Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurnik fortsetzen, bei günstiger Beleuchtung sieht. Dichter Laubwald, der
tausendstimmig widertönt, umsäumt die Ränder des einen; der andere umgibt
die kleine Insel, auf der einst Graf Naczhnsti ein gastlich eingerichtetes Sommer¬
haus unterhielt, und die durch den Tod dieses seltenen Mannes eine traurige
Berühmtheit erlangt hat. Auch da im Osten des Bromverger Departements,
wo die größte Monotonie der Landschaft das Auge ermüdet, wird es angenehm
überrascht, wenn es dem langen Zuge der weithin schimmernden Gewässer be¬
gegnet, durch welche sich die Netze und ihre Zuflüsse winden. Aber nicht alle
unsere Seeen sind blos vornehme "Teiche". Ihrer 27 haben gerechten Anspruch
auf den Namen See, denn sie zeigen das Normalmcch von mehr als 300 Mor¬
gen. Einige von ihnen haben dann noch ihre Inseln, und darauf auch wo.si
menschliche Wohnungen. Auch sie sind ziemlich über die ganze Provinz ver¬
theilt , doch sind die Stromgebiete der Netze und der Obra besonders reich an
ihnen. Von denen, die ersterer angehören, ist der Goplosec der größte und
merkwürdigste. Er ist 3^ Meilen lang, aber wie der obenerwähnte Trlong-
see unverhältnißmäßig schmal, so daß er doch nur eine Fläche von ^ ^ Mei¬
len einnimmt. Sein Süden streckt sich Meile lang in das "Königreich".
Von seinen Inseln haben besonders Sicnganow und Potrzymiechy ebenso wie
die Seeufer prächtige Wiesen, die den Bewohnern der vielen umliegenden Dör¬
fer reichlichen Unterhalt gewähren.

Der Goplosee hat übrigens bessere Tage gesehen. König (Herzog?) Po-
Piel der Erste verlegte vor mehr als tausend Jahren seine Residenz von Gnesen-
nach Kruschwitz am Nordwestende des Sees (heute ein Städtchen von S91 See¬
len). Sein Sohn Popiel der Zweite überbot die Bosheit und Nichtswürdig¬
keit seines Vaters und ward auf Anstiften seines Weibes zum Mörder seiner
Vettern. Aber aus den Leichen derselben erwuchsen Mäuse, welche den Wüthe¬
rich ganz so verfolgten, wie ihre Stammverwandten seiner Zeit den Bischof
Hatto von Mainz. Der Mäusethurm aus dem Goptvsee, vielleicht die Ruine
eines Leuchtthurmes, sieht nun als ein Warnungszeichen ins Land. Ob die
deutsche und die polnische Sage unabhängig von einander entstanden oder
welche die ältere sei, wäre interessant zu untersuchen. Bald nach Popiels
Tode bewirtheten dann Piast, ein Landmann in der Gegend von Kruschwitz,
Mit seiner Frau Nzepicha zwei Engel mit Meth und Schweinefleisch und wur¬
den zum Lohn dafür aus den Thron erhoben. Kruschwitz ward Residenz und
später auch der Sitz des Bischofs von Kujawien. Im Jahre 1863 soll dort
das tausendjährige Jubiläum gefeiert werden.

Einen letzten Beleg für unsre Voraussetzung früherer Erdrevolutionen
geben endlich die mineralischen Bestandtheile des Bodens. Die Braunkohle
wird an den Ufern der Netze, unsern Wvlskv, d. h. an dem alten verlassenen
Weichselbett, an den Ufern des Braheflusses bei Stopka, in der Nähe von


Kurnik fortsetzen, bei günstiger Beleuchtung sieht. Dichter Laubwald, der
tausendstimmig widertönt, umsäumt die Ränder des einen; der andere umgibt
die kleine Insel, auf der einst Graf Naczhnsti ein gastlich eingerichtetes Sommer¬
haus unterhielt, und die durch den Tod dieses seltenen Mannes eine traurige
Berühmtheit erlangt hat. Auch da im Osten des Bromverger Departements,
wo die größte Monotonie der Landschaft das Auge ermüdet, wird es angenehm
überrascht, wenn es dem langen Zuge der weithin schimmernden Gewässer be¬
gegnet, durch welche sich die Netze und ihre Zuflüsse winden. Aber nicht alle
unsere Seeen sind blos vornehme „Teiche". Ihrer 27 haben gerechten Anspruch
auf den Namen See, denn sie zeigen das Normalmcch von mehr als 300 Mor¬
gen. Einige von ihnen haben dann noch ihre Inseln, und darauf auch wo.si
menschliche Wohnungen. Auch sie sind ziemlich über die ganze Provinz ver¬
theilt , doch sind die Stromgebiete der Netze und der Obra besonders reich an
ihnen. Von denen, die ersterer angehören, ist der Goplosec der größte und
merkwürdigste. Er ist 3^ Meilen lang, aber wie der obenerwähnte Trlong-
see unverhältnißmäßig schmal, so daß er doch nur eine Fläche von ^ ^ Mei¬
len einnimmt. Sein Süden streckt sich Meile lang in das „Königreich".
Von seinen Inseln haben besonders Sicnganow und Potrzymiechy ebenso wie
die Seeufer prächtige Wiesen, die den Bewohnern der vielen umliegenden Dör¬
fer reichlichen Unterhalt gewähren.

