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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Die Communal-Verhandlungen unserer kleinen Städte geschehen polnisch;
bei den Wahlen gehen beide Sprachen nebeneinander, was 18S8 sür Herrn
von -- Ski in Schlimm nicht ausreichte, der -- auch die Namen polnisch zu
hören verlangte").

Wir haben also nur mit den Verhandlungen vor Gericht und vor der
Verwaltungsbehörde zu thun, wobei erinnert werden muß, daß dort durch die
Zweierleiheit der Sprache die Arbeit verdoppelt und die meist bald gewünschte
Ausfertigung verzögert wird. Ueber den Sprachenverkchr vor diesen Instanzen
haben wir ausführliche Gesetze, Verordnungen, Cabinetsordres und Tribunals¬
entscheidungen, welche ausreichen und, soweit dies irgendwo gesagt werden kann,
auch befolgt werden.

Eine Cabinetsordre vom 20. Juni 1816 befiehlt die Übertragung der
bisherigen Gesetze, der jedesmaligen Nummer der Gesetzsammlung und des
Amtsblattes ins Polnische, "nur versteht es sich von selbst, daß bei all diesen
Uebersetzungen der deutsche Text das eigentliche Gesetz bleibt und bei etwaiger
Dunkelheit der Erklärung zu Grunde gelegt werden muß." Die Anwendung
der verschiedenen Sprachen vor Gericht sind durch Abschnitt IV. der Ver¬
ordnung vom 9. Februar 1817 geregelt. Die Korrespondenz der Gerichte
unter einander, so wie mit andern Behörden mit Ausnahme derjenigen des
Königreichs Polen geschieht deutsch. Bei Processen entscheidet die Sprache des
Klägers; ist dieser weder der deutschen, noch der polnischen gewachsen, so wird
erstere gebraucht; ebenso wenn er beider gleich mächtig ist. Bei einseitigen
Acten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird die Sprache der Erklärenden zur
Richtschnur; soll aber aus denselben ein Gebrauch beim Hypothekenbuch folgen,
so müssen sie entweder in beiden Sprachen oder nur in deutscher auf¬
genommen werden.

Beim öffentlichen Verfahren wird der Dolmetscher zugezogen. Wir haben
übrigens manche Verhandlung gehört, bei der kein deutsches Wort fiel, weil
Richter, Staatsanwalt und Vertheidiger, des Polnischen mächtig, sich im
Interesse prompteren Geschäftsganges desselben bedienten.'

Wieder ist es bezeichnend, daß da, wo das Gesetzetwa eine Härte hat.
sie Niemand lieber hervorzukehren pflegt, als der Polnische Richter, welcher
"ußeramtlich mit demonstrirt.

Die Verwaltungsbehörden correspondiren nach dem Regulativ vom
^4. April 1832 unter einander deutsch. Den Bürgermeistern der kleinen
Städte und den Geistlichen ist, wenn sie das Deutsche nicht können, polnische



/) D. h, die deutschen Namen entweder mit polnischer Endung! statt Blaschte: Blasz-
"ewicz oder in polnischer Uebersetzung: statt Sperling W>obst,'
Grcnzooten 1. 1S63, , 48

Die Communal-Verhandlungen unserer kleinen Städte geschehen polnisch;
bei den Wahlen gehen beide Sprachen nebeneinander, was 18S8 sür Herrn
von — Ski in Schlimm nicht ausreichte, der — auch die Namen polnisch zu
hören verlangte").

Wir haben also nur mit den Verhandlungen vor Gericht und vor der
Verwaltungsbehörde zu thun, wobei erinnert werden muß, daß dort durch die
Zweierleiheit der Sprache die Arbeit verdoppelt und die meist bald gewünschte
Ausfertigung verzögert wird. Ueber den Sprachenverkchr vor diesen Instanzen
haben wir ausführliche Gesetze, Verordnungen, Cabinetsordres und Tribunals¬
entscheidungen, welche ausreichen und, soweit dies irgendwo gesagt werden kann,
auch befolgt werden.

Eine Cabinetsordre vom 20. Juni 1816 befiehlt die Übertragung der
bisherigen Gesetze, der jedesmaligen Nummer der Gesetzsammlung und des
Amtsblattes ins Polnische, „nur versteht es sich von selbst, daß bei all diesen
Uebersetzungen der deutsche Text das eigentliche Gesetz bleibt und bei etwaiger
Dunkelheit der Erklärung zu Grunde gelegt werden muß." Die Anwendung
der verschiedenen Sprachen vor Gericht sind durch Abschnitt IV. der Ver¬
ordnung vom 9. Februar 1817 geregelt. Die Korrespondenz der Gerichte
unter einander, so wie mit andern Behörden mit Ausnahme derjenigen des
Königreichs Polen geschieht deutsch. Bei Processen entscheidet die Sprache des
Klägers; ist dieser weder der deutschen, noch der polnischen gewachsen, so wird
erstere gebraucht; ebenso wenn er beider gleich mächtig ist. Bei einseitigen
Acten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird die Sprache der Erklärenden zur
Richtschnur; soll aber aus denselben ein Gebrauch beim Hypothekenbuch folgen,
so müssen sie entweder in beiden Sprachen oder nur in deutscher auf¬
genommen werden.

