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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Der König Nest eines Tags auf. der Liste der zur öffentlichen Audienz
Angemeldeten den Namen eines Grafen Buffon. oktieier nich garäes kran?Alse".
Es wnd ein Sohn des Naturforschers Buffon sein, den der König nur aus
seinen Schriften kennt, und mit dem er bis jetzt noch nicht in literarische Ver-
bindung getreten ist. Dem König kommt der Gedanke, dem Naturforscher ein
Zeichen seiner Hochachtung zu geben.

Vielleicht wird der König ihm ein seltenes Thier schenken? Doch das wäre zu
gewöhnlich. Vor fast zwanzig Jahren hat der König eine politische S.hilft
verfaßt, in welcher er sich vieler Gemeinheiten und Lächerlichkeiten und selbst
infamirendcr Verbrechen schuldig bekannt hat; eine Abschrift derselben wurde
ihm gestohlen und gedruckt. Er hat damals aller Welt gegenüber die Urheber¬
schaft derselben abläugnen lassen. Aber er hat noch die Originalhandschrift.
Wie. wenn er dieselbe dem Naturforscher als ein Bekenntniß seiner Sünden
übersendete ? -- Indessen diese Handschrift enthält einige unangenehme Stellen ge¬
gen Katholiken und Literaten. durch welche sich Buffon verletzt fühlen würde.
Der König setzt sich daher hin und schreibt sie noch einmal mit Auslassung je¬
ner Stellen ab. Nachdem der siebzigjährige Greis einen halben oder ganzen
Tag lang abgeschrieben, ohne zu bedenken, daß er ja nur einen der in
seiner Bibliothek oder beim Buchhändler vorräthigen Drucke, mit einem
Inä<zi-lau8 keen versehen, übersenden könnte, sagt er zu sich selbst: "Ich
will dem Naturforscher ein Zeichen meines Vertrauens geben! Er wird das
Geheimniß bewahren. selbst wenn, ich ihn nicht darum bitte. Ehren wir ihn!
Er wird freilich in dem Manuscript lesen, daß ich die Literaten nur gut be¬
handle, um von ihnen gelobt zu werden. Er wird aber den Wink verstehen
und mich in seiner nächsten naturhistorischen Schrift loben. Sein Lob ist es
schon werth, daß er von allen Menschen allein um meine Verbrechen und mein
Geheimniß wisse." Der König steckt die zweite Abschrift in die Tasche und
geht zur öffentlichen Cour, sagt dem jungen Offizier einige verbindliche Worte,
zieht aber dann die Handschrift vor allen Leuten hervor, gibt sie ihm. indem
^ ihm leise ins Ohr flüstert. Buffon Vater und Sohn erzählen die paar ba¬
nalen Phrasen des großen Königs ihren Freunden, schweigen aber von der
Hauptsache, -- aus Vergeßlichkeit, wie es scheint, nicht aus Discretion; denn
der große Buffon ist niederträchtig genug, sofort für seine Freunde Abschriften
des kostbaren Werkes anfertigen zu lassen. Auch vergißt er. dem König ein
paar Worte des Dankes für die merkwürdige Sendung zu schreiben.

So ungefähr müssen sich die Herren Acton und Nadault de Buffon den
Hergang denken, und wir werden später noch Gelegenheit baben. die Gründe
anzuführen, weshalb nach des Ersteren Ansicht der König eine neue Abschrift
speciell für Buffon fertigen mußte.

Die Wahrheit ist ohne Zweifel, daß wenn Buffon die Abschrift der Na-


Der König Nest eines Tags auf. der Liste der zur öffentlichen Audienz
Angemeldeten den Namen eines Grafen Buffon. oktieier nich garäes kran?Alse».
Es wnd ein Sohn des Naturforschers Buffon sein, den der König nur aus
seinen Schriften kennt, und mit dem er bis jetzt noch nicht in literarische Ver-
bindung getreten ist. Dem König kommt der Gedanke, dem Naturforscher ein
Zeichen seiner Hochachtung zu geben.