Der Goplosee hat übrigens bessere Tage gesehen. König (Herzog?) Po-
Piel der Erste verlegte vor mehr als tausend Jahren seine Residenz von Gnesen-
nach Kruschwitz am Nordwestende des Sees (heute ein Städtchen von S91 See¬
len). Sein Sohn Popiel der Zweite überbot die Bosheit und Nichtswürdig¬
keit seines Vaters und ward auf Anstiften seines Weibes zum Mörder seiner
Vettern. Aber aus den Leichen derselben erwuchsen Mäuse, welche den Wüthe¬
rich ganz so verfolgten, wie ihre Stammverwandten seiner Zeit den Bischof
Hatto von Mainz. Der Mäusethurm aus dem Goptvsee, vielleicht die Ruine
eines Leuchtthurmes, sieht nun als ein Warnungszeichen ins Land. Ob die
deutsche und die polnische Sage unabhängig von einander entstanden oder
welche die ältere sei, wäre interessant zu untersuchen. Bald nach Popiels
Tode bewirtheten dann Piast, ein Landmann in der Gegend von Kruschwitz,
Mit seiner Frau Nzepicha zwei Engel mit Meth und Schweinefleisch und wur¬
den zum Lohn dafür aus den Thron erhoben. Kruschwitz ward Residenz und
später auch der Sitz des Bischofs von Kujawien. Im Jahre 1863 soll dort
das tausendjährige Jubiläum gefeiert werden.

