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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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dem Kaisertum jener tiefe innere Zusammenhang bestehe, welchen derselbe an¬
zunehmen geneigt ist. und daß die Aufstellung eines sogenannten Schrift,
eigenthums eine Folge davon sei. daß die Franzosen, wie ihnen der Verfasser
vorwirft, ihre eigene Revolution und die großen Principien derselben nicht
mehr begreifen. Im Gegentheil ist gerade die Anerkennung der Autorrechte
im Sinne eines Vollen Eigenthums ein Wer? und zwar eines der besten eben
dieser Revolution, die damit nur wie auf hundert anderen Punkten ein altes
Unrecht gegen die Künstler und Schriftsteller wieder gut machte und mit einem
Schlage jene Ideen der ewigen Gerechtigkeit verwirklichte, die Jahrhunderte
lang umsonst nach Verwirklichung genügen hatten.

Und noch weniger vermögen wir dem Verfasser beizustimmen, wenn er
schließlich in der geschlichen Anerkennung eines geistigen Eigenthums mit der
Eigenschaft der Unverjährbart'eit die Schöpfung einer neuen Art von Famiiien-
stiftungen, der von ih", so genannten literarischen Majorate erblickt und hieran
die Prophezeiung knüpft, daß in Frankreich -- sollte das Gesetz über das gei-
stige Eigenthum angenommen werden -- der Sache nach von den Einrichtungen
und Ideen des Jahres 1789 nichts mehr übrig sein und es, um auch die letz¬
ten Spuren der Revolution von französischem Boden zu vertilgen und die Na¬
tion in den Zustand gänzlicher Verdummung und Stagnation zu bringen, der
einer gewissen Partei münschenSwerth scheine, genügen werde, das neue Gesetz
seine Folgen nur erst hervorbringen zu lassen, und sie nach Befinden in das
bulltZtin etc;!? loix einzutragen.

Wir haben zu Anfang hervorgehoben, daß die deutsche Gesetzgebung zur
Zeit ein sogenanntes Schrifteigenthum nicht anerkennt und menschlicher Voraus¬
sicht nach auch in nächster Zeit schwerlich hierzu gelangen wird, und wir wün¬
schen uns hierzu, rein juristisch genommen, aufrichtig Glück, Aber wir können
uns nicht davon überzeugen. daß das Einschlagen des entgegengesetzten Weges
wirtlich in jene" Abgrund mittelalterlichen Feudalismus mit Lehenswcsen.
Mcisteniahrunge" und Zünften führen würde, welcher der Phantasie unseres
Autors vorschwebt. Wir hallen es für unlogisch, zu behaupten, indem durch
die Verewigung des geistigen Eigenthums die Idee selbst Von demjenigen,
der sich ihrer znerst bemächtigte, gleichsam in Beschlag genommen würde,
müßte folgen, daß man über einen bestimmten Gegenstand außerhalb
eines darüber bereits existirenden und im Alleinbesitze befindlichen Buches nicht
mehr lesen und schreiben, also geradezu außerhalb des Gedankens des Schrift¬
stellers und Eigenthümer" nicht mehr würde denken, ja sogar anders als in
den von der Kirche Vorgeschriebenen Formeln nicht mehr würde beten können.
Wir meinen endlich, es sei wesentlich falsch, zu sagen, daß mit der Anerken¬
nung der Ewigkeit des geistigen Eigenthums das öffentliche Gesammteigentbum
der Ideen geschmälert werden und die möglichst allgemeine Verbreitung


dem Kaisertum jener tiefe innere Zusammenhang bestehe, welchen derselbe an¬
zunehmen geneigt ist. und daß die Aufstellung eines sogenannten Schrift,
eigenthums eine Folge davon sei. daß die Franzosen, wie ihnen der Verfasser
vorwirft, ihre eigene Revolution und die großen Principien derselben nicht
mehr begreifen. Im Gegentheil ist gerade die Anerkennung der Autorrechte
im Sinne eines Vollen Eigenthums ein Wer? und zwar eines der besten eben
dieser Revolution, die damit nur wie auf hundert anderen Punkten ein altes
Unrecht gegen die Künstler und Schriftsteller wieder gut machte und mit einem
Schlage jene Ideen der ewigen Gerechtigkeit verwirklichte, die Jahrhunderte
lang umsonst nach Verwirklichung genügen hatten.

Und noch weniger vermögen wir dem Verfasser beizustimmen, wenn er
schließlich in der geschlichen Anerkennung eines geistigen Eigenthums mit der
Eigenschaft der Unverjährbart'eit die Schöpfung einer neuen Art von Famiiien-
stiftungen, der von ih», so genannten literarischen Majorate erblickt und hieran
die Prophezeiung knüpft, daß in Frankreich — sollte das Gesetz über das gei-
stige Eigenthum angenommen werden — der Sache nach von den Einrichtungen
und Ideen des Jahres 1789 nichts mehr übrig sein und es, um auch die letz¬
ten Spuren der Revolution von französischem Boden zu vertilgen und die Na¬
tion in den Zustand gänzlicher Verdummung und Stagnation zu bringen, der
einer gewissen Partei münschenSwerth scheine, genügen werde, das neue Gesetz
seine Folgen nur erst hervorbringen zu lassen, und sie nach Befinden in das
bulltZtin etc;!? loix einzutragen.

