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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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getheilt. Sie sind es, die unermüdlich auf Frankreich hoffen, sie erfüllten 185S
Und 1859 die Nation mit der Hoffnung, Kaiser Napoleon werde in seinen
Friedensbedinguuge" sich ihrer annehmen. In dieser Zuversicht find sie incu-
rabcl, und es ist schon alles Mögliche, daß Fürst Wladislaw Czartvryski in
dem Manifest, mit dem er nach dem Tode des alten Fürsten Adam seine Herr¬
schaft antritt, darauf hinweist, daß die Polen auch im Lande etwas für sich
thun können. Die Hauptsache bleibt ihm aber dabei doch, "die Thätigkeit des
Landes kundzugeben und zu deuten, die nationalen Rechte vor der öffentlichen
Meinung und den Regierungen Europas zu vertheidigen, mit auswärti¬
gen Staaten Verbindungen anzuknüpfen und zu pflegen, welche
Polen zur Abschüttelun g seines Jo ches und zur Gewinnung eines
unabhängigen Lebens und Wirkens behülflich sein können."

Er setzt seinen Landsleuten auseinander, daß das Meiste für Polens Be¬
freiung durch die fremden Staaten, namentlich auch zur Beschleunigung der
entscheidenden Kämpfe mit den Erbfeinden geschehen werde, und fährt fort:
"Auch außerhalb des Landes gibt es daher für die Polen ein weites Feld der
Wirksamkeit, auf dem große Vortheile zu gewinnen sind. Dieser wichtige
Theil der allgemeine" nationalen Arbeit fällt seiner Natur nach der Emigra¬
tion zu, und es ist als eine Fügung der Vorsehung zu betrachten, daß ganz
Polen, obgleich es der Unabhängigkeit und eigenen Negierung entbehrt, den-
noch seinen auswärtigen Dienst hat, der heute schon im Stande ist,
die auswärtigen Interessen und Bedürfnisse der Nation wahr¬
zunehmen und zu vertheidigen."

Am 29. November 1862 bei der Revolutionsfeier im Saale der polnischen
Bibliothek ließ sich Fürst Wladislaw wieder vernehmen. Er plaidirte für mo¬
ralischen Kampf und verglich das durch unzeitigen Aufstand zerrüttete Galizien
alt Großpolen, "das in jeder Noth mit geordneten Kräften zum Kampf tritt."

Diesen gallisirenden Patrioten gehörte auch Graf Titus Dzialinski an,
der 1889 sein Mandat als Abgeordneter niederlegte, um kein Geld bewilligen
Zu dürfen, das möglichenfalls gegen den Wohlthäter seines Volkes, Napoleon
den Dritten, gebraucht werden könne. Der hat es offen gesagt, er Halle
jeden für einen Verräther und Schurken, der polnische Erde an Deutsche Ver¬
rüfe, letzteres, weil sie am Tage der Freiheit dem polnischen Volke als recht¬
mäßigem Besitzer zurückfallen müsse. Er hat uns auch unterrichtet, wie weit
das polnische Vaterland reicht; "das ganze Großherzogthum Posen, das Groß-
fürstenthum Litthauen, die Lande Kral'an, Sandomir, Sieradz, Lenczyc, Ku-
iawien, Nussimin, Volhynien, Preußen, Masvwien, Podlachien, Kulm,
Elbing. Pommern, Samogitien, Liefland und die übrigen" (vgl. seine
Erklärung im Januar 1860 im Dziennik Poznanski). Im EinVerständniß mit
jener Peu'dei erscheinen die Broschüren bei Denen in Paris; sie erregte und


Grenzboten I.

getheilt. Sie sind es, die unermüdlich auf Frankreich hoffen, sie erfüllten 185S
Und 1859 die Nation mit der Hoffnung, Kaiser Napoleon werde in seinen
Friedensbedinguuge» sich ihrer annehmen. In dieser Zuversicht find sie incu-
rabcl, und es ist schon alles Mögliche, daß Fürst Wladislaw Czartvryski in
dem Manifest, mit dem er nach dem Tode des alten Fürsten Adam seine Herr¬
schaft antritt, darauf hinweist, daß die Polen auch im Lande etwas für sich
thun können. Die Hauptsache bleibt ihm aber dabei doch, „die Thätigkeit des
Landes kundzugeben und zu deuten, die nationalen Rechte vor der öffentlichen
Meinung und den Regierungen Europas zu vertheidigen, mit auswärti¬
gen Staaten Verbindungen anzuknüpfen und zu pflegen, welche
Polen zur Abschüttelun g seines Jo ches und zur Gewinnung eines
unabhängigen Lebens und Wirkens behülflich sein können."

Er setzt seinen Landsleuten auseinander, daß das Meiste für Polens Be¬
freiung durch die fremden Staaten, namentlich auch zur Beschleunigung der
entscheidenden Kämpfe mit den Erbfeinden geschehen werde, und fährt fort:
"Auch außerhalb des Landes gibt es daher für die Polen ein weites Feld der
Wirksamkeit, auf dem große Vortheile zu gewinnen sind. Dieser wichtige
Theil der allgemeine» nationalen Arbeit fällt seiner Natur nach der Emigra¬
tion zu, und es ist als eine Fügung der Vorsehung zu betrachten, daß ganz
Polen, obgleich es der Unabhängigkeit und eigenen Negierung entbehrt, den-
noch seinen auswärtigen Dienst hat, der heute schon im Stande ist,
die auswärtigen Interessen und Bedürfnisse der Nation wahr¬
zunehmen und zu vertheidigen."