Vielleicht wird der König ihm ein seltenes Thier schenken? Doch das wäre zu
gewöhnlich. Vor fast zwanzig Jahren hat der König eine politische S.hilft
verfaßt, in welcher er sich vieler Gemeinheiten und Lächerlichkeiten und selbst
infamirendcr Verbrechen schuldig bekannt hat; eine Abschrift derselben wurde
ihm gestohlen und gedruckt. Er hat damals aller Welt gegenüber die Urheber¬
schaft derselben abläugnen lassen. Aber er hat noch die Originalhandschrift.
Wie. wenn er dieselbe dem Naturforscher als ein Bekenntniß seiner Sünden
übersendete ? — Indessen diese Handschrift enthält einige unangenehme Stellen ge¬
gen Katholiken und Literaten. durch welche sich Buffon verletzt fühlen würde.
Der König setzt sich daher hin und schreibt sie noch einmal mit Auslassung je¬
ner Stellen ab. Nachdem der siebzigjährige Greis einen halben oder ganzen
Tag lang abgeschrieben, ohne zu bedenken, daß er ja nur einen der in
seiner Bibliothek oder beim Buchhändler vorräthigen Drucke, mit einem
Inä<zi-lau8 keen versehen, übersenden könnte, sagt er zu sich selbst: „Ich
will dem Naturforscher ein Zeichen meines Vertrauens geben! Er wird das
Geheimniß bewahren. selbst wenn, ich ihn nicht darum bitte. Ehren wir ihn!
Er wird freilich in dem Manuscript lesen, daß ich die Literaten nur gut be¬
handle, um von ihnen gelobt zu werden. Er wird aber den Wink verstehen
und mich in seiner nächsten naturhistorischen Schrift loben. Sein Lob ist es
schon werth, daß er von allen Menschen allein um meine Verbrechen und mein
Geheimniß wisse." Der König steckt die zweite Abschrift in die Tasche und
geht zur öffentlichen Cour, sagt dem jungen Offizier einige verbindliche Worte,
zieht aber dann die Handschrift vor allen Leuten hervor, gibt sie ihm. indem
^ ihm leise ins Ohr flüstert. Buffon Vater und Sohn erzählen die paar ba¬
nalen Phrasen des großen Königs ihren Freunden, schweigen aber von der
Hauptsache, — aus Vergeßlichkeit, wie es scheint, nicht aus Discretion; denn
der große Buffon ist niederträchtig genug, sofort für seine Freunde Abschriften
des kostbaren Werkes anfertigen zu lassen. Auch vergißt er. dem König ein
paar Worte des Dankes für die merkwürdige Sendung zu schreiben.

So ungefähr müssen sich die Herren Acton und Nadault de Buffon den
Hergang denken, und wir werden später noch Gelegenheit baben. die Gründe
anzuführen, weshalb nach des Ersteren Ansicht der König eine neue Abschrift
speciell für Buffon fertigen mußte.

Die Wahrheit ist ohne Zweifel, daß wenn Buffon die Abschrift der Na-


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[0487] Der König Nest eines Tags auf. der Liste der zur öffentlichen Audienz Angemeldeten den Namen eines Grafen Buffon. oktieier nich garäes kran?Alse». Es wnd ein Sohn des Naturforschers Buffon sein, den der König nur aus seinen Schriften kennt, und mit dem er bis jetzt noch nicht in literarische Ver- bindung getreten ist. Dem König kommt der Gedanke, dem Naturforscher ein Zeichen seiner Hochachtung zu geben. Vielleicht wird der König ihm ein seltenes Thier schenken? Doch das wäre zu gewöhnlich. Vor fast zwanzig Jahren hat der König eine politische S.hilft verfaßt, in welcher er sich vieler Gemeinheiten und Lächerlichkeiten und selbst infamirendcr Verbrechen schuldig bekannt hat; eine Abschrift derselben wurde ihm gestohlen und gedruckt. Er hat damals aller Welt gegenüber die Urheber¬ schaft derselben abläugnen lassen. Aber er hat noch die Originalhandschrift. Wie. wenn er dieselbe dem Naturforscher als ein Bekenntniß seiner Sünden übersendete ? — Indessen diese Handschrift enthält einige unangenehme Stellen ge¬ gen Katholiken und Literaten. durch welche sich Buffon verletzt fühlen würde. Der König setzt sich daher hin und schreibt sie noch einmal mit Auslassung je¬ ner Stellen ab. Nachdem der siebzigjährige Greis einen halben oder ganzen Tag lang abgeschrieben, ohne zu bedenken, daß er ja nur einen der in seiner Bibliothek oder beim Buchhändler vorräthigen Drucke, mit einem Inä<zi-lau8 keen versehen, übersenden könnte, sagt er zu sich selbst: „Ich will dem Naturforscher ein Zeichen meines Vertrauens geben! Er wird das Geheimniß bewahren. selbst wenn, ich ihn nicht darum bitte. Ehren wir ihn! Er wird freilich in dem Manuscript lesen, daß ich die Literaten nur gut be¬ handle, um von ihnen gelobt zu werden. Er wird aber den Wink verstehen und mich in seiner nächsten naturhistorischen Schrift loben. Sein Lob ist es schon werth, daß er von allen Menschen allein um meine Verbrechen und mein Geheimniß wisse." Der König steckt die zweite Abschrift in die Tasche und geht zur öffentlichen Cour, sagt dem jungen Offizier einige verbindliche Worte, zieht aber dann die Handschrift vor allen Leuten hervor, gibt sie ihm. indem ^ ihm leise ins Ohr flüstert. Buffon Vater und Sohn erzählen die paar ba¬ nalen Phrasen des großen Königs ihren Freunden, schweigen aber von der Hauptsache, — aus Vergeßlichkeit, wie es scheint, nicht aus Discretion; denn der große Buffon ist niederträchtig genug, sofort für seine Freunde Abschriften des kostbaren Werkes anfertigen zu lassen. Auch vergißt er. dem König ein paar Worte des Dankes für die merkwürdige Sendung zu schreiben. So ungefähr müssen sich die Herren Acton und Nadault de Buffon den Hergang denken, und wir werden später noch Gelegenheit baben. die Gründe anzuführen, weshalb nach des Ersteren Ansicht der König eine neue Abschrift speciell für Buffon fertigen mußte. Die Wahrheit ist ohne Zweifel, daß wenn Buffon die Abschrift der Na-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/487>, abgerufen am 27.11.2024.