Wir haben zu Anfang hervorgehoben, daß die deutsche Gesetzgebung zur
Zeit ein sogenanntes Schrifteigenthum nicht anerkennt und menschlicher Voraus¬
sicht nach auch in nächster Zeit schwerlich hierzu gelangen wird, und wir wün¬
schen uns hierzu, rein juristisch genommen, aufrichtig Glück, Aber wir können
uns nicht davon überzeugen. daß das Einschlagen des entgegengesetzten Weges
wirtlich in jene» Abgrund mittelalterlichen Feudalismus mit Lehenswcsen.
Mcisteniahrunge» und Zünften führen würde, welcher der Phantasie unseres
Autors vorschwebt. Wir hallen es für unlogisch, zu behaupten, indem durch
die Verewigung des geistigen Eigenthums die Idee selbst Von demjenigen,
der sich ihrer znerst bemächtigte, gleichsam in Beschlag genommen würde,
müßte folgen, daß man über einen bestimmten Gegenstand außerhalb
eines darüber bereits existirenden und im Alleinbesitze befindlichen Buches nicht
mehr lesen und schreiben, also geradezu außerhalb des Gedankens des Schrift¬
stellers und Eigenthümer« nicht mehr würde denken, ja sogar anders als in
den von der Kirche Vorgeschriebenen Formeln nicht mehr würde beten können.
Wir meinen endlich, es sei wesentlich falsch, zu sagen, daß mit der Anerken¬
nung der Ewigkeit des geistigen Eigenthums das öffentliche Gesammteigentbum
der Ideen geschmälert werden und die möglichst allgemeine Verbreitung


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[0285] dem Kaisertum jener tiefe innere Zusammenhang bestehe, welchen derselbe an¬ zunehmen geneigt ist. und daß die Aufstellung eines sogenannten Schrift, eigenthums eine Folge davon sei. daß die Franzosen, wie ihnen der Verfasser vorwirft, ihre eigene Revolution und die großen Principien derselben nicht mehr begreifen. Im Gegentheil ist gerade die Anerkennung der Autorrechte im Sinne eines Vollen Eigenthums ein Wer? und zwar eines der besten eben dieser Revolution, die damit nur wie auf hundert anderen Punkten ein altes Unrecht gegen die Künstler und Schriftsteller wieder gut machte und mit einem Schlage jene Ideen der ewigen Gerechtigkeit verwirklichte, die Jahrhunderte lang umsonst nach Verwirklichung genügen hatten. Und noch weniger vermögen wir dem Verfasser beizustimmen, wenn er schließlich in der geschlichen Anerkennung eines geistigen Eigenthums mit der Eigenschaft der Unverjährbart'eit die Schöpfung einer neuen Art von Famiiien- stiftungen, der von ih», so genannten literarischen Majorate erblickt und hieran die Prophezeiung knüpft, daß in Frankreich — sollte das Gesetz über das gei- stige Eigenthum angenommen werden — der Sache nach von den Einrichtungen und Ideen des Jahres 1789 nichts mehr übrig sein und es, um auch die letz¬ ten Spuren der Revolution von französischem Boden zu vertilgen und die Na¬ tion in den Zustand gänzlicher Verdummung und Stagnation zu bringen, der einer gewissen Partei münschenSwerth scheine, genügen werde, das neue Gesetz seine Folgen nur erst hervorbringen zu lassen, und sie nach Befinden in das bulltZtin etc;!? loix einzutragen. Wir haben zu Anfang hervorgehoben, daß die deutsche Gesetzgebung zur Zeit ein sogenanntes Schrifteigenthum nicht anerkennt und menschlicher Voraus¬ sicht nach auch in nächster Zeit schwerlich hierzu gelangen wird, und wir wün¬ schen uns hierzu, rein juristisch genommen, aufrichtig Glück, Aber wir können uns nicht davon überzeugen. daß das Einschlagen des entgegengesetzten Weges wirtlich in jene» Abgrund mittelalterlichen Feudalismus mit Lehenswcsen. Mcisteniahrunge» und Zünften führen würde, welcher der Phantasie unseres Autors vorschwebt. Wir hallen es für unlogisch, zu behaupten, indem durch die Verewigung des geistigen Eigenthums die Idee selbst Von demjenigen, der sich ihrer znerst bemächtigte, gleichsam in Beschlag genommen würde, müßte folgen, daß man über einen bestimmten Gegenstand außerhalb eines darüber bereits existirenden und im Alleinbesitze befindlichen Buches nicht mehr lesen und schreiben, also geradezu außerhalb des Gedankens des Schrift¬ stellers und Eigenthümer« nicht mehr würde denken, ja sogar anders als in den von der Kirche Vorgeschriebenen Formeln nicht mehr würde beten können. Wir meinen endlich, es sei wesentlich falsch, zu sagen, daß mit der Anerken¬ nung der Ewigkeit des geistigen Eigenthums das öffentliche Gesammteigentbum der Ideen geschmälert werden und die möglichst allgemeine Verbreitung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/285>, abgerufen am 22.11.2024.