Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

^schlechtes von jeher die Führung gehabt hat und mit geschichtlicher Nothwen¬
digkeit von Jahr zu Jahr mehr an die Spitze und der Alleinherrschaft näher
kommt. Es mag sich wohl verlohnen, den geistigen und geschichtlichen Proceß,
der zu der Erfindung des Geldes geführt bat, und dessen älteste historische
Erscheinung sich zu vergegenwärtigen.

Der ursprüngliche Verkehr ist Tausch, das beißt die Auswechselung zweier
Waaren, von denen jede dem gegenwärtigen Besitzer entbehrlich ist und das
Bedürfniß, des andern Theils unmittelbar befriedigt. Ein Verkehr dieser Art
ist nothwendig in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Im Kleinverkehr mag es
c>uf dem Dorf vorkommen, daß der Schneider dem Schuster den Rock und
dieser dafür jenem die Stiefel macht; in der Stadt reicht man damit nicht
aus. Im Großverkehr ist der Tausch besser angebracht; es ist angemessen, daß
wir unser Korn nach England und Kohlen von da zurückbringen. . Aber auch
der Kaufmann kann mit dem Tausch allein nicht bestehen; denn er ist dadurch
gezwungen, immer so viel Waare zu kaufen wie er verkauft, und nie mehr
zu verkaufen als er einkauft. Die Bedingung jedes ausgedehnten Waarenaus.
tausebes, die Bedingung des freien Handels ist die Feststellung eines Gegen¬
standes , der zur allgemeinen Vermittelung geeignet ist. Der ältesten Zeit, wo
die grüne Erde noch ungetheilt und die Weide frei und grenzenlos war, lag
dafür nichts so nahe wie das Hcerdcnvieh. dessen Mehrung jedem Haushalt
unmittelbar nützlich war. Noch heutzutage ist bei den sogenannten wilden
Völkern die übrige Habe wesentlich dieselbe, und unterscheidet sich der Reiche
vom Armen allein durch die Zahl der Rinder, der Stuten oder der Kcimeele.
So ist es in der Urzeit der Römer und der Griechen, so in der germanischen
Urzeit gewesen : man rechnet nach Rindern und Schafen, und das Rind ist so
zu sagen das Großgeld, das Schaf das Kleingeld: zehn oder zwölf Schafe
gelten so viel als ein Rind. -- Aber dies Verkehrmittel reicht bald nicht mehr;
der steigende Verkehr bedarf eines festeren und feineren Vermittlers und findet
dieses einzig im Metall. Das Metall ist dauernder als fast alle übrigen
Waaren; viele Ursachen, die andere Waaren verderben, haben dem Metall nichts
an. Ebendaher ist es auch beweglicher, der Transport desselben und verhält¬
nißmäßig geringen Kosten und Gefahren verbunden; besonders seit die See¬
schifffahrt beginnt und der überseeische Handel, muß das Metall als Tausch-
Mittel an die Stelle des Heerdenviehs getreten sein. Es ist allgemein gültiger:
die Brauchbarkeit des Metalls ist weniger als die der meisten anderen Waaren
Von klimatischen und sonstigen örtlichen Verschiedenheiten abhängig. Es ist einer
scharfen Werthbestimmung mit großer Leichtigkeit fähig; im Ganzen genügen dazu
Auge und Wage, und auch Stcmpeiung kann leicht und der Substanz des Metalls
unbeschadet stattfinden. Es ist fester im Preise eben wegen seiner Dauerhaftig¬
keit; denn obwohl die jährliche Production des Metalls weit ungleicher ist als


^schlechtes von jeher die Führung gehabt hat und mit geschichtlicher Nothwen¬
digkeit von Jahr zu Jahr mehr an die Spitze und der Alleinherrschaft näher
kommt. Es mag sich wohl verlohnen, den geistigen und geschichtlichen Proceß,
der zu der Erfindung des Geldes geführt bat, und dessen älteste historische
Erscheinung sich zu vergegenwärtigen.

