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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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nur mit "Ew. Durchlaucht" oder "Ew. Königliche Hoheit" "untertänigst" be¬
antwortet.

Noch weniger angenehm klingt es, wenn der Dichterfürst Br. 266 "auf
das lebhafteste dankbar ist für huldreiche Condescenz", wenn er Br. 303 schreibt:
"Ew. Durchlaucht gnädigstes Schreiben habe zu meiner dankbaren Freude bald
zu erhalten das Glück gehabt", wenn er, der früher gesunden Rath ohne alle
Unmaßgeblichkeit ertheilt, in Br. 308 "unmaßgebliche Borschläge" macht, oder
wenn Br. 314 mit "Ew. Königliche Hoheit geruhen auf Nachstehendes gnädigst
zu reflectiren" beginnt und mit einem submisse" "mich zu Hütten und Gna¬
den empfehlend" schließt.

Den Gipfel dieser Art zu einem vornehme" Freunde zu sprechen endlich
zeigt Br. 618, wo man einen chinesischen Mandarin vor sich zu habe" glaubt,
wenn man liest: "Ew. Königliche Hoheit verzeihen gnädigst, wenn ich diese
Tage sprachlos geblieben. Möge eine glücklich fortschreitende Genesung uns
Leben, Geist und Rede wieder verleihen," und wenn man durch die Note des
Herausgebers erfährt, daß der Briefschreiber Leben, Geist und Rede eingebüßt
hat, weil -- die Großherzogin erkrankt war.

Goethe bleibt der Großmeister unsrer Dichter, er bleibt auch als Mensch
ein Stern, zu dem wir mit liebender Verehrung aufschaue", sein Leben ein
Kunstwerk von unvergleichlicher Schönheit. Aber auch die Sonne hat ihre
Flecken, und der Himmel behüte uns vor solchem submifsesten Ersterben!

Man vergleiche damit die frische Ungebundenheit des zweiten Briefes der
Sammlung, die aufrichtige, aus tiefem Herzen quellende Theilnahme an den
Geschicken des fürstlichen Freundes, die sich in viele" der spätern kund gibt,
die warme, helle Dichterseele, die mehr oder minder aus allen Briefen jener
ersten Periode hervorstrahlt, und "ran vergleiche damit vor Allem die bis zuletzt
sich gleichbleibende Herzlichkeit, Einfachheit und Ungezwungenheit der Aeußerungen
dessen, an welchen jene Untcrtbäiügtcitc" gerichtet wurden.

Wie sehr sticht gegen diese die schlichte Gemüthlichkeit ab, mit welcher
Karl August sich gelegentlich bei Goethe zu Gaste ladet, mit der er den "lieben
Alten" bittet, ihn, zu abendlichem Besuch die Gartenthüre auszulassen, mit der
er ihm Br. 213 sagt, daß es hübsch von ihm wäre, wenn er ihn und andere
gute Gesellschaft zum Thee bäte und ihm "etwa Nachts etwas Kaltes oder auch
nichts von diesem in den Hals würfe," mit der er ihn Br. 358 "mit froher Un¬
geduld" erwartet.

Noch in sehr später Zeit finden wir bei ihm denselben Ton. Eine Ge¬
burtstagsgratulation Goethes erwidert der Herzog am 3. September 1808 mit
nachstehenden Zeilen: "Meinen besten Dank für Deinen Antheil an dem heutigen
Tage statte ich Dir ab. Wenn Du thätig, froh und wohl bist, so lange ich
mit Dir noch gute Tage erleben kann, so wird mir mein Dasein schätzbar


nur mit „Ew. Durchlaucht" oder „Ew. Königliche Hoheit" „untertänigst" be¬
antwortet.

Noch weniger angenehm klingt es, wenn der Dichterfürst Br. 266 „auf
das lebhafteste dankbar ist für huldreiche Condescenz", wenn er Br. 303 schreibt:
„Ew. Durchlaucht gnädigstes Schreiben habe zu meiner dankbaren Freude bald
zu erhalten das Glück gehabt", wenn er, der früher gesunden Rath ohne alle
Unmaßgeblichkeit ertheilt, in Br. 308 „unmaßgebliche Borschläge" macht, oder
wenn Br. 314 mit „Ew. Königliche Hoheit geruhen auf Nachstehendes gnädigst
zu reflectiren" beginnt und mit einem submisse» „mich zu Hütten und Gna¬
den empfehlend" schließt.

Den Gipfel dieser Art zu einem vornehme» Freunde zu sprechen endlich
zeigt Br. 618, wo man einen chinesischen Mandarin vor sich zu habe» glaubt,
wenn man liest: „Ew. Königliche Hoheit verzeihen gnädigst, wenn ich diese
Tage sprachlos geblieben. Möge eine glücklich fortschreitende Genesung uns
Leben, Geist und Rede wieder verleihen," und wenn man durch die Note des
Herausgebers erfährt, daß der Briefschreiber Leben, Geist und Rede eingebüßt
hat, weil — die Großherzogin erkrankt war.

Goethe bleibt der Großmeister unsrer Dichter, er bleibt auch als Mensch
ein Stern, zu dem wir mit liebender Verehrung aufschaue», sein Leben ein
Kunstwerk von unvergleichlicher Schönheit. Aber auch die Sonne hat ihre
Flecken, und der Himmel behüte uns vor solchem submifsesten Ersterben!

Man vergleiche damit die frische Ungebundenheit des zweiten Briefes der
Sammlung, die aufrichtige, aus tiefem Herzen quellende Theilnahme an den
Geschicken des fürstlichen Freundes, die sich in viele» der spätern kund gibt,
die warme, helle Dichterseele, die mehr oder minder aus allen Briefen jener
ersten Periode hervorstrahlt, und »ran vergleiche damit vor Allem die bis zuletzt
sich gleichbleibende Herzlichkeit, Einfachheit und Ungezwungenheit der Aeußerungen
dessen, an welchen jene Untcrtbäiügtcitc» gerichtet wurden.

Wie sehr sticht gegen diese die schlichte Gemüthlichkeit ab, mit welcher
Karl August sich gelegentlich bei Goethe zu Gaste ladet, mit der er den „lieben
Alten" bittet, ihn, zu abendlichem Besuch die Gartenthüre auszulassen, mit der
er ihm Br. 213 sagt, daß es hübsch von ihm wäre, wenn er ihn und andere
gute Gesellschaft zum Thee bäte und ihm „etwa Nachts etwas Kaltes oder auch
nichts von diesem in den Hals würfe," mit der er ihn Br. 358 „mit froher Un¬
geduld" erwartet.

Noch in sehr später Zeit finden wir bei ihm denselben Ton. Eine Ge¬
burtstagsgratulation Goethes erwidert der Herzog am 3. September 1808 mit
nachstehenden Zeilen: „Meinen besten Dank für Deinen Antheil an dem heutigen
Tage statte ich Dir ab. Wenn Du thätig, froh und wohl bist, so lange ich
mit Dir noch gute Tage erleben kann, so wird mir mein Dasein schätzbar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/52>, abgerufen am 15.01.2025.