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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Die östreichische Artillerie.
' 1.

"Die Oestreicher sind uns weit zuvorgekommen, wir werden zu thun ha¬
ben . sie einzuholen, wenn ihr Fußvolk mit der Artillerie und der Reiterei
gleichen Schritt hält; ich wollte, es hätte sich auch bei mir ein Liechtenstein ge¬
funden!" So soll Friedrich der Große kurz vor dem Ausbruche des sieben¬
jährigen Krieges sich geäußert haben. Und er hatte Recht!

Von Napoleon dem Ersten aber wird erzählt, daß er erklärt habe: "wer
die französische Infanterie, die russische Cavallerie und die östreichische Artillerie
besäße, könnte die ganze Weit erobern." Gegenwärtig würden indeß die Ur¬
theile dieser beiden großen Feldherrn kaum so günstig lauten.

Die östreichische Artillerie, ein aus den Geschützcontingenten der verschie¬
denen Provinzen und den kläglichen Zuflüssen des römischen Reiches bunt ge¬
nug zusammengestöppeltes Wesen, während der kraftlosen Regierung Karls des
Sechsten noch mehr herabgekommen. befand sich bei dem Regierungsantritte
Maria Theresias in einem Zustande, welcher um Weniges besser als jener zur
Zeit des Herzogs von Friedland sein mochte.

Aber die geniale Kaiserin, welche nur in der Wahl ihrer Feldherren nicht
glücklich war, aber für die Leitung der Politik einen Kaunitz und für die
übrigen Zweige der Staatsverwaltung die gediegensten Kräfte zu finden wußte,
wählte auch für ihre Artillerie in dem Fürsten Wenzel Liechtenstein den passend¬
sten Mann. Er war der Neorganisator. oder besser gesagt, der Schöpfer der
östreichischen Artillerie; denn vor ihm hatte eine solche eigentlich gar nicht exi-
stirt. Es ist fast unglaublich, was er während seiner achtzehnjährigen Amts¬
thätigkeit (von 1764--1772) leistete, und das Denkmal, weiches die Kaiserin
dem Fürsten in dem Waffensaale des Wiener Zeughauses setzen ließ, zeigte,
daß die Monarchin den Werth dieses Mannes auch nach seinem Tode an¬
erkannte. Zu jener Zeit kam es nur selten vor, daß Souveräne ihren Unter¬
thanen Denkmale setzten!

Der bekannte preußische Artillcriegeneral und Militärschriftsteller v. Decker
sagt: "Liechtenstein, welcher seiner Zeit um mindestens ein halbes Jahrhundert
vorangeeilt war, machte die östreichische Artillerie zur ersten in Europa."

> Liechtensteins Nachfolger, der Feldmarschall Fürst Kinsky bekleidete den
Posten eines Artilleriedircctvrs durch kein volles Jahrzehnt und hatte mit der
Durchführung der von Liechtenstein hinterlassenen Entwürfe vollauf zu thun.
Er vollendete nur das Werk, welches jener entworfen und auch bereits zum
größten Theile ausgeführt hatte.


Die östreichische Artillerie.
' 1.

„Die Oestreicher sind uns weit zuvorgekommen, wir werden zu thun ha¬
ben . sie einzuholen, wenn ihr Fußvolk mit der Artillerie und der Reiterei
gleichen Schritt hält; ich wollte, es hätte sich auch bei mir ein Liechtenstein ge¬
funden!" So soll Friedrich der Große kurz vor dem Ausbruche des sieben¬
jährigen Krieges sich geäußert haben. Und er hatte Recht!

Von Napoleon dem Ersten aber wird erzählt, daß er erklärt habe: „wer
die französische Infanterie, die russische Cavallerie und die östreichische Artillerie
besäße, könnte die ganze Weit erobern." Gegenwärtig würden indeß die Ur¬
theile dieser beiden großen Feldherrn kaum so günstig lauten.

Die östreichische Artillerie, ein aus den Geschützcontingenten der verschie¬
denen Provinzen und den kläglichen Zuflüssen des römischen Reiches bunt ge¬
nug zusammengestöppeltes Wesen, während der kraftlosen Regierung Karls des
Sechsten noch mehr herabgekommen. befand sich bei dem Regierungsantritte
Maria Theresias in einem Zustande, welcher um Weniges besser als jener zur
Zeit des Herzogs von Friedland sein mochte.

Aber die geniale Kaiserin, welche nur in der Wahl ihrer Feldherren nicht
glücklich war, aber für die Leitung der Politik einen Kaunitz und für die
übrigen Zweige der Staatsverwaltung die gediegensten Kräfte zu finden wußte,
wählte auch für ihre Artillerie in dem Fürsten Wenzel Liechtenstein den passend¬
sten Mann. Er war der Neorganisator. oder besser gesagt, der Schöpfer der
östreichischen Artillerie; denn vor ihm hatte eine solche eigentlich gar nicht exi-
stirt. Es ist fast unglaublich, was er während seiner achtzehnjährigen Amts¬
thätigkeit (von 1764—1772) leistete, und das Denkmal, weiches die Kaiserin
dem Fürsten in dem Waffensaale des Wiener Zeughauses setzen ließ, zeigte,
daß die Monarchin den Werth dieses Mannes auch nach seinem Tode an¬
erkannte. Zu jener Zeit kam es nur selten vor, daß Souveräne ihren Unter¬
thanen Denkmale setzten!

Der bekannte preußische Artillcriegeneral und Militärschriftsteller v. Decker
sagt: „Liechtenstein, welcher seiner Zeit um mindestens ein halbes Jahrhundert
vorangeeilt war, machte die östreichische Artillerie zur ersten in Europa."

> Liechtensteins Nachfolger, der Feldmarschall Fürst Kinsky bekleidete den
Posten eines Artilleriedircctvrs durch kein volles Jahrzehnt und hatte mit der
Durchführung der von Liechtenstein hinterlassenen Entwürfe vollauf zu thun.
Er vollendete nur das Werk, welches jener entworfen und auch bereits zum
größten Theile ausgeführt hatte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/108>, abgerufen am 26.11.2024.