Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.Doch nickt nur im Felde, sondern auch in vielen andern Fällen bezeigte Ein großer Nachtheil war jedenfalls auch die gänzliche Trennung der Doch nickt nur im Felde, sondern auch in vielen andern Fällen bezeigte Ein großer Nachtheil war jedenfalls auch die gänzliche Trennung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187616"/> <p xml:id="ID_473"> Doch nickt nur im Felde, sondern auch in vielen andern Fällen bezeigte<lb/> ein großer Theil der Artilleuevffiziere eine ähnliche Lauheit oder, wenn sie<lb/> auch ihren Dienst gewissenhaft verrichteten, nur ein geringes Vorwärtsstreben.<lb/> Und es konnte auch nicht anders sein. Sowie die höchste Tapferkeit im gün¬<lb/> stigsten Falle nur mit einem Orden, nie aber durch Beförderung belohnt<lb/> wurde, so hatte auch derjenige, weicher sich durch den regsten und erfolgreichsten<lb/> Diensteifer oder durch die ausgezeichnetsten Leistungen auf dem Gebiete der<lb/> Wissenschaft hervorthat, keine Bevorzugung zu erwarten. Jeder avancirte nach<lb/> seiner Rangstour, mochte er nun eifrig oder träge, kenntnißreich oder ungebildet<lb/> sein, und nur zuweilen machte man eine Ausnahme, indem man ein Indivi¬<lb/> duum, dessen moralische Gebrechen allzu auffallend waren, für einige Zeit von<lb/> der Beförderung ausschloß. So kam es denn, daß selbst der neubeförderte<lb/> Offizier, sich von einem durch so lange Zeit erduldeten Zwange befreit fühlend,<lb/> fürs Erste die nunmehr erlangte größere Selbständigkeit und Freiheit recht zu<lb/> genießen suchte, dadurch aber aus der gewohnten Thätigkeit herauskam und<lb/> selbst in dem anfänglich bewiesenen Eifer bei der Verrichtung seiner gewöhn¬<lb/> lichen Dienstobliegenheiten erkaltete, Er wußte, daß eine erhöhte Thätigkeit<lb/> und das Streben nach einer noch umfassenderen Ausbildung ihm keinen son¬<lb/> derlichen Vortheil bringen konnte. Wozu sollte er, der seine Stellung so mühe¬<lb/> voll erreicht und — ohne einen eigenen Antrieb zum Studium zu besitzen —<lb/> nur darum das Nothwendigste gelernt hatte, um Offizier zu werden, jetzt in<lb/> seinen reiferen Jahren sich abermals abmühen und Plagen, da er ja sogar<lb/> befürchten mußte, seine Bemühungen übel gedeutet zu sehen. Vorschläge, welche<lb/> eine wirkliche Verbesserung des bestehenden Systems bezweckten, wurden über¬<lb/> haupt selten und dann nur in dem Falle angenommen, wenn sie von einer<lb/> höher gestellten Persönlichkeit ausgingen; daher wurde selbst der Strebsamste<lb/> davon abgeschreckt, sür die Vervollkommnung seiner Waffe zu wirken. Die<lb/> schriftstellerische Thätigkeit, welche in der östreichischen Armee überhaupt nicht<lb/> bedeutend war und auch nicht besonders günstig aufgenommen wurde, war<lb/> überaus spärlich und beschränkte sich mit wenigen ehrenvollen Ausnahmen nur<lb/> auf die erbärmlichste Eompilation und Abschreibern.</p><lb/> <p xml:id="ID_474"> Ein großer Nachtheil war jedenfalls auch die gänzliche Trennung der<lb/> Artillerie von ihrer Bespannung, Man schenkte dem hippologischen Fache,<lb/> diesem so wichtigen Zweige der heutigen Artilleriewissenschaft, so viel wie gar<lb/> keine Beachtung, und stand in dieser Beziehung.noch ganz auf dem Stand¬<lb/> punkte jener Zeit, in welcher die Kanonen durch Ochsen auf das Schlachtfeld<lb/> geschleppt und dort stehen gelassen wurden. Man hielt es für genügend, wenn<lb/> der Kanonier gut laden und zielen konnte und der Offizier ein Adept in der<lb/> Kriegspyrotechnik, ein tüchtiger Mathematiker und aller die Bedienung der<lb/> Geschütze betreffenden Handgriffe wohl kundig war.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Doch nickt nur im Felde, sondern auch in vielen andern Fällen bezeigte
ein großer Theil der Artilleuevffiziere eine ähnliche Lauheit oder, wenn sie
auch ihren Dienst gewissenhaft verrichteten, nur ein geringes Vorwärtsstreben.