Einen letzten Beleg für unsre Voraussetzung früherer Erdrevolutionen
geben endlich die mineralischen Bestandtheile des Bodens. Die Braunkohle
wird an den Ufern der Netze, unsern Wvlskv, d. h. an dem alten verlassenen
Weichselbett, an den Ufern des Braheflusses bei Stopka, in der Nähe von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187629"/>
            <p xml:id="ID_515" prev="#ID_514"> Kurnik fortsetzen, bei günstiger Beleuchtung sieht. Dichter Laubwald, der<lb/>
tausendstimmig widertönt, umsäumt die Ränder des einen; der andere umgibt<lb/>
die kleine Insel, auf der einst Graf Naczhnsti ein gastlich eingerichtetes Sommer¬<lb/>
haus unterhielt, und die durch den Tod dieses seltenen Mannes eine traurige<lb/>
Berühmtheit erlangt hat. Auch da im Osten des Bromverger Departements,<lb/>
wo die größte Monotonie der Landschaft das Auge ermüdet, wird es angenehm<lb/>
überrascht, wenn es dem langen Zuge der weithin schimmernden Gewässer be¬<lb/>
gegnet, durch welche sich die Netze und ihre Zuflüsse winden. Aber nicht alle<lb/>
unsere Seeen sind blos vornehme &#x201E;Teiche". Ihrer 27 haben gerechten Anspruch<lb/>
auf den Namen See, denn sie zeigen das Normalmcch von mehr als 300 Mor¬<lb/>
gen. Einige von ihnen haben dann noch ihre Inseln, und darauf auch wo.si<lb/>
menschliche Wohnungen. Auch sie sind ziemlich über die ganze Provinz ver¬<lb/>
theilt , doch sind die Stromgebiete der Netze und der Obra besonders reich an<lb/>
ihnen. Von denen, die ersterer angehören, ist der Goplosec der größte und<lb/>
merkwürdigste. Er ist 3^ Meilen lang, aber wie der obenerwähnte Trlong-<lb/>
see unverhältnißmäßig schmal, so daß er doch nur eine Fläche von ^ ^ Mei¬<lb/>
len einnimmt. Sein Süden streckt sich Meile lang in das &#x201E;Königreich".<lb/>
Von seinen Inseln haben besonders Sicnganow und Potrzymiechy ebenso wie<lb/>
die Seeufer prächtige Wiesen, die den Bewohnern der vielen umliegenden Dör¬<lb/>
fer reichlichen Unterhalt gewähren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_516"> Der Goplosee hat übrigens bessere Tage gesehen. König (Herzog?) Po-<lb/>
Piel der Erste verlegte vor mehr als tausend Jahren seine Residenz von Gnesen-<lb/>
nach Kruschwitz am Nordwestende des Sees (heute ein Städtchen von S91 See¬<lb/>
len). Sein Sohn Popiel der Zweite überbot die Bosheit und Nichtswürdig¬<lb/>
keit seines Vaters und ward auf Anstiften seines Weibes zum Mörder seiner<lb/>
Vettern. Aber aus den Leichen derselben erwuchsen Mäuse, welche den Wüthe¬<lb/>
rich ganz so verfolgten, wie ihre Stammverwandten seiner Zeit den Bischof<lb/>
Hatto von Mainz. Der Mäusethurm aus dem Goptvsee, vielleicht die Ruine<lb/>
eines Leuchtthurmes, sieht nun als ein Warnungszeichen ins Land. Ob die<lb/>
deutsche und die polnische Sage unabhängig von einander entstanden oder<lb/>
welche die ältere sei, wäre interessant zu untersuchen. Bald nach Popiels<lb/>
Tode bewirtheten dann Piast, ein Landmann in der Gegend von Kruschwitz,<lb/>
Mit seiner Frau Nzepicha zwei Engel mit Meth und Schweinefleisch und wur¬<lb/>
den zum Lohn dafür aus den Thron erhoben. Kruschwitz ward Residenz und<lb/>
später auch der Sitz des Bischofs von Kujawien. Im Jahre 1863 soll dort<lb/>
das tausendjährige Jubiläum gefeiert werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_517" next="#ID_518"> Einen letzten Beleg für unsre Voraussetzung früherer Erdrevolutionen<lb/>
geben endlich die mineralischen Bestandtheile des Bodens. Die Braunkohle<lb/>
wird an den Ufern der Netze, unsern Wvlskv, d. h. an dem alten verlassenen<lb/>
Weichselbett, an den Ufern des Braheflusses bei Stopka, in der Nähe von</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Kurnik fortsetzen, bei günstiger Beleuchtung sieht. Dichter Laubwald, der tausendstimmig widertönt, umsäumt die Ränder des einen; der andere umgibt die kleine Insel, auf der einst Graf Naczhnsti ein gastlich eingerichtetes Sommer¬ haus unterhielt, und die durch den Tod dieses seltenen Mannes eine traurige Berühmtheit erlangt hat. Auch da im Osten des Bromverger Departements, wo die größte Monotonie der Landschaft das Auge ermüdet, wird es angenehm überrascht, wenn es dem langen Zuge der weithin schimmernden Gewässer be¬ gegnet, durch welche sich die Netze und ihre Zuflüsse winden. Aber nicht alle unsere Seeen sind blos vornehme „Teiche". Ihrer 27 haben gerechten Anspruch auf den Namen See, denn sie zeigen das Normalmcch von mehr als 300 Mor¬ gen. Einige von ihnen haben dann noch ihre Inseln, und darauf auch wo.si menschliche Wohnungen. Auch sie sind ziemlich über die ganze Provinz ver¬ theilt , doch sind die Stromgebiete der Netze und der Obra besonders reich an ihnen. Von denen, die ersterer angehören, ist der Goplosec der größte und merkwürdigste. Er ist 3^ Meilen lang, aber wie der obenerwähnte Trlong- see unverhältnißmäßig schmal, so daß er doch nur eine Fläche von ^ ^ Mei¬ len einnimmt. Sein Süden streckt sich Meile lang in das „Königreich". Von seinen Inseln haben besonders Sicnganow und Potrzymiechy ebenso wie die Seeufer prächtige Wiesen, die den Bewohnern der vielen umliegenden Dör¬ fer reichlichen Unterhalt gewähren. Der Goplosee hat übrigens bessere Tage gesehen. König (Herzog?) Po- Piel der Erste verlegte vor mehr als tausend Jahren seine Residenz von Gnesen- nach Kruschwitz am Nordwestende des Sees (heute ein Städtchen von S91 See¬ len). Sein Sohn Popiel der Zweite überbot die Bosheit und Nichtswürdig¬ keit seines Vaters und ward auf Anstiften seines Weibes zum Mörder seiner Vettern. Aber aus den Leichen derselben erwuchsen Mäuse, welche den Wüthe¬ rich ganz so verfolgten, wie ihre Stammverwandten seiner Zeit den Bischof Hatto von Mainz. Der Mäusethurm aus dem Goptvsee, vielleicht die Ruine eines Leuchtthurmes, sieht nun als ein Warnungszeichen ins Land. Ob die deutsche und die polnische Sage unabhängig von einander entstanden oder welche die ältere sei, wäre interessant zu untersuchen. Bald nach Popiels Tode bewirtheten dann Piast, ein Landmann in der Gegend von Kruschwitz, Mit seiner Frau Nzepicha zwei Engel mit Meth und Schweinefleisch und wur¬ den zum Lohn dafür aus den Thron erhoben. Kruschwitz ward Residenz und später auch der Sitz des Bischofs von Kujawien. Im Jahre 1863 soll dort das tausendjährige Jubiläum gefeiert werden. Einen letzten Beleg für unsre Voraussetzung früherer Erdrevolutionen geben endlich die mineralischen Bestandtheile des Bodens. Die Braunkohle wird an den Ufern der Netze, unsern Wvlskv, d. h. an dem alten verlassenen Weichselbett, an den Ufern des Braheflusses bei Stopka, in der Nähe von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/135>, abgerufen am 28.11.2024.