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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Wahlen kam es zu lärmenden Ausbrüchen und Mordthaten, und häufig sielen
selbst unter seinen vornehmsten Einwohnern Duelle vor. Unter die Haupt¬
erfordernisse seiner Kongreßmitglieder gehörten ein scharfes Auge und eine feste
Hand. und mehr als einer seiner Zeitungsschreiber hat schon ein halbes Dutzend
Zweikämpfe hinter sich.

Wir schalten hier ein. was Russell über den Ton der südlichen Gesell¬
schaft sagt. Nachdem er von dem unbändigen Trinken und Fluchen, sowie von
dem abgeschmackten Prahlen dieser "südlichen Gentlemen" gesprochen, mit
welchem sie auf alte Stammbäume und ähnlichen aristokratischen Plunder hin¬
weisen, vergleicht er jenen Ton mit dem. der vor etwa sechzig Jahren unter
den alten irischen Tones herrschte, und findet eine auffallende Aehnlichkeit.
Dann fährt er fort: "Ich erfuhr mancherlei schätzbare Thatsachen über die
Regeln des Duellirens. So warnte man mich zum Beispiel, mich nicht zu
sehr auf Pistolen von kleinem Kaliber oder Taschcnrevolver zu verlassen, wenn
es zum Handgemenge käme; denn sehen Sie, so fuhr mein Gönner fort, gesetzt
den Fall auch. Sie treffen Ihren Mann tödtlich, so kann er immer noch auf
Sie losspringen und Ihnen einen Treffer mit dem Bowiemesser zwischen die
Rippen geben, wogegen er. wenn Sie ihm eine gute schwere Kugel in den
Leib jagen oder mit einer Derringerkugcl ein Loch in ihn machen, duselig
wird und auf der Stelle hinplumpt. Wenn ein Gentleman, mit dem Sie
Streit haben, in seine Hosentasche oder unter seine Rockschöße greift, so müssen
Sie ihn ohne Weiteres zu Loden schlagen oder über den Haufen schießen; denn
entweder ist er dann im Begriff, seinen Revolver zu ziehen, oder nach seinem
Bowiemesser zu greifen, oder Sie aus der Hosentasche zu erschießen -- eine
Methode, die nicht für recht nobel gilt, aber nicht selten unter uns ist."

Ueber England sprach man mit ebensoviel Unwissenheit als Gering¬
schätzung. Die Engländer seien, so hieß es, Feiglinge; denn sie hätten das
Duell abgeschafft. Sie fürchteten sich vor Frankreich zu Tode und ließen sich
von ihm Alles gefallen. Großbritannien sei eigentlich nichts als eine Art
Apanagengut ihres "King Cotton", und was dergleichen sublimer Wahnwitz
mehr war.

Richmond ist der Mittelpunkt der virginischen Tabaksfabrikation und der
große Markt für den Export der Sklaven, die der Staat für den tieferen Süden
nzeugt. Man ist hier sehr artig gegen Fremde und gastfreier als im Norden,
aber diese Artigkeit und Gastlichkeit schließt durchaus keine Duldung in Betreff
abvlitionistischer Ansichten ein. Die Gesetze schreiben in dieser Beziehung nicht
blos vor, was man nicht thun, sondern auch, was man nicht sagen darf, ohne
sich des Hochverrats schuldig zu machen.

Die Stadt hat jetzt so ziemlich alle die schrecklichen Veränderungen erlebt,
Welche ein Bürgerkrieg im Gefolge hat. Bei geschlossenen Thüren trat die


Wahlen kam es zu lärmenden Ausbrüchen und Mordthaten, und häufig sielen
selbst unter seinen vornehmsten Einwohnern Duelle vor. Unter die Haupt¬
erfordernisse seiner Kongreßmitglieder gehörten ein scharfes Auge und eine feste
Hand. und mehr als einer seiner Zeitungsschreiber hat schon ein halbes Dutzend
Zweikämpfe hinter sich.

Wir schalten hier ein. was Russell über den Ton der südlichen Gesell¬
schaft sagt. Nachdem er von dem unbändigen Trinken und Fluchen, sowie von
dem abgeschmackten Prahlen dieser „südlichen Gentlemen" gesprochen, mit
welchem sie auf alte Stammbäume und ähnlichen aristokratischen Plunder hin¬
weisen, vergleicht er jenen Ton mit dem. der vor etwa sechzig Jahren unter
den alten irischen Tones herrschte, und findet eine auffallende Aehnlichkeit.
Dann fährt er fort: „Ich erfuhr mancherlei schätzbare Thatsachen über die
Regeln des Duellirens. So warnte man mich zum Beispiel, mich nicht zu
sehr auf Pistolen von kleinem Kaliber oder Taschcnrevolver zu verlassen, wenn
es zum Handgemenge käme; denn sehen Sie, so fuhr mein Gönner fort, gesetzt
den Fall auch. Sie treffen Ihren Mann tödtlich, so kann er immer noch auf
Sie losspringen und Ihnen einen Treffer mit dem Bowiemesser zwischen die
Rippen geben, wogegen er. wenn Sie ihm eine gute schwere Kugel in den
Leib jagen oder mit einer Derringerkugcl ein Loch in ihn machen, duselig
wird und auf der Stelle hinplumpt. Wenn ein Gentleman, mit dem Sie
Streit haben, in seine Hosentasche oder unter seine Rockschöße greift, so müssen
Sie ihn ohne Weiteres zu Loden schlagen oder über den Haufen schießen; denn
entweder ist er dann im Begriff, seinen Revolver zu ziehen, oder nach seinem
Bowiemesser zu greifen, oder Sie aus der Hosentasche zu erschießen — eine
Methode, die nicht für recht nobel gilt, aber nicht selten unter uns ist."

