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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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forderungen an Oestreich fruchtlos geblieben waren. ihr Eifer merklich abgekühlt.
Wenigstens die Konservativen unter den Großdeutschen hielten zurück. Sie
warnten vor zu großer Aufregung und entschuldigten den Bund, der am Ende
doch Unser einziger Nothanker sei. Einer derselben versuchte es, Oestreichs
Haltung im Vergleich mit Preußen in ein günstigeres Licht zu rücken. Ein
andrer war so naiv, Oestreich damit zu entschuldigen, daß es nie eine rein
deutsche Politik treiben könne, da es viele nichtdeutschc Länder besitze.

Solche Symptome waren nicht vereinzelt. Waren auch die Parteien im
Allgemeinen unlciugbar einig, so war doch das Maß der Activität ein sehr
verschiedenes. Wie in der Kammer, so war es auch bei den Versammlungen
und Kundgebungen aller Art die liberale Partei, die sich allein mit wirklichem
Eifer der Sache annahm. Selbst die Berufung des allgemeinen Abgeordneten-
tags erregte Bedenken, die sich zwar nicht öffentlich kundgaben, aber doch in
der vertraulichen Besprechung, welche die Kammcrmitglicder im Hinblick auf
den frankfurter Tag am Abend des 13. December hielten, laut geworden sein
sollen. Mehre Anwesende sprachen ihre Angst vor einem Ueberwiegen der National¬
vereinspartei, vor dem Ausbleiben der Oestreicher aus, oder fürchteten, daß
die Versammlung extreme Beschlüsse fassen, vielleicht außer der Tagesordnung
sich noch mit organisatorischen Plänen beschäftigen werde. Doch wurde von
allen Seiten ein möglichst zahlreiches Erscheinen befürwortet und zugesagt. Für
die Haltung der großdcutschen Presse, die in der schwäbischen Hauptstadt aufs kläg¬
lichste vertreten ist, kann man allerdings.die Partei kaum verantwortlich machen.
Doch war es auffallend, wie lau das Organ des großdeutschen Vereins im
Lande sich von Anfang an verhielt. Es hatte nicht übel Lust, die ganze Sache
für Parteizwecke auszubeuten und verlangte heute Durchführung der Ncformacte,
morgen Garantie für Venedig, als Bedingung der Mitwirkung Oestreichs und
der großdeutschen Partei, ja als Aequivalent für eine Lösung des Herzogthums-
streits im deutschen Sinne. In dieser Beziehung nahm die großdeutsche Presse
in Bayern eine weit unabhängigere und mannhaftere Haltung ein. Nur osfi-
ciöse Stimmen wagten es, eine bescheidene Resignation zu empfehlen, sich gegen
eine einseitige Anerkennung des Herzogs zu verwahren und selbst das Ver¬
langen nach Einberufung der Kammern als unzeitgemäß zu bekämpfen. Daß
die würtenbergische Regierung über die Haltung der bayrischen, wie sie sich in
solchen Artikeln darstellte, nicht um eine Linie hinausgeht, versteht sich von
selbst. Graf Baudissin, der längere Zeit in Mission am Stuttgarter Hos sich
aufhielt, ist ohne Erfolg wieder abgereist. Was die Minister in der Kammer
erklärten, war dürftig genug. Doch ging so viel daraus hervor, daß die
Regierung den Herzog Friedrich nicht anerkennt und sich der Führung Preußens
und Oestreichs unterwirst. Daß man die Erledigung der Successionssrage am
Bunde beschleunigen wolle, war das Einzige, was zugesagt wurde, und das


forderungen an Oestreich fruchtlos geblieben waren. ihr Eifer merklich abgekühlt.
Wenigstens die Konservativen unter den Großdeutschen hielten zurück. Sie
warnten vor zu großer Aufregung und entschuldigten den Bund, der am Ende
doch Unser einziger Nothanker sei. Einer derselben versuchte es, Oestreichs
Haltung im Vergleich mit Preußen in ein günstigeres Licht zu rücken. Ein
andrer war so naiv, Oestreich damit zu entschuldigen, daß es nie eine rein
deutsche Politik treiben könne, da es viele nichtdeutschc Länder besitze.

Solche Symptome waren nicht vereinzelt. Waren auch die Parteien im
Allgemeinen unlciugbar einig, so war doch das Maß der Activität ein sehr
verschiedenes. Wie in der Kammer, so war es auch bei den Versammlungen
und Kundgebungen aller Art die liberale Partei, die sich allein mit wirklichem
Eifer der Sache annahm. Selbst die Berufung des allgemeinen Abgeordneten-
tags erregte Bedenken, die sich zwar nicht öffentlich kundgaben, aber doch in
der vertraulichen Besprechung, welche die Kammcrmitglicder im Hinblick auf
den frankfurter Tag am Abend des 13. December hielten, laut geworden sein
sollen. Mehre Anwesende sprachen ihre Angst vor einem Ueberwiegen der National¬
vereinspartei, vor dem Ausbleiben der Oestreicher aus, oder fürchteten, daß
die Versammlung extreme Beschlüsse fassen, vielleicht außer der Tagesordnung
sich noch mit organisatorischen Plänen beschäftigen werde. Doch wurde von
allen Seiten ein möglichst zahlreiches Erscheinen befürwortet und zugesagt. Für
die Haltung der großdcutschen Presse, die in der schwäbischen Hauptstadt aufs kläg¬
lichste vertreten ist, kann man allerdings.die Partei kaum verantwortlich machen.
Doch war es auffallend, wie lau das Organ des großdeutschen Vereins im
Lande sich von Anfang an verhielt. Es hatte nicht übel Lust, die ganze Sache
für Parteizwecke auszubeuten und verlangte heute Durchführung der Ncformacte,
morgen Garantie für Venedig, als Bedingung der Mitwirkung Oestreichs und
der großdeutschen Partei, ja als Aequivalent für eine Lösung des Herzogthums-
streits im deutschen Sinne. In dieser Beziehung nahm die großdeutsche Presse
in Bayern eine weit unabhängigere und mannhaftere Haltung ein. Nur osfi-
ciöse Stimmen wagten es, eine bescheidene Resignation zu empfehlen, sich gegen
eine einseitige Anerkennung des Herzogs zu verwahren und selbst das Ver¬
langen nach Einberufung der Kammern als unzeitgemäß zu bekämpfen. Daß
die würtenbergische Regierung über die Haltung der bayrischen, wie sie sich in
solchen Artikeln darstellte, nicht um eine Linie hinausgeht, versteht sich von
selbst. Graf Baudissin, der längere Zeit in Mission am Stuttgarter Hos sich
aufhielt, ist ohne Erfolg wieder abgereist. Was die Minister in der Kammer
erklärten, war dürftig genug. Doch ging so viel daraus hervor, daß die
Regierung den Herzog Friedrich nicht anerkennt und sich der Führung Preußens
und Oestreichs unterwirst. Daß man die Erledigung der Successionssrage am
Bunde beschleunigen wolle, war das Einzige, was zugesagt wurde, und das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/514>, abgerufen am 15.01.2025.