief ein¬
gelassen haben. Allein mit einem Volke, welches wo nicht verzweifelt, doch
lau auf die Dinge blickt, mit einer Volks- und Staatenvertretung, die über
die Grundsätze und Maßregeln, mit denen jene Politik durchzuführen, unter
sich in unversöhnlichem Zwiespalt ist, und mit einer turbulenter, mittelmäßig
geschulten und zusehends dahinschwindenden Armee wird der Krieg kaum ener¬
gisch und erfolgreich fortgesetzt werden können. Ein matter, langsam sich hin¬
schleppender Krieg aber, der keine entscheidenden Siege ausweist und darum
von keiner Aenderung in der relativen Stellung oder Stärke der kämpfenden
Theile begleitet ist, kann, sollte man meinen, schwerlich noch lange sich hin-
. ziehen.




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[0507] Stand gesetzt hätte, der Welt ihren Willen zu dictiren, die Sicherung einer Macht, welche keinen Nebenbuhler, keinen mächtigen Nachbar und in Ermange¬ lung'dieser die Fähigkeit gehabt hätte, sich über den ganzen Continent aus¬ zudehnen, die Erhaltung eines Staatswesens, welches keine Armee, keine Ma¬ rine, keine Steuern von Bedeutung gekannt und doch das Privilegium besessen hätte, allen Nationen Trotz zu bieten, war ein Ziel sehr wohl geeignet, alle Gemüther zu entflammen und sie freudig Wohlstand, Leben und selbst die Freiheit für lange Zeit opfern zu lassen. Für die Union kämpfen, hieß für das Recht kämpfen, künftig die Welt mit zu beherrschen. Nachdem dieser Traum aber vorüber ist. werden Hunderttausende, welche dafür gestorben wären, nur wenig Lust haben zu sterben oder auch nur zu zahlen, um eine Entscheidung der Frage herbeizuführen, ob die Linie der Trennung ein paar hundert Mei¬ len englischen Maßes weiter südlich oder westlich gezogen werden soll. Politiker freilich werden die große Wichtigkeit der Frage sehen, aber das Volk im Großen und Ganzen wird dafür nicht außer sich gerathen, nicht sich zu edlerer Stimmung erheben, nicht sich opfern. So wird, sobald der wahre Stand der Dinge allgemein begriffen sein wird, die Zahl der eifrigen und thatkräftigen Fürsprecher für den Krieg sich auf zwei Classen: die Wahn¬ sinnigen und die Schurken, beschränken, auf die. welche noch immer an Wieder¬ herstellung der Union glauben, weil sie nichts lernten und nichts vergaßen, und auf die. welche den Krieg lieben, weil er ihnen vorteilhafte Contracte und Gelegenheit zum Betrug bringt, auf die, welche von dem Kampfe Verwirklichung ihrer Träume, und auf die, welche von ihm Füllung ihrer Tasche erwarten. Natürlich ist es möglich, daß irgend ein Nebenerfolg der föderalistischen Streitkräfte vor Vicksvurg oder Charleston die sinkende Zuversicht des Nordens wieder aus eine Weile belebt. Solche Ereignisse würden den Männern, die jetzt am Staatsruder zu Washington stehen, ihr Verbleiben an dieser Stelle noch für eine kurze Frist verbürgen, und den Streit aus ebensolange fortzusetzen Schatten. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Lincoln und seine Minister leicht bewogen werden können, eine Politik auszugeben, in die sie sich so tief ein¬ gelassen haben. Allein mit einem Volke, welches wo nicht verzweifelt, doch lau auf die Dinge blickt, mit einer Volks- und Staatenvertretung, die über die Grundsätze und Maßregeln, mit denen jene Politik durchzuführen, unter sich in unversöhnlichem Zwiespalt ist, und mit einer turbulenter, mittelmäßig geschulten und zusehends dahinschwindenden Armee wird der Krieg kaum ener¬ gisch und erfolgreich fortgesetzt werden können. Ein matter, langsam sich hin¬ schleppender Krieg aber, der keine entscheidenden Siege ausweist und darum von keiner Aenderung in der relativen Stellung oder Stärke der kämpfenden Theile begleitet ist, kann, sollte man meinen, schwerlich noch lange sich hin- . ziehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/507>, abgerufen am 22.11.2024.