Der ursprüngliche Verkehr ist Tausch, das beißt die Auswechselung zweier
Waaren, von denen jede dem gegenwärtigen Besitzer entbehrlich ist und das
Bedürfniß, des andern Theils unmittelbar befriedigt. Ein Verkehr dieser Art
ist nothwendig in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Im Kleinverkehr mag es
c>uf dem Dorf vorkommen, daß der Schneider dem Schuster den Rock und
dieser dafür jenem die Stiefel macht; in der Stadt reicht man damit nicht
aus. Im Großverkehr ist der Tausch besser angebracht; es ist angemessen, daß
wir unser Korn nach England und Kohlen von da zurückbringen. . Aber auch
der Kaufmann kann mit dem Tausch allein nicht bestehen; denn er ist dadurch
gezwungen, immer so viel Waare zu kaufen wie er verkauft, und nie mehr
zu verkaufen als er einkauft. Die Bedingung jedes ausgedehnten Waarenaus.
tausebes, die Bedingung des freien Handels ist die Feststellung eines Gegen¬
standes , der zur allgemeinen Vermittelung geeignet ist. Der ältesten Zeit, wo
die grüne Erde noch ungetheilt und die Weide frei und grenzenlos war, lag
dafür nichts so nahe wie das Hcerdcnvieh. dessen Mehrung jedem Haushalt
unmittelbar nützlich war. Noch heutzutage ist bei den sogenannten wilden
Völkern die übrige Habe wesentlich dieselbe, und unterscheidet sich der Reiche
vom Armen allein durch die Zahl der Rinder, der Stuten oder der Kcimeele.
So ist es in der Urzeit der Römer und der Griechen, so in der germanischen
Urzeit gewesen : man rechnet nach Rindern und Schafen, und das Rind ist so
zu sagen das Großgeld, das Schaf das Kleingeld: zehn oder zwölf Schafe
gelten so viel als ein Rind. — Aber dies Verkehrmittel reicht bald nicht mehr;
der steigende Verkehr bedarf eines festeren und feineren Vermittlers und findet
dieses einzig im Metall. Das Metall ist dauernder als fast alle übrigen
Waaren; viele Ursachen, die andere Waaren verderben, haben dem Metall nichts
an. Ebendaher ist es auch beweglicher, der Transport desselben und verhält¬
nißmäßig geringen Kosten und Gefahren verbunden; besonders seit die See¬
schifffahrt beginnt und der überseeische Handel, muß das Metall als Tausch-
Mittel an die Stelle des Heerdenviehs getreten sein. Es ist allgemein gültiger:
die Brauchbarkeit des Metalls ist weniger als die der meisten anderen Waaren
Von klimatischen und sonstigen örtlichen Verschiedenheiten abhängig. Es ist einer
scharfen Werthbestimmung mit großer Leichtigkeit fähig; im Ganzen genügen dazu
Auge und Wage, und auch Stcmpeiung kann leicht und der Substanz des Metalls
unbeschadet stattfinden. Es ist fester im Preise eben wegen seiner Dauerhaftig¬
keit; denn obwohl die jährliche Production des Metalls weit ungleicher ist als


