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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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traten, ja sogar unter den Augen der Regierung eine Polizei einrichteten. Ein
Freund sah das Verzeichnis^ sämmtlicher Gemeindevorsteher eines Bezirkes im
Innthale, welches ein Ultramontaner im Auftrag eines Führers seiner Partei
angefertigt hatte. Bei jedem war angeführt, ob er gut oder schlecht gesinnt sei,
das heißt: ob er ein gefügiges Werkzeug der Bonzen für ihre Zwecke sei oder
nicht. Auch ein Gebet hat man uns zugeschickt, welches vor nicht langer Zeit
gedruckt wurde. Wir theilen diese Probe tirolischer Andacht hier mit. "Ewiger
dreieiniger Gott! o Gott des Friedens und der Liebe (jene Liebe wahrschein¬
lich, welche im Auftrag der Mutter Kirche Scheiterhaufen für Ketzer anzündete
und Protestanten hetzte), wir flehen zu deiner unendlichen Barmherzigkeit, daß
du alle Getrennten zur Einheit der katholischen Kirche zurückführen und ins¬
besondere unser Vaterland Tirol in der Einheit und Gemeinschaft des heiligen
Glaubens jetzt und allezeit gnädig erhalten wollest durch Christum unsern Herrn.
Amen." Als Commentar zu diesem Texte folgen eine Reihe Bruchstücke aus
den Reden und Schriften verschiedener Glaubenseinheitler, darunter Kaiser
Ferdinand der Zweite.

Ein drolliges Intermezzo in unsrer ultramontanen Farce lieferte jüngst
Herr Baron Mvy, derzeit Professor des Kirchenrcchles zu Innsbruck. Herr
Moy forderte seinerzeit als ultramvntancr Krakehler Arm in Arm mit Phillips
in Bayern das Jahrhundert heraus; wahrscheinlich für dieses Verdienst verlieh
ihm Graf Thun einen Lehrstuhl in Oestreich. Da trat vor kurzem Froh-
schammer auf, Rom setzte seine Schriften auf den Index, er aber beugte sich
nicht. Nun setzte sich unser Baron auf die Rozinante, um ihn niederzuwerfen,
Frohschammer band aber eine Ruthe in Form eines offenen Briefes und klopfte
ihm zum allgemeinen Gelächter weidlich die Höschen aus. Solche Perlen der
Wissenschaft besitzt unsere tiroler Universität, ja Oestreich noch manche, und
dann flunkert man noch und läßt sich loben! Einige Junker wollten sogar
zu Innsbruck ein Studentcncorps, die "Glaubenseinheit", mit gelbweißen Mü¬
tzen, den Farben des Papstes errichten, da sich jedoch von allen Seiten Spott
und Hohn ergoß, schämte man sich und desavouirte die Sache als ein leeres
Gerücht.

Ihre volle Niederträchtigkeit haben übrigens die Ultramontanen in Bezug
auf Schleswig-Holstein enthüllt und dieser Umstand gab uns Anlaß zu obiger
Aufschrift. Freu dich, Dänenkönig, jene Buben treten dir als Bundesgenossen
zur Seite, welche jede Regung freieren Geistes mit dem Jesuitenhut ersticken
möchten. Nachdem die Jnnzeitung, ja selbst die Schützenzcitung sich energisch
für Schleswig.Holstein ausgesprochen, begannen die "Tirolerstimmen", das Sprach¬
rohr des Bischofs von Brixen: "Die Holsteiner waren die Hauptschuld des Bantc-
rotts der Paulskirche, und die Katholiken Deutschlands haben es sich hinter die Oh.
ren geschrieben, daß, während in Deutschland allgemeine Religionsfreiheit gesetzlich


traten, ja sogar unter den Augen der Regierung eine Polizei einrichteten. Ein
Freund sah das Verzeichnis^ sämmtlicher Gemeindevorsteher eines Bezirkes im
Innthale, welches ein Ultramontaner im Auftrag eines Führers seiner Partei
angefertigt hatte. Bei jedem war angeführt, ob er gut oder schlecht gesinnt sei,
das heißt: ob er ein gefügiges Werkzeug der Bonzen für ihre Zwecke sei oder
nicht. Auch ein Gebet hat man uns zugeschickt, welches vor nicht langer Zeit
gedruckt wurde. Wir theilen diese Probe tirolischer Andacht hier mit. „Ewiger
dreieiniger Gott! o Gott des Friedens und der Liebe (jene Liebe wahrschein¬
lich, welche im Auftrag der Mutter Kirche Scheiterhaufen für Ketzer anzündete
und Protestanten hetzte), wir flehen zu deiner unendlichen Barmherzigkeit, daß
du alle Getrennten zur Einheit der katholischen Kirche zurückführen und ins¬
besondere unser Vaterland Tirol in der Einheit und Gemeinschaft des heiligen
Glaubens jetzt und allezeit gnädig erhalten wollest durch Christum unsern Herrn.
Amen." Als Commentar zu diesem Texte folgen eine Reihe Bruchstücke aus
den Reden und Schriften verschiedener Glaubenseinheitler, darunter Kaiser
Ferdinand der Zweite.

Ein drolliges Intermezzo in unsrer ultramontanen Farce lieferte jüngst
Herr Baron Mvy, derzeit Professor des Kirchenrcchles zu Innsbruck. Herr
Moy forderte seinerzeit als ultramvntancr Krakehler Arm in Arm mit Phillips
in Bayern das Jahrhundert heraus; wahrscheinlich für dieses Verdienst verlieh
ihm Graf Thun einen Lehrstuhl in Oestreich. Da trat vor kurzem Froh-
schammer auf, Rom setzte seine Schriften auf den Index, er aber beugte sich
nicht. Nun setzte sich unser Baron auf die Rozinante, um ihn niederzuwerfen,
Frohschammer band aber eine Ruthe in Form eines offenen Briefes und klopfte
ihm zum allgemeinen Gelächter weidlich die Höschen aus. Solche Perlen der
Wissenschaft besitzt unsere tiroler Universität, ja Oestreich noch manche, und
dann flunkert man noch und läßt sich loben! Einige Junker wollten sogar
zu Innsbruck ein Studentcncorps, die „Glaubenseinheit", mit gelbweißen Mü¬
tzen, den Farben des Papstes errichten, da sich jedoch von allen Seiten Spott
und Hohn ergoß, schämte man sich und desavouirte die Sache als ein leeres
Gerücht.

Ihre volle Niederträchtigkeit haben übrigens die Ultramontanen in Bezug
auf Schleswig-Holstein enthüllt und dieser Umstand gab uns Anlaß zu obiger
Aufschrift. Freu dich, Dänenkönig, jene Buben treten dir als Bundesgenossen
zur Seite, welche jede Regung freieren Geistes mit dem Jesuitenhut ersticken
möchten. Nachdem die Jnnzeitung, ja selbst die Schützenzcitung sich energisch
für Schleswig.Holstein ausgesprochen, begannen die „Tirolerstimmen", das Sprach¬
rohr des Bischofs von Brixen: „Die Holsteiner waren die Hauptschuld des Bantc-
rotts der Paulskirche, und die Katholiken Deutschlands haben es sich hinter die Oh.
ren geschrieben, daß, während in Deutschland allgemeine Religionsfreiheit gesetzlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/475>, abgerufen am 15.01.2025.