Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.scher konnte sich an der Idee weiden, auch hier als mildgesinnter Held, als Der geheime Wunsch, der hinter diesen Plänen Alexanders stand, ging In diesem großen Gedanken stimmten dem Kaiser von seiner Umgebung 11*
scher konnte sich an der Idee weiden, auch hier als mildgesinnter Held, als Der geheime Wunsch, der hinter diesen Plänen Alexanders stand, ging In diesem großen Gedanken stimmten dem Kaiser von seiner Umgebung 11*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116019"/> <p xml:id="ID_330" prev="#ID_329"> scher konnte sich an der Idee weiden, auch hier als mildgesinnter Held, als<lb/> Genius und Heiland der Unterdrückten, als wohlwollender Beförderer aller<lb/> echten Humanität aufzutreten. Es war schön, auf den Wegen des reinen<lb/> Edelmuths in den Besitz aller wünschenswerthen Güter der Erde und zu einer<lb/> Herrschermacht ohne Gleichen zu gelangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_331"> Der geheime Wunsch, der hinter diesen Plänen Alexanders stand, ging<lb/> auf ein gewisses Primat in Europa. Der Kaiser hielt sich für dazu berechtigt,<lb/> und der Gewinn Polens sollte die Mittel dazu gewähren. Auch dieses Stre¬<lb/> ben konnte ihm dadurch als ein edles erscheinen, daß er sich selbst von sanftem<lb/> Glanz umflossen an der Spitze des liberalen Princips in Europa dachte und<lb/> sich überall als Vertreter der Gerechtigkeit, der fortschreitenden Cultur, der sitt¬<lb/> lich geregelten Freiheit aufzutreten vornahm. Hatte er doch kurz vorher in die¬<lb/> sem Sinn die französischen Bourbonen genöthigt, ihrem wiedergewonnenen<lb/> Reich eine Verfassung zu verleihen, und gedachte er doch in Wien die deutschen<lb/> Fürsten zu ähnlichen Gaben für ihre Völker zu bewegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_332"> In diesem großen Gedanken stimmten dem Kaiser von seiner Umgebung<lb/> nur der Jonier Capodistrias und der Elsasser Anstedt bei. Alle übrigen Poli¬<lb/> tiker seines Gefvla.es in Wien standen ihm hierin fern und wurden später fast<lb/> ohne Ausnahme Gegner seiner dahin gehenden Absichten. Die polnischen Pläne<lb/> aber erfuhren nicht nur von den Russen, sondern auch außerhalb dieser Kreise<lb/> entschiedenen Widerspruch. Nur die Polen begrüßten sie mit Freude und auch<lb/> diese selbstverständlich nur mit Hintergedanken und Hoffnungen, die in directem<lb/> Gegensatz gegen Alexanders Erwartungen standen. Daß er den jüngst durch<lb/> die russischen Waffen eroberten Theil von Polen, das Herzogthum Warschau,<lb/> behalten wollte, wurde natürlich unter den Russen allgemein gutgeheißen.<lb/> Dagegen wollte Niemand seine weiteren Pläne billigen, die in der That ur¬<lb/> sprünglich so weit gingen, daß eine sehr lebhafte Phantasie dazu gehörte, sie<lb/> unter den damaligen Umständen für ausführbar zu halten. Der Kaiser be¬<lb/> absichtigte nämlich nicht mehr und nicht weniger, als die gesammten ehemals<lb/> mit Polen verbunden gewesenen Länder und Provinzen mit Einschluß Lithauens<lb/> wieder von dem Kaiserthum abzulösen und mit dem Herzogthum Warschau zu<lb/> dem neuen Polenreich zu vereinigen, dem eine parlamentarische Verfassung und<lb/> eine durchaus einheimische Armee verliehen werden sollte. Gegen diesen Ge¬<lb/> danken empörte sich in Rußland alles, was eine Stimme hatte und sich geltend<lb/> machen konnte; denn es schien unwürdig, Provinzen, die in jahrhundertlangem<lb/> Kampf und um den Preis vielen Blutes von Nußland gewonnen worden, jetzt<lb/> freiwillig wieder aufzugeben, und noch unwürdiger, das unterworfene, von den<lb/> Russen seit langer Zeit für tieferstehend angesehene Volk mit Vorrechten zu be¬<lb/> denken, welche dem siegreichen, herrschenden und sich darum für vornehmer ach.<lb/> deuten Volke versagt bleiben mußten.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 11*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
scher konnte sich an der Idee weiden, auch hier als mildgesinnter Held, als
Genius und Heiland der Unterdrückten, als wohlwollender Beförderer aller
echten Humanität aufzutreten. Es war schön, auf den Wegen des reinen
Edelmuths in den Besitz aller wünschenswerthen Güter der Erde und zu einer
Herrschermacht ohne Gleichen zu gelangen.