Und es konnte auch nicht anders sein. Sowie die höchste Tapferkeit im gün¬
stigsten Falle nur mit einem Orden, nie aber durch Beförderung belohnt
wurde, so hatte auch derjenige, weicher sich durch den regsten und erfolgreichsten
Diensteifer oder durch die ausgezeichnetsten Leistungen auf dem Gebiete der
Wissenschaft hervorthat, keine Bevorzugung zu erwarten. Jeder avancirte nach
seiner Rangstour, mochte er nun eifrig oder träge, kenntnißreich oder ungebildet
sein, und nur zuweilen machte man eine Ausnahme, indem man ein Indivi¬
duum, dessen moralische Gebrechen allzu auffallend waren, für einige Zeit von
der Beförderung ausschloß. So kam es denn, daß selbst der neubeförderte
Offizier, sich von einem durch so lange Zeit erduldeten Zwange befreit fühlend,
fürs Erste die nunmehr erlangte größere Selbständigkeit und Freiheit recht zu
genießen suchte, dadurch aber aus der gewohnten Thätigkeit herauskam und
selbst in dem anfänglich bewiesenen Eifer bei der Verrichtung seiner gewöhn¬
lichen Dienstobliegenheiten erkaltete, Er wußte, daß eine erhöhte Thätigkeit
und das Streben nach einer noch umfassenderen Ausbildung ihm keinen son¬
derlichen Vortheil bringen konnte. Wozu sollte er, der seine Stellung so mühe¬
voll erreicht und — ohne einen eigenen Antrieb zum Studium zu besitzen —
nur darum das Nothwendigste gelernt hatte, um Offizier zu werden, jetzt in
seinen reiferen Jahren sich abermals abmühen und Plagen, da er ja sogar
befürchten mußte, seine Bemühungen übel gedeutet zu sehen. Vorschläge, welche
eine wirkliche Verbesserung des bestehenden Systems bezweckten, wurden über¬
haupt selten und dann nur in dem Falle angenommen, wenn sie von einer
höher gestellten Persönlichkeit ausgingen; daher wurde selbst der Strebsamste
davon abgeschreckt, sür die Vervollkommnung seiner Waffe zu wirken. Die
schriftstellerische Thätigkeit, welche in der östreichischen Armee überhaupt nicht
bedeutend war und auch nicht besonders günstig aufgenommen wurde, war
überaus spärlich und beschränkte sich mit wenigen ehrenvollen Ausnahmen nur
auf die erbärmlichste Eompilation und Abschreibern.
Ein großer Nachtheil war jedenfalls auch die gänzliche Trennung der
Artillerie von ihrer Bespannung, Man schenkte dem hippologischen Fache,
diesem so wichtigen Zweige der heutigen Artilleriewissenschaft, so viel wie gar
keine Beachtung, und stand in dieser Beziehung.noch ganz auf dem Stand¬
punkte jener Zeit, in welcher die Kanonen durch Ochsen auf das Schlachtfeld
geschleppt und dort stehen gelassen wurden. Man hielt es für genügend, wenn
der Kanonier gut laden und zielen konnte und der Offizier ein Adept in der
Kriegspyrotechnik, ein tüchtiger Mathematiker und aller die Bedienung der
Geschütze betreffenden Handgriffe wohl kundig war.
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