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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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sich dieser Haß auch äußert. Denn wir Deutsche sind nicht Feinde, aber siegreiche
Gegner der polnischen Art. Wir sind in einem langsamen, aber unaufhaltsamen
Foitschritt gegen Osten begriffen, größere Ausdauer und Arbeitskraft, festere
Mäßigung und schere Moral haben uns überall, wo Na" an Race stieß, ihnen
überlegen gezeigt. Unsere Vorfahren haben in den roder Ansängen des pol.
Nischen mittelalterlichen Staats unter den Fremden den besten Theil der Städte
gegründet, sie zuerst haben barbarische Häuptlinge mit deutscher Industrie und
deutschem Geld bekannt gemacht. Wir haben in späterer Zeit von den verwüsteten
menschenleeren Polenlandschaften so viel besetzt, als nothdürfrig nöthig war. eine
scchsbundertjährige deutsche Cultur an der Ostsee zu schützen. Noch heute stehen
die Polen in jeder Richtung des Erwerbs und Verkehrlebens unter dem Ein¬
flüsse unserer Thätigkeit und Industrie. Es liegt sehr in ihrem Weien. gegen
diese Überlegenheit, welche zum großen Theil auf einer Schwäche des slavischen
naturels fußt, aufzubäumen. Wir erwiedern ihren Haß nicht, aber wir haben
keine Sympathien für ihr politisches Treiben. Wenn sie sich tapfer gegen
Uebermacht schlagen, werden wir-ihnen den Antheil gönnen, den der muihige
Krieger auch von Fremden zu fordern hat; wo unsere menschliche Empfindung
durch die Barbarei der Kosaken aufgeregt wird, oder wo wir persönlich in die
Lage gesetzt sind, das Schicksal eines Flüchtlings an der Grenze zu mildern,
da werden wir nicht daran denken, wie sie in friedlicher Zeit zu Warschau
deutsche Landsleute geschmäht, bedroht, geschlagen haben. Aber wir werden nicht
vergessen, daß es ihr Schicksal ist. uns. die Stärkeren zu Gegnern zu haben,
und wir werdett unsere Würde nicht so vergessen, daß wir ihre Verschwörungen
als eine Sache betrachten, welche mit unserem kaltblütigen, ehrlichen, vernünf¬
tigen Kampf nach größerer Freiheit und Einheit irgendwie nahe verwandt ist.

Für den deutschen Politiker aber hat der gegenwärtige Aufstand der exaltirten
Partei an sich keine große Bedeutung. Diese Unglücklichen, Begeisterte und
Verschwörer, sind ganz darnach angethan, ohne Erfolg für ihre Sache unterzugehen.
Ob sie den Stahl mit Strychnin bestreichen oder in den Kaffeehäusern von Paris
und Neapel umherlungern, oder als wackere Jungen auf dem Schlachtfelde
fallen, sie scheinen bestimmt zu vergehen, wie der Schaum einer Brandung. Sie
sind unfähig, einen polnischen Staat zu gründen. Weit wichtiger für uns ist
die Partei, welche nach polnischen Verhältnissen in Wahrheit die nationale
genannt werden muß. Wenn die Exaltirten in den benachbarten Slaven-
ländern nur Verwirrung hervorzubringen vermögen, Schwächung der Polen,
Schwächung der Russen, so vermöchte dagegen die aristokratische Partei
sehr wohl innerhalb der Grenzen von t815 einen polnischen Staat ein¬
zurichten. Und dieser Staat, durch deutsches Land von der See abgeschnitten,
und deshalb als Freund und als Feind auf unsere Cultur angewiesen, würde
für Deutschland nach mehr als einer Rücksicht eine freundliche oder seind-


Grenzboten I. 1S63. ^

sich dieser Haß auch äußert. Denn wir Deutsche sind nicht Feinde, aber siegreiche
Gegner der polnischen Art. Wir sind in einem langsamen, aber unaufhaltsamen
Foitschritt gegen Osten begriffen, größere Ausdauer und Arbeitskraft, festere
Mäßigung und schere Moral haben uns überall, wo Na« an Race stieß, ihnen
überlegen gezeigt. Unsere Vorfahren haben in den roder Ansängen des pol.
Nischen mittelalterlichen Staats unter den Fremden den besten Theil der Städte
gegründet, sie zuerst haben barbarische Häuptlinge mit deutscher Industrie und
deutschem Geld bekannt gemacht. Wir haben in späterer Zeit von den verwüsteten
menschenleeren Polenlandschaften so viel besetzt, als nothdürfrig nöthig war. eine
scchsbundertjährige deutsche Cultur an der Ostsee zu schützen. Noch heute stehen
die Polen in jeder Richtung des Erwerbs und Verkehrlebens unter dem Ein¬
flüsse unserer Thätigkeit und Industrie. Es liegt sehr in ihrem Weien. gegen
diese Überlegenheit, welche zum großen Theil auf einer Schwäche des slavischen
naturels fußt, aufzubäumen. Wir erwiedern ihren Haß nicht, aber wir haben
keine Sympathien für ihr politisches Treiben. Wenn sie sich tapfer gegen
Uebermacht schlagen, werden wir-ihnen den Antheil gönnen, den der muihige
Krieger auch von Fremden zu fordern hat; wo unsere menschliche Empfindung
durch die Barbarei der Kosaken aufgeregt wird, oder wo wir persönlich in die
Lage gesetzt sind, das Schicksal eines Flüchtlings an der Grenze zu mildern,
da werden wir nicht daran denken, wie sie in friedlicher Zeit zu Warschau
deutsche Landsleute geschmäht, bedroht, geschlagen haben. Aber wir werden nicht
vergessen, daß es ihr Schicksal ist. uns. die Stärkeren zu Gegnern zu haben,
und wir werdett unsere Würde nicht so vergessen, daß wir ihre Verschwörungen
als eine Sache betrachten, welche mit unserem kaltblütigen, ehrlichen, vernünf¬
tigen Kampf nach größerer Freiheit und Einheit irgendwie nahe verwandt ist.