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187885"/>
          <p xml:id="ID_1448" prev="#ID_1447"> ^schlechtes von jeher die Führung gehabt hat und mit geschichtlicher Nothwen¬<lb/>
digkeit von Jahr zu Jahr mehr an die Spitze und der Alleinherrschaft näher<lb/>
kommt. Es mag sich wohl verlohnen, den geistigen und geschichtlichen Proceß,<lb/>
der zu der Erfindung des Geldes geführt bat, und dessen älteste historische<lb/>
Erscheinung sich zu vergegenwärtigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1449" next="#ID_1450"> Der ursprüngliche Verkehr ist Tausch, das beißt die Auswechselung zweier<lb/>
Waaren, von denen jede dem gegenwärtigen Besitzer entbehrlich ist und das<lb/>
Bedürfniß, des andern Theils unmittelbar befriedigt. Ein Verkehr dieser Art<lb/>
ist nothwendig in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Im Kleinverkehr mag es<lb/>
c&gt;uf dem Dorf vorkommen, daß der Schneider dem Schuster den Rock und<lb/>
dieser dafür jenem die Stiefel macht; in der Stadt reicht man damit nicht<lb/>
aus. Im Großverkehr ist der Tausch besser angebracht; es ist angemessen, daß<lb/>
wir unser Korn nach England und Kohlen von da zurückbringen. . Aber auch<lb/>
der Kaufmann kann mit dem Tausch allein nicht bestehen; denn er ist dadurch<lb/>
gezwungen, immer so viel Waare zu kaufen wie er verkauft, und nie mehr<lb/>
zu verkaufen als er einkauft. Die Bedingung jedes ausgedehnten Waarenaus.<lb/>
tausebes, die Bedingung des freien Handels ist die Feststellung eines Gegen¬<lb/>
standes , der zur allgemeinen Vermittelung geeignet ist. Der ältesten Zeit, wo<lb/>
die grüne Erde noch ungetheilt und die Weide frei und grenzenlos war, lag<lb/>
dafür nichts so nahe wie das Hcerdcnvieh. dessen Mehrung jedem Haushalt<lb/>
unmittelbar nützlich war. Noch heutzutage ist bei den sogenannten wilden<lb/>
Völkern die übrige Habe wesentlich dieselbe, und unterscheidet sich der Reiche<lb/>
vom Armen allein durch die Zahl der Rinder, der Stuten oder der Kcimeele.<lb/>
So ist es in der Urzeit der Römer und der Griechen, so in der germanischen<lb/>
Urzeit gewesen : man rechnet nach Rindern und Schafen, und das Rind ist so<lb/>
zu sagen das Großgeld, das Schaf das Kleingeld: zehn oder zwölf Schafe<lb/>
gelten so viel als ein Rind. &#x2014; Aber dies Verkehrmittel reicht bald nicht mehr;<lb/>
der steigende Verkehr bedarf eines festeren und feineren Vermittlers und findet<lb/>
dieses einzig im Metall. Das Metall ist dauernder als fast alle übrigen<lb/>
Waaren; viele Ursachen, die andere Waaren verderben, haben dem Metall nichts<lb/>
an. Ebendaher ist es auch beweglicher, der Transport desselben und verhält¬<lb/>
nißmäßig geringen Kosten und Gefahren verbunden; besonders seit die See¬<lb/>
schifffahrt beginnt und der überseeische Handel, muß das Metall als Tausch-<lb/>
Mittel an die Stelle des Heerdenviehs getreten sein. Es ist allgemein gültiger:<lb/>
die Brauchbarkeit des Metalls ist weniger als die der meisten anderen Waaren<lb/>
Von klimatischen und sonstigen örtlichen Verschiedenheiten abhängig. Es ist einer<lb/>
scharfen Werthbestimmung mit großer Leichtigkeit fähig; im Ganzen genügen dazu<lb/>
Auge und Wage, und auch Stcmpeiung kann leicht und der Substanz des Metalls<lb/>
unbeschadet stattfinden. Es ist fester im Preise eben wegen seiner Dauerhaftig¬<lb/>
keit; denn obwohl die jährliche Production des Metalls weit ungleicher ist als</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0391] ^schlechtes von jeher die Führung gehabt hat und mit geschichtlicher Nothwen¬ digkeit von Jahr zu Jahr mehr an die Spitze und der Alleinherrschaft näher kommt. Es mag sich wohl verlohnen, den geistigen und geschichtlichen Proceß, der zu der Erfindung des Geldes geführt bat, und dessen älteste historische Erscheinung sich zu vergegenwärtigen. Der ursprüngliche Verkehr ist Tausch, das beißt die Auswechselung zweier Waaren, von denen jede dem gegenwärtigen Besitzer entbehrlich ist und das Bedürfniß, des andern Theils unmittelbar befriedigt. Ein Verkehr dieser Art ist nothwendig in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Im Kleinverkehr mag es c>uf dem Dorf vorkommen, daß der Schneider dem Schuster den Rock und dieser dafür jenem die Stiefel macht; in der Stadt reicht man damit nicht aus. Im Großverkehr ist der Tausch besser angebracht; es ist angemessen, daß wir unser Korn nach England und Kohlen von da zurückbringen. . Aber auch der Kaufmann kann mit dem Tausch allein nicht bestehen; denn er ist dadurch gezwungen, immer so viel Waare zu kaufen wie er verkauft, und nie mehr zu verkaufen als er einkauft. Die Bedingung jedes ausgedehnten Waarenaus. tausebes, die Bedingung des freien Handels ist die Feststellung eines Gegen¬ standes , der zur allgemeinen Vermittelung geeignet ist. Der ältesten Zeit, wo die grüne Erde noch ungetheilt und die Weide frei und grenzenlos war, lag dafür nichts so nahe wie das Hcerdcnvieh. dessen Mehrung jedem Haushalt unmittelbar nützlich war. Noch heutzutage ist bei den sogenannten wilden Völkern die übrige Habe wesentlich dieselbe, und unterscheidet sich der Reiche vom Armen allein durch die Zahl der Rinder, der Stuten oder der Kcimeele. So ist es in der Urzeit der Römer und der Griechen, so in der germanischen Urzeit gewesen : man rechnet nach Rindern und Schafen, und das Rind ist so zu sagen das Großgeld, das Schaf das Kleingeld: zehn oder zwölf Schafe gelten so viel als ein Rind. — Aber dies Verkehrmittel reicht bald nicht mehr; der steigende Verkehr bedarf eines festeren und feineren Vermittlers und findet dieses einzig im Metall. Das Metall ist dauernder als fast alle übrigen Waaren; viele Ursachen, die andere Waaren verderben, haben dem Metall nichts an. Ebendaher ist es auch beweglicher, der Transport desselben und verhält¬ nißmäßig geringen Kosten und Gefahren verbunden; besonders seit die See¬ schifffahrt beginnt und der überseeische Handel, muß das Metall als Tausch- Mittel an die Stelle des Heerdenviehs getreten sein. Es ist allgemein gültiger: die Brauchbarkeit des Metalls ist weniger als die der meisten anderen Waaren Von klimatischen und sonstigen örtlichen Verschiedenheiten abhängig. Es ist einer scharfen Werthbestimmung mit großer Leichtigkeit fähig; im Ganzen genügen dazu Auge und Wage, und auch Stcmpeiung kann leicht und der Substanz des Metalls unbeschadet stattfinden. Es ist fester im Preise eben wegen seiner Dauerhaftig¬ keit; denn obwohl die jährliche Production des Metalls weit ungleicher ist als

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/391
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/391>, abgerufen am 23.11.2024.