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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Bei dieser Lage der Dinge scheint es geboten, daß die Regierung, um ihr
Gesammtstaatsprogramm wenigstens in den Hauptzügen durchzuführen, dasselbe
zu Gunsten Ungarns in einigen wichtigen Punkten modificiren muß. Die Ne¬
gierung muß davon abstehen, die Verfassung Ungarns als durch den Aufstand
verwirkt anzusehen, eine Auffassung, die deshalb unfruchtbar ist. weil die Ungarn
sich niemals von der Richtigkeit derselben überzeugen werden. Die Regierung
muß demgemäß Ungarns staatsrechtliche Ansprüche auf die Portes ano6xg.e aner¬
kennen, um als Preis für diese wichtige Concession das Erscheinen der Ungarn
im Reichsrathe zu fordern, auf den dann natürlich auch für Ungarn diejenigen
der Gesammtstaatsvertretung gebührenden Befugnisse überzugehen hätten, die der
ungarische Landtag bisher für sich beansprucht hat. Daß Ungarn ohne Weiteres
auf dieses Kompromiß eingehen würde, ist nicht anzunehmen; aber es wäre
damit zunächst doch in einer Angelegenheit, die ihrer ganzen Natur nach nur
durch ein Compromiß geschlichtet werden kann, ein Boden für Unterhandlungen
gewonnen, der bei der Starrheit, mit welcher bis jetzt jeder der beiden Theile
ein seiner Forderung festhält, gänzlich fehlt. Sodann aber würden die Vor¬
theile für Ungarn bei einem solchen Abkommen so bedeutend sein, daß eine
allmälige Umstimmung der öffentlichen Meinung zu Gunsten desselben, wenn
jeder andere Ausweg abgeschnitten wäre, durchaus nicht unwahrscheinlich sein
würde. Die nähere Erörterung dieses Punktes in einem fernern Capitel.
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Dänische Schulmeister in Schleswig).

Werfen wir einen Blick aus das heutige Unterrichtswesen in Deutschland
und vergleichen wir dessen Zustand mit dem vor zehn bis zwanzig Jahren, so
begegnen wir sast allenthalben einem erfreulichen Fortschritt, selten und nur
da, wo die Mode-Orthodoxie Einfluß gewann, Rückschritten. Die Elementar¬
schule lehrt mehr als früher und das Frühere nach besserer Methode. Dasselbe
gilt von der höheren Bürgerschule. Auch die Lyceen und Gymnasien
haben sich überall wesentlich, an nicht wenigen Orten überraschend gehoben,
und zwar sowohl moralisch, als wissenschaftlich. So weit wir vergleichen
können, ist das Verhältniß der Lehrer zu den Schülern anständiger und ge¬
sünder geworden. Von Jahr zu Jahr mehr dringen die Grundsätze der neuern
Philologie, die neuere Auffassung der Geschichte in diese Kreise, kommt eine
systematischere Behandlung, ein lebendigeres Verständniß des Alterthums zur
Geltung. Disciplinen, die früher ganz vernachlässigt oder gering geachtet
wurden: Mathematik, neuere Sprachen, Physik, vor Allem die Pflege des denk-



") Nach der 3. Auflage von Gustav ^Raschs ..Vom verlassenen Bruderstamm". Glogau.
Flemming, zusammengestellt.
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Bei dieser Lage der Dinge scheint es geboten, daß die Regierung, um ihr
Gesammtstaatsprogramm wenigstens in den Hauptzügen durchzuführen, dasselbe
zu Gunsten Ungarns in einigen wichtigen Punkten modificiren muß. Die Ne¬
gierung muß davon abstehen, die Verfassung Ungarns als durch den Aufstand
verwirkt anzusehen, eine Auffassung, die deshalb unfruchtbar ist. weil die Ungarn
sich niemals von der Richtigkeit derselben überzeugen werden. Die Regierung
muß demgemäß Ungarns staatsrechtliche Ansprüche auf die Portes ano6xg.e aner¬
kennen, um als Preis für diese wichtige Concession das Erscheinen der Ungarn
im Reichsrathe zu fordern, auf den dann natürlich auch für Ungarn diejenigen
der Gesammtstaatsvertretung gebührenden Befugnisse überzugehen hätten, die der
ungarische Landtag bisher für sich beansprucht hat. Daß Ungarn ohne Weiteres
auf dieses Kompromiß eingehen würde, ist nicht anzunehmen; aber es wäre
damit zunächst doch in einer Angelegenheit, die ihrer ganzen Natur nach nur
durch ein Compromiß geschlichtet werden kann, ein Boden für Unterhandlungen
gewonnen, der bei der Starrheit, mit welcher bis jetzt jeder der beiden Theile
ein seiner Forderung festhält, gänzlich fehlt. Sodann aber würden die Vor¬
theile für Ungarn bei einem solchen Abkommen so bedeutend sein, daß eine
allmälige Umstimmung der öffentlichen Meinung zu Gunsten desselben, wenn
jeder andere Ausweg abgeschnitten wäre, durchaus nicht unwahrscheinlich sein
würde. Die nähere Erörterung dieses Punktes in einem fernern Capitel.
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Dänische Schulmeister in Schleswig).

Werfen wir einen Blick aus das heutige Unterrichtswesen in Deutschland
und vergleichen wir dessen Zustand mit dem vor zehn bis zwanzig Jahren, so
begegnen wir sast allenthalben einem erfreulichen Fortschritt, selten und nur
da, wo die Mode-Orthodoxie Einfluß gewann, Rückschritten. Die Elementar¬
schule lehrt mehr als früher und das Frühere nach besserer Methode. Dasselbe
gilt von der höheren Bürgerschule. Auch die Lyceen und Gymnasien
haben sich überall wesentlich, an nicht wenigen Orten überraschend gehoben,
und zwar sowohl moralisch, als wissenschaftlich. So weit wir vergleichen
können, ist das Verhältniß der Lehrer zu den Schülern anständiger und ge¬
sünder geworden. Von Jahr zu Jahr mehr dringen die Grundsätze der neuern
Philologie, die neuere Auffassung der Geschichte in diese Kreise, kommt eine
systematischere Behandlung, ein lebendigeres Verständniß des Alterthums zur
Geltung. Disciplinen, die früher ganz vernachlässigt oder gering geachtet
wurden: Mathematik, neuere Sprachen, Physik, vor Allem die Pflege des denk-



") Nach der 3. Auflage von Gustav ^Raschs ..Vom verlassenen Bruderstamm". Glogau.
Flemming, zusammengestellt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/75>, abgerufen am 15.01.2025.