Der geheime Wunsch, der hinter diesen Plänen Alexanders stand, ging
auf ein gewisses Primat in Europa. Der Kaiser hielt sich für dazu berechtigt,
und der Gewinn Polens sollte die Mittel dazu gewähren. Auch dieses Stre¬
ben konnte ihm dadurch als ein edles erscheinen, daß er sich selbst von sanftem
Glanz umflossen an der Spitze des liberalen Princips in Europa dachte und
sich überall als Vertreter der Gerechtigkeit, der fortschreitenden Cultur, der sitt¬
lich geregelten Freiheit aufzutreten vornahm. Hatte er doch kurz vorher in die¬
sem Sinn die französischen Bourbonen genöthigt, ihrem wiedergewonnenen
Reich eine Verfassung zu verleihen, und gedachte er doch in Wien die deutschen
Fürsten zu ähnlichen Gaben für ihre Völker zu bewegen.
In diesem großen Gedanken stimmten dem Kaiser von seiner Umgebung
nur der Jonier Capodistrias und der Elsasser Anstedt bei. Alle übrigen Poli¬
tiker seines Gefvla.es in Wien standen ihm hierin fern und wurden später fast
ohne Ausnahme Gegner seiner dahin gehenden Absichten. Die polnischen Pläne
aber erfuhren nicht nur von den Russen, sondern auch außerhalb dieser Kreise
entschiedenen Widerspruch. Nur die Polen begrüßten sie mit Freude und auch
diese selbstverständlich nur mit Hintergedanken und Hoffnungen, die in directem
Gegensatz gegen Alexanders Erwartungen standen. Daß er den jüngst durch
die russischen Waffen eroberten Theil von Polen, das Herzogthum Warschau,
behalten wollte, wurde natürlich unter den Russen allgemein gutgeheißen.
Dagegen wollte Niemand seine weiteren Pläne billigen, die in der That ur¬
sprünglich so weit gingen, daß eine sehr lebhafte Phantasie dazu gehörte, sie
unter den damaligen Umständen für ausführbar zu halten. Der Kaiser be¬
absichtigte nämlich nicht mehr und nicht weniger, als die gesammten ehemals
mit Polen verbunden gewesenen Länder und Provinzen mit Einschluß Lithauens
wieder von dem Kaiserthum abzulösen und mit dem Herzogthum Warschau zu
dem neuen Polenreich zu vereinigen, dem eine parlamentarische Verfassung und
eine durchaus einheimische Armee verliehen werden sollte. Gegen diesen Ge¬
danken empörte sich in Rußland alles, was eine Stimme hatte und sich geltend
machen konnte; denn es schien unwürdig, Provinzen, die in jahrhundertlangem
Kampf und um den Preis vielen Blutes von Nußland gewonnen worden, jetzt
freiwillig wieder aufzugeben, und noch unwürdiger, das unterworfene, von den
Russen seit langer Zeit für tieferstehend angesehene Volk mit Vorrechten zu be¬
denken, welche dem siegreichen, herrschenden und sich darum für vornehmer ach.
deuten Volke versagt bleiben mußten.
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