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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Gaudy, der diese wohlverbürgte und in ihrer Art durchaus nicht allein¬
stehende") Geschichte poetisch bearbeitet hat, stand längere Zeit zu KoSmin als
preußischer Cavallerieofsizier in Garnison. Wie erwähnt, sollen fortan in dem
Fürstenschlosse die künftigen Volksschullehrer erzogen werden, die große Kirche
ist zu diesem Zwecke erheblich verkleinert worden. Wann aber die neue Anstalt
ins Leben treten soll, weiß bis jetzt noch Niemand. Nehmen Sie ein neues
Zeugniß für die Haltlosigkeit der Klagen, welche pvlnischerseits gegen die
Provinzialverwaltung erhoben werden. Unter den 2,964 Volksschullehrern un¬
serer Provinz sind etwa 1,250 evangelische und 1,600 katholische. Für Letztere
sorgen zwei Seminare mit dreijährigem, für Erstere eins mit zweijährigem
Cursus. 1856 kaufte Herr v. Puttkammer das Gebäude zu dem zweiten
evangelischen Seminar für 10,000 Thlr. Es war noch nicht möglich, seine
baldige Eröffnung herbeizuführen, während inzwischen den Katholiken mit einem
Aufwande von 100,000 Thlr. ein drittes Seminar zu Exin errichtet ward,
dessen Benutzung sie wahrscheinlich werden ablehnen müssen, weil sie schon
jetzt Ueberfluß an Lehrern haben.

Oestlich von Ko^min treffen wir das kleine Dobvzyca, ein gewerbloscs ziemlich
polnisches Städtchen mit 1,050 Einwohnern. Bei der Stadt liegt ein reizendes
Magnatenschlvß, in stumpfwinkligen Hufeisen gebaut, mit hoher breiter Stein-
treppe, welche den ganzen innern Raum des Hufeisens einnimmt, mit Balkon
und stattlicher Säulenzicr. Der gegenwärtige Besitzer hat Park und Garten
geschmackvoll eingerichtet, das etwas wüst übernommene Schloß resiaurirt, ohne
an seinem Styl zu ändern und ihm auch den innern Schmuck von Oelgemälden
aus der polnischen Königszeit erhalten. Sie könnten da einen kleinen Cursus
polnischer Nationalgeschichte durchmachen. Dvbrzyca wurde vor etwa dreißig
Jahren von dem Baron v. Kottwitz erworben, dessen Stammgüter im Kreise
Bomst lagen, einem der originellsten Männer in unserer Provinz. Wer den
kleinen Mann in seiner äußeren Erscheinung, welche die allcrnicdrigstc Tonart
der Genügsamkeit anschlug, in seinem leblmflen Geschäftsverkehr mit Juden lind
Polen, Papiere in allen seinen Taschen, einhergehen oder in dürftigem Gespann
fahren sah. der errieth in ihm weder den Edelmann, noch den edlen Mann.
Und dennoch war er durch und durch ein solcher. Wie er als kleiner Knabe,
nachdem er den Spruch: "Eure Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein, was darüber
ist. das ist vom Uebel" gelesen hatte, sofort die Rede einstellte, Tage lang
schwieg und erst, als die Eltern den Gr>und seines Bcrstuminens errathen
hatten, sich von ihnen bestimmen ließ, wieder zu sprechen, so hat er zu jeder
Zeit gethan, was ihm als ein göttliches Gebot erschien. Als Jüngling ward



') Der Oberst Szet'clyi im Kreise Iueimaclaw lieferte ums Jahr 1765 ein Seitenstück.

Gaudy, der diese wohlverbürgte und in ihrer Art durchaus nicht allein¬
stehende") Geschichte poetisch bearbeitet hat, stand längere Zeit zu KoSmin als
preußischer Cavallerieofsizier in Garnison. Wie erwähnt, sollen fortan in dem
Fürstenschlosse die künftigen Volksschullehrer erzogen werden, die große Kirche
ist zu diesem Zwecke erheblich verkleinert worden. Wann aber die neue Anstalt
ins Leben treten soll, weiß bis jetzt noch Niemand. Nehmen Sie ein neues
Zeugniß für die Haltlosigkeit der Klagen, welche pvlnischerseits gegen die
Provinzialverwaltung erhoben werden. Unter den 2,964 Volksschullehrern un¬
serer Provinz sind etwa 1,250 evangelische und 1,600 katholische. Für Letztere
sorgen zwei Seminare mit dreijährigem, für Erstere eins mit zweijährigem
Cursus. 1856 kaufte Herr v. Puttkammer das Gebäude zu dem zweiten
evangelischen Seminar für 10,000 Thlr. Es war noch nicht möglich, seine
baldige Eröffnung herbeizuführen, während inzwischen den Katholiken mit einem
Aufwande von 100,000 Thlr. ein drittes Seminar zu Exin errichtet ward,
dessen Benutzung sie wahrscheinlich werden ablehnen müssen, weil sie schon
jetzt Ueberfluß an Lehrern haben.