Beim öffentlichen Verfahren wird der Dolmetscher zugezogen. Wir haben
übrigens manche Verhandlung gehört, bei der kein deutsches Wort fiel, weil
Richter, Staatsanwalt und Vertheidiger, des Polnischen mächtig, sich im
Interesse prompteren Geschäftsganges desselben bedienten.'

Wieder ist es bezeichnend, daß da, wo das Gesetzetwa eine Härte hat.
sie Niemand lieber hervorzukehren pflegt, als der Polnische Richter, welcher
"ußeramtlich mit demonstrirt.

Die Verwaltungsbehörden correspondiren nach dem Regulativ vom
^4. April 1832 unter einander deutsch. Den Bürgermeistern der kleinen
Städte und den Geistlichen ist, wenn sie das Deutsche nicht können, polnische



/) D. h, die deutschen Namen entweder mit polnischer Endung! statt Blaschte: Blasz-
"ewicz oder in polnischer Uebersetzung: statt Sperling W>obst,'
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[0385] Die Communal-Verhandlungen unserer kleinen Städte geschehen polnisch; bei den Wahlen gehen beide Sprachen nebeneinander, was 18S8 sür Herrn von — Ski in Schlimm nicht ausreichte, der — auch die Namen polnisch zu hören verlangte"). Wir haben also nur mit den Verhandlungen vor Gericht und vor der Verwaltungsbehörde zu thun, wobei erinnert werden muß, daß dort durch die Zweierleiheit der Sprache die Arbeit verdoppelt und die meist bald gewünschte Ausfertigung verzögert wird. Ueber den Sprachenverkchr vor diesen Instanzen haben wir ausführliche Gesetze, Verordnungen, Cabinetsordres und Tribunals¬ entscheidungen, welche ausreichen und, soweit dies irgendwo gesagt werden kann, auch befolgt werden. Eine Cabinetsordre vom 20. Juni 1816 befiehlt die Übertragung der bisherigen Gesetze, der jedesmaligen Nummer der Gesetzsammlung und des Amtsblattes ins Polnische, „nur versteht es sich von selbst, daß bei all diesen Uebersetzungen der deutsche Text das eigentliche Gesetz bleibt und bei etwaiger Dunkelheit der Erklärung zu Grunde gelegt werden muß." Die Anwendung der verschiedenen Sprachen vor Gericht sind durch Abschnitt IV. der Ver¬ ordnung vom 9. Februar 1817 geregelt. Die Korrespondenz der Gerichte unter einander, so wie mit andern Behörden mit Ausnahme derjenigen des Königreichs Polen geschieht deutsch. Bei Processen entscheidet die Sprache des Klägers; ist dieser weder der deutschen, noch der polnischen gewachsen, so wird erstere gebraucht; ebenso wenn er beider gleich mächtig ist. Bei einseitigen Acten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird die Sprache der Erklärenden zur Richtschnur; soll aber aus denselben ein Gebrauch beim Hypothekenbuch folgen, so müssen sie entweder in beiden Sprachen oder nur in deutscher auf¬ genommen werden. Beim öffentlichen Verfahren wird der Dolmetscher zugezogen. Wir haben übrigens manche Verhandlung gehört, bei der kein deutsches Wort fiel, weil Richter, Staatsanwalt und Vertheidiger, des Polnischen mächtig, sich im Interesse prompteren Geschäftsganges desselben bedienten.' Wieder ist es bezeichnend, daß da, wo das Gesetzetwa eine Härte hat. sie Niemand lieber hervorzukehren pflegt, als der Polnische Richter, welcher "ußeramtlich mit demonstrirt. Die Verwaltungsbehörden correspondiren nach dem Regulativ vom ^4. April 1832 unter einander deutsch. Den Bürgermeistern der kleinen Städte und den Geistlichen ist, wenn sie das Deutsche nicht können, polnische /) D. h, die deutschen Namen entweder mit polnischer Endung! statt Blaschte: Blasz- "ewicz oder in polnischer Uebersetzung: statt Sperling W>obst,' Grcnzooten 1. 1S63, , 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/385>, abgerufen am 24.11.2024.