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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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leidenschaftliche" Haß gegen den früheren Minister Heydt, ist ein armer Mann,
.der sein früheres großes vermögen nur zum Theil durch Spiel verloren hat;
einen größeren Theil verzehrten Unglücksfälle. So hatte er einem polnischen
Edelmann 6000 Thlr. geliehen, die dieser mit andern Summen bald darauf
in einer Nacht an einen reichen Grafen im Spiel verlor und deshalb nicht
ersetzen konnte. Der inzwischen verarmte Creditor wandte sich nun an den
Grafen, dessen Eigenthum der Rest seines Vermögens in jener Nacht geworden
war, und beschwor ihn bei seiner Ehre um Ersatz. Bitter enttäuscht rächt sich
Poleski durch eine kleine Schrift über das Spiel: ?voies6 ^elae^va, die dem
Herrn Grafen übel mitspielte. Dieser sucht beim Kollo Hülfe. Verweise ihn ab;
indeß Herr v. Niegolewsti nimmt sich des biedern Freundes an. Unter dem
Vorgeben, alle Exemplare einer gewissen Petition, die Pvlcsti beim Landtage
eingereicht hatte, seien verloren, lockt er diesen nach Berlin und schmeichelt ihm
dort unter dem Versprechen, der Graf werde ihm jetzt 10,000 Thlr. zahlen,
eine Ehrenerklärung für diesen ab. Da Potest'i das Geld nicht erhielt und
bald genug erfuhr, daß auch seine Petition wohlerhalten sei, suchte er eine
Unterredung mit Niegvlcwski. Bei dieser begegnete ihm "das Versehen", dessen
Opfer die schönen schwarzen Haare wurden. Er meldete den Vorfall sofort
selbst bei der Polizei an, hoffend, der Widerpart werde das auch thun.
Der aber hat großmüthig geschwiegen und selbst die Zeitungen nicht daran gehin¬
dert, den Fall unter voller Namennennung zu besprechen.

Die Vermittelung zwischen dem hohen Kolkv und seinen Trabanten einer¬
seits und der polnischen Masse andrerseits ist in die Hände der Geistlichen ge¬
legt. An ihrer Spitze steht Herr Leo v, Przuluski, Erzbischof von Posen,
richtiger von Gnesen, ein Greis von 73 Jahren, doch rüstig, behäbig und von
gefälliger Weise. Vordem in Gnesen Domherr, wußte er durch allerlei Mittel
die Beamten und Offiziere so für sich zu gewinnen, daß er bei Dunins Ab¬
gange iM-song, AiÄtiLsim", war. Als die Bewegungen anhoben, hielt er sich
ruhig; er hinderte nicht, er schützte auch wohl die rebellische Geistlichkeit ein
wenig, aber er hielt sich persönlich frei. Da läutete NadwiSlanin wider ihn
und seine Umgebungen Sturm; der Streit spielte bis in die deutschen Ze>'
tungen hinein und endete damit, daß der alte Herr sich der Partei ergab. D>e
verhaßten Domherren Richter und Polczynsti mußten eifrigen Polen weiche"
u. f. f. Dann unternahm der Erzbischof statt der Reise zur Krönung, bei der
sich die andern Oberhirten zusammenfanden, diejenige nach Kreuz und empfing
dort die sprechendsten Zeugnisse von der Huld seines Königs und seiner Königin.
Die Gelegenheit, seinen Dank abzustatten, gaben ihm die Wahlen, zu denen
er einen Hirtenbrief erließ, zum Theil bewogen durch die ächt christliche Weise,
in der Bischof Marwitz von Kulm seinen Klerus zur Ordnung gerufen hatte.
Nach den gewöhnlichen Gemeinplätzen schrieb der Herr Erzbischof:


leidenschaftliche» Haß gegen den früheren Minister Heydt, ist ein armer Mann,
.der sein früheres großes vermögen nur zum Theil durch Spiel verloren hat;
einen größeren Theil verzehrten Unglücksfälle. So hatte er einem polnischen
Edelmann 6000 Thlr. geliehen, die dieser mit andern Summen bald darauf
in einer Nacht an einen reichen Grafen im Spiel verlor und deshalb nicht
ersetzen konnte. Der inzwischen verarmte Creditor wandte sich nun an den
Grafen, dessen Eigenthum der Rest seines Vermögens in jener Nacht geworden
war, und beschwor ihn bei seiner Ehre um Ersatz. Bitter enttäuscht rächt sich
Poleski durch eine kleine Schrift über das Spiel: ?voies6 ^elae^va, die dem
Herrn Grafen übel mitspielte. Dieser sucht beim Kollo Hülfe. Verweise ihn ab;
indeß Herr v. Niegolewsti nimmt sich des biedern Freundes an. Unter dem
Vorgeben, alle Exemplare einer gewissen Petition, die Pvlcsti beim Landtage
eingereicht hatte, seien verloren, lockt er diesen nach Berlin und schmeichelt ihm
dort unter dem Versprechen, der Graf werde ihm jetzt 10,000 Thlr. zahlen,
eine Ehrenerklärung für diesen ab. Da Potest'i das Geld nicht erhielt und
bald genug erfuhr, daß auch seine Petition wohlerhalten sei, suchte er eine
Unterredung mit Niegvlcwski. Bei dieser begegnete ihm „das Versehen", dessen
Opfer die schönen schwarzen Haare wurden. Er meldete den Vorfall sofort
selbst bei der Polizei an, hoffend, der Widerpart werde das auch thun.
Der aber hat großmüthig geschwiegen und selbst die Zeitungen nicht daran gehin¬
dert, den Fall unter voller Namennennung zu besprechen.

Die Vermittelung zwischen dem hohen Kolkv und seinen Trabanten einer¬
seits und der polnischen Masse andrerseits ist in die Hände der Geistlichen ge¬
legt. An ihrer Spitze steht Herr Leo v, Przuluski, Erzbischof von Posen,
richtiger von Gnesen, ein Greis von 73 Jahren, doch rüstig, behäbig und von
gefälliger Weise. Vordem in Gnesen Domherr, wußte er durch allerlei Mittel
die Beamten und Offiziere so für sich zu gewinnen, daß er bei Dunins Ab¬
gange iM-song, AiÄtiLsim», war. Als die Bewegungen anhoben, hielt er sich
ruhig; er hinderte nicht, er schützte auch wohl die rebellische Geistlichkeit ein
wenig, aber er hielt sich persönlich frei. Da läutete NadwiSlanin wider ihn
und seine Umgebungen Sturm; der Streit spielte bis in die deutschen Ze>'
tungen hinein und endete damit, daß der alte Herr sich der Partei ergab. D>e
verhaßten Domherren Richter und Polczynsti mußten eifrigen Polen weiche»
u. f. f. Dann unternahm der Erzbischof statt der Reise zur Krönung, bei der
sich die andern Oberhirten zusammenfanden, diejenige nach Kreuz und empfing
dort die sprechendsten Zeugnisse von der Huld seines Königs und seiner Königin.
Die Gelegenheit, seinen Dank abzustatten, gaben ihm die Wahlen, zu denen
er einen Hirtenbrief erließ, zum Theil bewogen durch die ächt christliche Weise,
in der Bischof Marwitz von Kulm seinen Klerus zur Ordnung gerufen hatte.
Nach den gewöhnlichen Gemeinplätzen schrieb der Herr Erzbischof:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/456>, abgerufen am 28.07.2024.