Oestlich von Ko^min treffen wir das kleine Dobvzyca, ein gewerbloscs ziemlich
polnisches Städtchen mit 1,050 Einwohnern. Bei der Stadt liegt ein reizendes
Magnatenschlvß, in stumpfwinkligen Hufeisen gebaut, mit hoher breiter Stein-
treppe, welche den ganzen innern Raum des Hufeisens einnimmt, mit Balkon
und stattlicher Säulenzicr. Der gegenwärtige Besitzer hat Park und Garten
geschmackvoll eingerichtet, das etwas wüst übernommene Schloß resiaurirt, ohne
an seinem Styl zu ändern und ihm auch den innern Schmuck von Oelgemälden
aus der polnischen Königszeit erhalten. Sie könnten da einen kleinen Cursus
polnischer Nationalgeschichte durchmachen. Dvbrzyca wurde vor etwa dreißig
Jahren von dem Baron v. Kottwitz erworben, dessen Stammgüter im Kreise
Bomst lagen, einem der originellsten Männer in unserer Provinz. Wer den
kleinen Mann in seiner äußeren Erscheinung, welche die allcrnicdrigstc Tonart
der Genügsamkeit anschlug, in seinem leblmflen Geschäftsverkehr mit Juden lind
Polen, Papiere in allen seinen Taschen, einhergehen oder in dürftigem Gespann
fahren sah. der errieth in ihm weder den Edelmann, noch den edlen Mann.
Und dennoch war er durch und durch ein solcher. Wie er als kleiner Knabe,
nachdem er den Spruch: „Eure Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein, was darüber
ist. das ist vom Uebel" gelesen hatte, sofort die Rede einstellte, Tage lang
schwieg und erst, als die Eltern den Gr>und seines Bcrstuminens errathen
hatten, sich von ihnen bestimmen ließ, wieder zu sprechen, so hat er zu jeder
Zeit gethan, was ihm als ein göttliches Gebot erschien. Als Jüngling ward



') Der Oberst Szet'clyi im Kreise Iueimaclaw lieferte ums Jahr 1765 ein Seitenstück.
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[0172] Gaudy, der diese wohlverbürgte und in ihrer Art durchaus nicht allein¬ stehende") Geschichte poetisch bearbeitet hat, stand längere Zeit zu KoSmin als preußischer Cavallerieofsizier in Garnison. Wie erwähnt, sollen fortan in dem Fürstenschlosse die künftigen Volksschullehrer erzogen werden, die große Kirche ist zu diesem Zwecke erheblich verkleinert worden. Wann aber die neue Anstalt ins Leben treten soll, weiß bis jetzt noch Niemand. Nehmen Sie ein neues Zeugniß für die Haltlosigkeit der Klagen, welche pvlnischerseits gegen die Provinzialverwaltung erhoben werden. Unter den 2,964 Volksschullehrern un¬ serer Provinz sind etwa 1,250 evangelische und 1,600 katholische. Für Letztere sorgen zwei Seminare mit dreijährigem, für Erstere eins mit zweijährigem Cursus. 1856 kaufte Herr v. Puttkammer das Gebäude zu dem zweiten evangelischen Seminar für 10,000 Thlr. Es war noch nicht möglich, seine baldige Eröffnung herbeizuführen, während inzwischen den Katholiken mit einem Aufwande von 100,000 Thlr. ein drittes Seminar zu Exin errichtet ward, dessen Benutzung sie wahrscheinlich werden ablehnen müssen, weil sie schon jetzt Ueberfluß an Lehrern haben. Oestlich von Ko^min treffen wir das kleine Dobvzyca, ein gewerbloscs ziemlich polnisches Städtchen mit 1,050 Einwohnern. Bei der Stadt liegt ein reizendes Magnatenschlvß, in stumpfwinkligen Hufeisen gebaut, mit hoher breiter Stein- treppe, welche den ganzen innern Raum des Hufeisens einnimmt, mit Balkon und stattlicher Säulenzicr. Der gegenwärtige Besitzer hat Park und Garten geschmackvoll eingerichtet, das etwas wüst übernommene Schloß resiaurirt, ohne an seinem Styl zu ändern und ihm auch den innern Schmuck von Oelgemälden aus der polnischen Königszeit erhalten. Sie könnten da einen kleinen Cursus polnischer Nationalgeschichte durchmachen. Dvbrzyca wurde vor etwa dreißig Jahren von dem Baron v. Kottwitz erworben, dessen Stammgüter im Kreise Bomst lagen, einem der originellsten Männer in unserer Provinz. Wer den kleinen Mann in seiner äußeren Erscheinung, welche die allcrnicdrigstc Tonart der Genügsamkeit anschlug, in seinem leblmflen Geschäftsverkehr mit Juden lind Polen, Papiere in allen seinen Taschen, einhergehen oder in dürftigem Gespann fahren sah. der errieth in ihm weder den Edelmann, noch den edlen Mann. Und dennoch war er durch und durch ein solcher. Wie er als kleiner Knabe, nachdem er den Spruch: „Eure Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein, was darüber ist. das ist vom Uebel" gelesen hatte, sofort die Rede einstellte, Tage lang schwieg und erst, als die Eltern den Gr>und seines Bcrstuminens errathen hatten, sich von ihnen bestimmen ließ, wieder zu sprechen, so hat er zu jeder Zeit gethan, was ihm als ein göttliches Gebot erschien. Als Jüngling ward ') Der Oberst Szet'clyi im Kreise Iueimaclaw lieferte ums Jahr 1765 ein Seitenstück.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/172>, abgerufen am 27.11.2024.