Am 29. November 1862 bei der Revolutionsfeier im Saale der polnischen
Bibliothek ließ sich Fürst Wladislaw wieder vernehmen. Er plaidirte für mo¬
ralischen Kampf und verglich das durch unzeitigen Aufstand zerrüttete Galizien
alt Großpolen, „das in jeder Noth mit geordneten Kräften zum Kampf tritt."

Diesen gallisirenden Patrioten gehörte auch Graf Titus Dzialinski an,
der 1889 sein Mandat als Abgeordneter niederlegte, um kein Geld bewilligen
Zu dürfen, das möglichenfalls gegen den Wohlthäter seines Volkes, Napoleon
den Dritten, gebraucht werden könne. Der hat es offen gesagt, er Halle
jeden für einen Verräther und Schurken, der polnische Erde an Deutsche Ver¬
rüfe, letzteres, weil sie am Tage der Freiheit dem polnischen Volke als recht¬
mäßigem Besitzer zurückfallen müsse. Er hat uns auch unterrichtet, wie weit
das polnische Vaterland reicht; „das ganze Großherzogthum Posen, das Groß-
fürstenthum Litthauen, die Lande Kral'an, Sandomir, Sieradz, Lenczyc, Ku-
iawien, Nussimin, Volhynien, Preußen, Masvwien, Podlachien, Kulm,
Elbing. Pommern, Samogitien, Liefland und die übrigen" (vgl. seine
Erklärung im Januar 1860 im Dziennik Poznanski). Im EinVerständniß mit
jener Peu'dei erscheinen die Broschüren bei Denen in Paris; sie erregte und


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[0425] getheilt. Sie sind es, die unermüdlich auf Frankreich hoffen, sie erfüllten 185S Und 1859 die Nation mit der Hoffnung, Kaiser Napoleon werde in seinen Friedensbedinguuge» sich ihrer annehmen. In dieser Zuversicht find sie incu- rabcl, und es ist schon alles Mögliche, daß Fürst Wladislaw Czartvryski in dem Manifest, mit dem er nach dem Tode des alten Fürsten Adam seine Herr¬ schaft antritt, darauf hinweist, daß die Polen auch im Lande etwas für sich thun können. Die Hauptsache bleibt ihm aber dabei doch, „die Thätigkeit des Landes kundzugeben und zu deuten, die nationalen Rechte vor der öffentlichen Meinung und den Regierungen Europas zu vertheidigen, mit auswärti¬ gen Staaten Verbindungen anzuknüpfen und zu pflegen, welche Polen zur Abschüttelun g seines Jo ches und zur Gewinnung eines unabhängigen Lebens und Wirkens behülflich sein können." Er setzt seinen Landsleuten auseinander, daß das Meiste für Polens Be¬ freiung durch die fremden Staaten, namentlich auch zur Beschleunigung der entscheidenden Kämpfe mit den Erbfeinden geschehen werde, und fährt fort: "Auch außerhalb des Landes gibt es daher für die Polen ein weites Feld der Wirksamkeit, auf dem große Vortheile zu gewinnen sind. Dieser wichtige Theil der allgemeine» nationalen Arbeit fällt seiner Natur nach der Emigra¬ tion zu, und es ist als eine Fügung der Vorsehung zu betrachten, daß ganz Polen, obgleich es der Unabhängigkeit und eigenen Negierung entbehrt, den- noch seinen auswärtigen Dienst hat, der heute schon im Stande ist, die auswärtigen Interessen und Bedürfnisse der Nation wahr¬ zunehmen und zu vertheidigen." Am 29. November 1862 bei der Revolutionsfeier im Saale der polnischen Bibliothek ließ sich Fürst Wladislaw wieder vernehmen. Er plaidirte für mo¬ ralischen Kampf und verglich das durch unzeitigen Aufstand zerrüttete Galizien alt Großpolen, „das in jeder Noth mit geordneten Kräften zum Kampf tritt." Diesen gallisirenden Patrioten gehörte auch Graf Titus Dzialinski an, der 1889 sein Mandat als Abgeordneter niederlegte, um kein Geld bewilligen Zu dürfen, das möglichenfalls gegen den Wohlthäter seines Volkes, Napoleon den Dritten, gebraucht werden könne. Der hat es offen gesagt, er Halle jeden für einen Verräther und Schurken, der polnische Erde an Deutsche Ver¬ rüfe, letzteres, weil sie am Tage der Freiheit dem polnischen Volke als recht¬ mäßigem Besitzer zurückfallen müsse. Er hat uns auch unterrichtet, wie weit das polnische Vaterland reicht; „das ganze Großherzogthum Posen, das Groß- fürstenthum Litthauen, die Lande Kral'an, Sandomir, Sieradz, Lenczyc, Ku- iawien, Nussimin, Volhynien, Preußen, Masvwien, Podlachien, Kulm, Elbing. Pommern, Samogitien, Liefland und die übrigen" (vgl. seine Erklärung im Januar 1860 im Dziennik Poznanski). Im EinVerständniß mit jener Peu'dei erscheinen die Broschüren bei Denen in Paris; sie erregte und Grenzboten I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/425>, abgerufen am 22.11.2024.