Für den deutschen Politiker aber hat der gegenwärtige Aufstand der exaltirten
Partei an sich keine große Bedeutung. Diese Unglücklichen, Begeisterte und
Verschwörer, sind ganz darnach angethan, ohne Erfolg für ihre Sache unterzugehen.
Ob sie den Stahl mit Strychnin bestreichen oder in den Kaffeehäusern von Paris
und Neapel umherlungern, oder als wackere Jungen auf dem Schlachtfelde
fallen, sie scheinen bestimmt zu vergehen, wie der Schaum einer Brandung. Sie
sind unfähig, einen polnischen Staat zu gründen. Weit wichtiger für uns ist
die Partei, welche nach polnischen Verhältnissen in Wahrheit die nationale
genannt werden muß. Wenn die Exaltirten in den benachbarten Slaven-
ländern nur Verwirrung hervorzubringen vermögen, Schwächung der Polen,
Schwächung der Russen, so vermöchte dagegen die aristokratische Partei
sehr wohl innerhalb der Grenzen von t815 einen polnischen Staat ein¬
zurichten. Und dieser Staat, durch deutsches Land von der See abgeschnitten,
und deshalb als Freund und als Feind auf unsere Cultur angewiesen, würde
für Deutschland nach mehr als einer Rücksicht eine freundliche oder seind-


Grenzboten I. 1S63. ^
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[0361] sich dieser Haß auch äußert. Denn wir Deutsche sind nicht Feinde, aber siegreiche Gegner der polnischen Art. Wir sind in einem langsamen, aber unaufhaltsamen Foitschritt gegen Osten begriffen, größere Ausdauer und Arbeitskraft, festere Mäßigung und schere Moral haben uns überall, wo Na« an Race stieß, ihnen überlegen gezeigt. Unsere Vorfahren haben in den roder Ansängen des pol. Nischen mittelalterlichen Staats unter den Fremden den besten Theil der Städte gegründet, sie zuerst haben barbarische Häuptlinge mit deutscher Industrie und deutschem Geld bekannt gemacht. Wir haben in späterer Zeit von den verwüsteten menschenleeren Polenlandschaften so viel besetzt, als nothdürfrig nöthig war. eine scchsbundertjährige deutsche Cultur an der Ostsee zu schützen. Noch heute stehen die Polen in jeder Richtung des Erwerbs und Verkehrlebens unter dem Ein¬ flüsse unserer Thätigkeit und Industrie. Es liegt sehr in ihrem Weien. gegen diese Überlegenheit, welche zum großen Theil auf einer Schwäche des slavischen naturels fußt, aufzubäumen. Wir erwiedern ihren Haß nicht, aber wir haben keine Sympathien für ihr politisches Treiben. Wenn sie sich tapfer gegen Uebermacht schlagen, werden wir-ihnen den Antheil gönnen, den der muihige Krieger auch von Fremden zu fordern hat; wo unsere menschliche Empfindung durch die Barbarei der Kosaken aufgeregt wird, oder wo wir persönlich in die Lage gesetzt sind, das Schicksal eines Flüchtlings an der Grenze zu mildern, da werden wir nicht daran denken, wie sie in friedlicher Zeit zu Warschau deutsche Landsleute geschmäht, bedroht, geschlagen haben. Aber wir werden nicht vergessen, daß es ihr Schicksal ist. uns. die Stärkeren zu Gegnern zu haben, und wir werdett unsere Würde nicht so vergessen, daß wir ihre Verschwörungen als eine Sache betrachten, welche mit unserem kaltblütigen, ehrlichen, vernünf¬ tigen Kampf nach größerer Freiheit und Einheit irgendwie nahe verwandt ist. Für den deutschen Politiker aber hat der gegenwärtige Aufstand der exaltirten Partei an sich keine große Bedeutung. Diese Unglücklichen, Begeisterte und Verschwörer, sind ganz darnach angethan, ohne Erfolg für ihre Sache unterzugehen. Ob sie den Stahl mit Strychnin bestreichen oder in den Kaffeehäusern von Paris und Neapel umherlungern, oder als wackere Jungen auf dem Schlachtfelde fallen, sie scheinen bestimmt zu vergehen, wie der Schaum einer Brandung. Sie sind unfähig, einen polnischen Staat zu gründen. Weit wichtiger für uns ist die Partei, welche nach polnischen Verhältnissen in Wahrheit die nationale genannt werden muß. Wenn die Exaltirten in den benachbarten Slaven- ländern nur Verwirrung hervorzubringen vermögen, Schwächung der Polen, Schwächung der Russen, so vermöchte dagegen die aristokratische Partei sehr wohl innerhalb der Grenzen von t815 einen polnischen Staat ein¬ zurichten. Und dieser Staat, durch deutsches Land von der See abgeschnitten, und deshalb als Freund und als Feind auf unsere Cultur angewiesen, würde für Deutschland nach mehr als einer Rücksicht eine freundliche oder seind- Grenzboten I. 1S63. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/361>, abgerufen am 28.07.2024.