Ueber England sprach man mit ebensoviel Unwissenheit als Gering¬
schätzung. Die Engländer seien, so hieß es, Feiglinge; denn sie hätten das
Duell abgeschafft. Sie fürchteten sich vor Frankreich zu Tode und ließen sich
von ihm Alles gefallen. Großbritannien sei eigentlich nichts als eine Art
Apanagengut ihres „King Cotton", und was dergleichen sublimer Wahnwitz
mehr war.

Richmond ist der Mittelpunkt der virginischen Tabaksfabrikation und der
große Markt für den Export der Sklaven, die der Staat für den tieferen Süden
nzeugt. Man ist hier sehr artig gegen Fremde und gastfreier als im Norden,
aber diese Artigkeit und Gastlichkeit schließt durchaus keine Duldung in Betreff
abvlitionistischer Ansichten ein. Die Gesetze schreiben in dieser Beziehung nicht
blos vor, was man nicht thun, sondern auch, was man nicht sagen darf, ohne
sich des Hochverrats schuldig zu machen.

Die Stadt hat jetzt so ziemlich alle die schrecklichen Veränderungen erlebt,
Welche ein Bürgerkrieg im Gefolge hat. Bei geschlossenen Thüren trat die


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[0499] Wahlen kam es zu lärmenden Ausbrüchen und Mordthaten, und häufig sielen selbst unter seinen vornehmsten Einwohnern Duelle vor. Unter die Haupt¬ erfordernisse seiner Kongreßmitglieder gehörten ein scharfes Auge und eine feste Hand. und mehr als einer seiner Zeitungsschreiber hat schon ein halbes Dutzend Zweikämpfe hinter sich. Wir schalten hier ein. was Russell über den Ton der südlichen Gesell¬ schaft sagt. Nachdem er von dem unbändigen Trinken und Fluchen, sowie von dem abgeschmackten Prahlen dieser „südlichen Gentlemen" gesprochen, mit welchem sie auf alte Stammbäume und ähnlichen aristokratischen Plunder hin¬ weisen, vergleicht er jenen Ton mit dem. der vor etwa sechzig Jahren unter den alten irischen Tones herrschte, und findet eine auffallende Aehnlichkeit. Dann fährt er fort: „Ich erfuhr mancherlei schätzbare Thatsachen über die Regeln des Duellirens. So warnte man mich zum Beispiel, mich nicht zu sehr auf Pistolen von kleinem Kaliber oder Taschcnrevolver zu verlassen, wenn es zum Handgemenge käme; denn sehen Sie, so fuhr mein Gönner fort, gesetzt den Fall auch. Sie treffen Ihren Mann tödtlich, so kann er immer noch auf Sie losspringen und Ihnen einen Treffer mit dem Bowiemesser zwischen die Rippen geben, wogegen er. wenn Sie ihm eine gute schwere Kugel in den Leib jagen oder mit einer Derringerkugcl ein Loch in ihn machen, duselig wird und auf der Stelle hinplumpt. Wenn ein Gentleman, mit dem Sie Streit haben, in seine Hosentasche oder unter seine Rockschöße greift, so müssen Sie ihn ohne Weiteres zu Loden schlagen oder über den Haufen schießen; denn entweder ist er dann im Begriff, seinen Revolver zu ziehen, oder nach seinem Bowiemesser zu greifen, oder Sie aus der Hosentasche zu erschießen — eine Methode, die nicht für recht nobel gilt, aber nicht selten unter uns ist." Ueber England sprach man mit ebensoviel Unwissenheit als Gering¬ schätzung. Die Engländer seien, so hieß es, Feiglinge; denn sie hätten das Duell abgeschafft. Sie fürchteten sich vor Frankreich zu Tode und ließen sich von ihm Alles gefallen. Großbritannien sei eigentlich nichts als eine Art Apanagengut ihres „King Cotton", und was dergleichen sublimer Wahnwitz mehr war. Richmond ist der Mittelpunkt der virginischen Tabaksfabrikation und der große Markt für den Export der Sklaven, die der Staat für den tieferen Süden nzeugt. Man ist hier sehr artig gegen Fremde und gastfreier als im Norden, aber diese Artigkeit und Gastlichkeit schließt durchaus keine Duldung in Betreff abvlitionistischer Ansichten ein. Die Gesetze schreiben in dieser Beziehung nicht blos vor, was man nicht thun, sondern auch, was man nicht sagen darf, ohne sich des Hochverrats schuldig zu machen. Die Stadt hat jetzt so ziemlich alle die schrecklichen Veränderungen erlebt, Welche ein Bürgerkrieg im Gefolge hat. Bei geschlossenen Thüren trat die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/499>, abgerufen am 22.11.2024.