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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Convention zusammen, welche den Beschluß der Trennung von der Union
faßte. Dann zog man die alte Flagge ein und hißte die neue auf. Die Gvls-
truppen, welche bei Fort Sumpter den Kampf eröffnet hatten, marschirten in
in die Stadt mit dem Palmetto, dem Pelikan und der Fichte in ihren Fahnen.
Die Miliz, die zur Unterdrückung von John Browns Pulses zusammengetreten
war, rückte von Neuem aus und verstärkte sich durch Rekruten. Eine schweig¬
same, von Zweifeln erfüllte Volksmasse lauschte der förmlichen Amtsantritts¬
rede Jefferson Davis und des Vicepräsidenten Alexander Stephens. Lange
Colonnen von Soldaten zogen durch die Straßen, um sich nach Winchester und
Manassas Gay zu begeben. Die ersten Acte des Dramas der Secession hatten
ein ziemlich frisches und heiteres Wesen. Aber bald wälzte sich der Krieg bis
vor die Mauern Nichmonds, und in den Gassen der "schattigen Stadt" war
das Blut von Tausenden verwundeter Menschen zu sehen.

Der Erste unter den großen Persönlichkeiten Nichmonds ist der Präsident
mit seiner schlanken Gestalt und seinem ernsten Gesicht. Er ist ein wenig
grau geworden, ein wenig von Sorgen gebeugt und abgemagert, aber noch
ganz so den Verpflichtungen seines Postens gewachsen, wie vor sechzehn Jahren,
wo er mit einigen hundert Leuten von Mississippi den Angriff von tausend
mexikanischen Lanzenreitern aushielt. Sein Wesen ist mit dem von Washington
verglichen worden, und wie sichs damit auch verhalten mag, seine Lage wenig¬
stens hat einige Aehnlichkeit mit der jenes größten Amerikaners. Wie dieser
ist er daheim boshaft angegriffen, im Auslande carrikirt worden. Die Zeitungen
von Richmond haben ihn unfähig, lau und heuchlerisch genannt, aber Niemand
von seinen Gegnern war bescheidener, klüger oder aufrichtiger der Sache des
Südens ergeben.

Der Vicepräsident geht langsam zwischen seinem Hause und dem Capitol
hin und her, gebeugt, gefurcht, mit hohlen Augen und Wangen, ein tieftrau-
rigcr Anblick, den man nicht leicht vergißt. Seine Stellung in der Negierung
ist eine negative, und er bleibt viel allein zu Hause, offenbar müde des Kriegs
und der ganzen Welt. Gouverneur Letcher, der Träger der vollziehenden Ge¬
walt in Virginien, ist allen Parteien verhaßt und wird einmal ein gutes
Sujet für einen zukünftigen Aristophanes der südlichen Conföderation abgeben.
Sein Vorgänger, General Henry Wvse, ist einer der merkwürdigsten Männer
der Stadt. Einst ein berüchtigter Raufbold, ist er jetzt berühmt wegen seiner
Stegreifreden. Seine Leistungen im Felde waren ohne Ausnahme nichts werth,
dafür aber trägt er bei jeder Parade seinen Soldaten pomphafte politische
Reden vor. Er hat übrigens doppelte Ursache, den Unionisten zu grollen, da
diese ihm bei Rocmoke einen seiner Söhne erschossen.

Eine besonders interessante Erscheinung ist dann General Winter, der
Provvstmarschall, ein höchst schlauer und wachsamer Beamter. Während


Convention zusammen, welche den Beschluß der Trennung von der Union
faßte. Dann zog man die alte Flagge ein und hißte die neue auf. Die Gvls-
truppen, welche bei Fort Sumpter den Kampf eröffnet hatten, marschirten in
in die Stadt mit dem Palmetto, dem Pelikan und der Fichte in ihren Fahnen.
Die Miliz, die zur Unterdrückung von John Browns Pulses zusammengetreten
war, rückte von Neuem aus und verstärkte sich durch Rekruten. Eine schweig¬
same, von Zweifeln erfüllte Volksmasse lauschte der förmlichen Amtsantritts¬
rede Jefferson Davis und des Vicepräsidenten Alexander Stephens. Lange
Colonnen von Soldaten zogen durch die Straßen, um sich nach Winchester und
Manassas Gay zu begeben. Die ersten Acte des Dramas der Secession hatten
ein ziemlich frisches und heiteres Wesen. Aber bald wälzte sich der Krieg bis
vor die Mauern Nichmonds, und in den Gassen der „schattigen Stadt" war
das Blut von Tausenden verwundeter Menschen zu sehen.

Der Erste unter den großen Persönlichkeiten Nichmonds ist der Präsident
mit seiner schlanken Gestalt und seinem ernsten Gesicht. Er ist ein wenig
grau geworden, ein wenig von Sorgen gebeugt und abgemagert, aber noch
ganz so den Verpflichtungen seines Postens gewachsen, wie vor sechzehn Jahren,
wo er mit einigen hundert Leuten von Mississippi den Angriff von tausend
mexikanischen Lanzenreitern aushielt. Sein Wesen ist mit dem von Washington
verglichen worden, und wie sichs damit auch verhalten mag, seine Lage wenig¬
stens hat einige Aehnlichkeit mit der jenes größten Amerikaners. Wie dieser
ist er daheim boshaft angegriffen, im Auslande carrikirt worden. Die Zeitungen
von Richmond haben ihn unfähig, lau und heuchlerisch genannt, aber Niemand
von seinen Gegnern war bescheidener, klüger oder aufrichtiger der Sache des
Südens ergeben.

Der Vicepräsident geht langsam zwischen seinem Hause und dem Capitol
hin und her, gebeugt, gefurcht, mit hohlen Augen und Wangen, ein tieftrau-
rigcr Anblick, den man nicht leicht vergißt. Seine Stellung in der Negierung
ist eine negative, und er bleibt viel allein zu Hause, offenbar müde des Kriegs
und der ganzen Welt. Gouverneur Letcher, der Träger der vollziehenden Ge¬
walt in Virginien, ist allen Parteien verhaßt und wird einmal ein gutes
Sujet für einen zukünftigen Aristophanes der südlichen Conföderation abgeben.
Sein Vorgänger, General Henry Wvse, ist einer der merkwürdigsten Männer
der Stadt. Einst ein berüchtigter Raufbold, ist er jetzt berühmt wegen seiner
Stegreifreden. Seine Leistungen im Felde waren ohne Ausnahme nichts werth,
dafür aber trägt er bei jeder Parade seinen Soldaten pomphafte politische
Reden vor. Er hat übrigens doppelte Ursache, den Unionisten zu grollen, da
diese ihm bei Rocmoke einen seiner Söhne erschossen.

Eine besonders interessante Erscheinung ist dann General Winter, der
Provvstmarschall, ein höchst schlauer und wachsamer Beamter. Während


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/500>, abgerufen am 22.11.2024.