Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.nem Erscheinen einer so allgemeinen Verurtheilung verfiel, daß selbst die sonst Daß in diesem "deutschen Lesebuch bei Vorführung der großen Männer Der Versasser ist natürlich über den Werth seiner Arbeit durchaus andrer Eine kleine Blumenlese wird zeigen, ob diese Ueberzeugung des Herrn Seite 4 lesen wir: "Die Kommode ist höher als der Tisch, obgleich die S. 9 heißt es: "In der Küche kocht die Mutter das Essen. Sie liegt S. 13: "Der Tisch ist (selbstverständlich) hölzern, lang, schmal und (immer S. Is: "Unsre Vorfahren waren Heiden. Der kriegerische Geist, der sie Hierauf fünfzig Seiten hindurch Erzählungen von dänischen Göttern, Hel¬ nem Erscheinen einer so allgemeinen Verurtheilung verfiel, daß selbst die sonst Daß in diesem „deutschen Lesebuch bei Vorführung der großen Männer Der Versasser ist natürlich über den Werth seiner Arbeit durchaus andrer Eine kleine Blumenlese wird zeigen, ob diese Ueberzeugung des Herrn Seite 4 lesen wir: „Die Kommode ist höher als der Tisch, obgleich die S. 9 heißt es: „In der Küche kocht die Mutter das Essen. Sie liegt S. 13: „Der Tisch ist (selbstverständlich) hölzern, lang, schmal und (immer S. Is: „Unsre Vorfahren waren Heiden. Der kriegerische Geist, der sie Hierauf fünfzig Seiten hindurch Erzählungen von dänischen Göttern, Hel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116012"/> <p xml:id="ID_287" prev="#ID_286"> nem Erscheinen einer so allgemeinen Verurtheilung verfiel, daß selbst die sonst<lb/> schamlose Rotte, welche von Flensburg aus die Schulangelcgenhciten des Herzog¬<lb/> tums leitet, darüber in Verlegenheit gerieth, das Buch wicderaufkaufen ließ und<lb/> eine Umarbeitung veranlaßte. Ein paar Blicke in dieses Machwerk genügen, um<lb/> uns zu überzeugen, daß die Kinder hieraus nicht deutsch lernen, sondern nur das,<lb/> was sie davon wissen, verlernen tonnen. Auf jeder Seite, die der Verfasser nicht ge¬<lb/> radezu abgeschrieben hat, grobe Perstöße gegen Grammatik, Logik und Geschmack.<lb/> Ueberall die ordinärsten Einfälle neben dem widerlichsten Bombast, das alltäg¬<lb/> lichste Salbadern, die kläglichste Trivialität und Ungereimtheit, ein förmlicher<lb/> Eultus des Absurden. Allenthalben, wo sich irgend Gelegenheit bietet, Posaunen¬<lb/> schall zum Ruhme des „dänischen Vaterlandes".<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_288"> Daß in diesem „deutschen Lesebuch bei Vorführung der großen Männer<lb/> aus den verschiedenen Perioden der Geschichte, ein paar Zeilen über Luther >n<lb/> Worms ausgenommen, von keinem deutschen Heroen, nicht einmal von Friedrich<lb/> dem Großen, die Rede ist und die Existenz Deutschlands so gut wie gar nicht<lb/> erwähnt wird, mag ausfallen, aber zu erklären sein. Aber man lese den<lb/> Artikel „Napoleon", und man wird keinen Augenblick in Zweifel sein, wie man<lb/> sich dies zu erklären hat. Man lese die Uebertreibungen, welche in Betreff<lb/> der Bedeutung Dänemarks in der Geschichte vorgetragen werden, die hand¬<lb/> greiflichen Lügen, mit denen diese Verherrlichung der Dänen unterstützt wird,<lb/> die absichtliche Zurückdrängung jedes christlichen Elements und daneben die brei¬<lb/> ten Mittheilunge» über das altskandinavische Heidenthum, und man wird be¬<lb/> greifen, daß sich selbst dänisch gesinnte Geistliche wie der Propst Thieß in<lb/> Kappeln mit aller Entschiedenheit gegen die Einführung dieses ebenso albernen<lb/> als unsittlichen Lesebuchs in die ihrer Aussicht untergebenen Unterrichtsanstalten<lb/> verwahrten.</p><lb/> <p xml:id="ID_289"> Der Versasser ist natürlich über den Werth seiner Arbeit durchaus andrer<lb/> Meinung. Im Vorwort sagt er mit einer nur einem Dänen möglichen Arro¬<lb/> ganz: „Gegenwärtiges Lesebuch will zunächst dem dringenden Bedürfniß eines<lb/> zweckmäßigen deutschen Lesebuchs für die untern Classen unsrer Domschule ab¬<lb/> helfen; es'thut sich aber auch als ein Lesebuch für die Volksschulen des Vater¬<lb/> landes kund, und ist der Versasser völlig davon überzeugt, daß es ein solches<lb/> auch sei."</p><lb/> <p xml:id="ID_290"> Eine kleine Blumenlese wird zeigen, ob diese Ueberzeugung des Herrn<lb/> Lorenzen von der Vortrefflichkeit seines Buches nicht Täuschung ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_291"> Seite 4 lesen wir: „Die Kommode ist höher als der Tisch, obgleich die<lb/> Füße des Tisches höher sind als die der Kommode; das kommt daher, weil der<lb/> Tisch gewöhnlich nur ein Ächiebfach hat, während die Kommode im Allgemeinen<lb/> deren drei hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_292"> S. 9 heißt es: „In der Küche kocht die Mutter das Essen. Sie liegt<lb/> mitunter neben der Wohnstube, doch hat man sie (natürlich die Mutter) auch<lb/> im Keller."</p><lb/> <p xml:id="ID_293"> S. 13: „Der Tisch ist (selbstverständlich) hölzern, lang, schmal und (immer<lb/> und ohne Ausnahme) schwarz."</p><lb/> <p xml:id="ID_294"> S. Is: „Unsre Vorfahren waren Heiden. Der kriegerische Geist, der sie<lb/> beseelte, zeichnete die Dänen sowie die Bewohner Nordens im Allgemeinen vor<lb/> den meisten andern Völkern der Erde aus."</p><lb/> <p xml:id="ID_295" next="#ID_296"> Hierauf fünfzig Seiten hindurch Erzählungen von dänischen Göttern, Hel¬<lb/> den und Königen, auf jedem Blatte maßlose Verherrlichung Dänemarks im<lb/> Stil jener eitlen und verrückten Partei in Kopenhagen, welche das Land regiert;<lb/> dann geographische Beschreibungen des „Vaterlandes Dänemark", zuletzt Auf¬<lb/> schwung zu einem Hymnus an dasselbe in Distichen, welcher mit einer Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
nem Erscheinen einer so allgemeinen Verurtheilung verfiel, daß selbst die sonst
schamlose Rotte, welche von Flensburg aus die Schulangelcgenhciten des Herzog¬
tums leitet, darüber in Verlegenheit gerieth, das Buch wicderaufkaufen ließ und
eine Umarbeitung veranlaßte. Ein paar Blicke in dieses Machwerk genügen, um
uns zu überzeugen, daß die Kinder hieraus nicht deutsch lernen, sondern nur das,
was sie davon wissen, verlernen tonnen. Auf jeder Seite, die der Verfasser nicht ge¬
radezu abgeschrieben hat, grobe Perstöße gegen Grammatik, Logik und Geschmack.
Ueberall die ordinärsten Einfälle neben dem widerlichsten Bombast, das alltäg¬
lichste Salbadern, die kläglichste Trivialität und Ungereimtheit, ein förmlicher
Eultus des Absurden. Allenthalben, wo sich irgend Gelegenheit bietet, Posaunen¬
schall zum Ruhme des „dänischen Vaterlandes".
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Daß in diesem „deutschen Lesebuch bei Vorführung der großen Männer
aus den verschiedenen Perioden der Geschichte, ein paar Zeilen über Luther >n
Worms ausgenommen, von keinem deutschen Heroen, nicht einmal von Friedrich
dem Großen, die Rede ist und die Existenz Deutschlands so gut wie gar nicht
erwähnt wird, mag ausfallen, aber zu erklären sein. Aber man lese den
Artikel „Napoleon", und man wird keinen Augenblick in Zweifel sein, wie man
sich dies zu erklären hat. Man lese die Uebertreibungen, welche in Betreff
der Bedeutung Dänemarks in der Geschichte vorgetragen werden, die hand¬
greiflichen Lügen, mit denen diese Verherrlichung der Dänen unterstützt wird,
die absichtliche Zurückdrängung jedes christlichen Elements und daneben die brei¬
ten Mittheilunge» über das altskandinavische Heidenthum, und man wird be¬
greifen, daß sich selbst dänisch gesinnte Geistliche wie der Propst Thieß in
Kappeln mit aller Entschiedenheit gegen die Einführung dieses ebenso albernen
als unsittlichen Lesebuchs in die ihrer Aussicht untergebenen Unterrichtsanstalten
verwahrten.
Der Versasser ist natürlich über den Werth seiner Arbeit durchaus andrer
Meinung. Im Vorwort sagt er mit einer nur einem Dänen möglichen Arro¬
ganz: „Gegenwärtiges Lesebuch will zunächst dem dringenden Bedürfniß eines
zweckmäßigen deutschen Lesebuchs für die untern Classen unsrer Domschule ab¬
helfen; es'thut sich aber auch als ein Lesebuch für die Volksschulen des Vater¬
landes kund, und ist der Versasser völlig davon überzeugt, daß es ein solches
auch sei."
Eine kleine Blumenlese wird zeigen, ob diese Ueberzeugung des Herrn
Lorenzen von der Vortrefflichkeit seines Buches nicht Täuschung ist.
Seite 4 lesen wir: „Die Kommode ist höher als der Tisch, obgleich die
Füße des Tisches höher sind als die der Kommode; das kommt daher, weil der
Tisch gewöhnlich nur ein Ächiebfach hat, während die Kommode im Allgemeinen
deren drei hat."
S. 9 heißt es: „In der Küche kocht die Mutter das Essen. Sie liegt
mitunter neben der Wohnstube, doch hat man sie (natürlich die Mutter) auch
im Keller."
S. 13: „Der Tisch ist (selbstverständlich) hölzern, lang, schmal und (immer
und ohne Ausnahme) schwarz."
S. Is: „Unsre Vorfahren waren Heiden. Der kriegerische Geist, der sie
beseelte, zeichnete die Dänen sowie die Bewohner Nordens im Allgemeinen vor
den meisten andern Völkern der Erde aus."
Hierauf fünfzig Seiten hindurch Erzählungen von dänischen Göttern, Hel¬
den und Königen, auf jedem Blatte maßlose Verherrlichung Dänemarks im
Stil jener eitlen und verrückten Partei in Kopenhagen, welche das Land regiert;
dann geographische Beschreibungen des „Vaterlandes Dänemark", zuletzt Auf¬
schwung zu einem Hymnus an dasselbe in Distichen, welcher mit einer Ver-
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