Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.den Schlägereien der polnischen und deutschen Gymnasiasten hörte, die auf dem Während so mancher Unschuldige durch die Ereignisse hart getroffen ist, den Schlägereien der polnischen und deutschen Gymnasiasten hörte, die auf dem Während so mancher Unschuldige durch die Ereignisse hart getroffen ist, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116388"/> <p xml:id="ID_1517" prev="#ID_1516"> den Schlägereien der polnischen und deutschen Gymnasiasten hörte, die auf dem<lb/> grünen Platze in Posen recht erhebliche Dimensionen annehmen. Buche es<lb/> bei diesen Früchten der Unruhen, wir möchten sie gern Passiren lassen; aber<lb/> wir haben deren bitterere zu brechen. Dazu rechnen wir die Nothwendigkeit,<lb/> unsre armen Soldaten während des Winters in den Quartieren an der Grenze<lb/> stativniren zu müssen. Es waren nicht blos die Dörfer, in denen sie selbst im<lb/> Sommer ein sehr trauriges, ungesundes Logis fanden. Wie soll es nun wer¬<lb/> den? Schon hat der Herbst mancherlei Krankheiten gebracht, welchen das wunder¬<lb/> liche Wetter gewiß noch reichlichere Nahrung bieten wird. Natürlich läßt es<lb/> die Umsicht der obersten Militärbehörden an der nöthigen Pflege nicht fehlen,<lb/> und da der halbe Kriegszustand so wie so ein vertraulicheres Verhältniß zwi-<lb/> schen Offizieren und Soldaten mit sich führt als die Garnisonstadt, so thun<lb/> auch diese das Ihrige. Wie aber mag es in den Lagern der Aufständischen<lb/> zugehn? Welche Krankheiten, welch Elend mögen sich von da aus verbreiten.<lb/> Armuth, Nahrungslosigkeit, Sorge und Trauer genug hat der Aufruhr gewiß<lb/> über die armen Familien polnischer Zunge gebracht, und mancher Edelmann<lb/> wird sich außer Stande sehen, zu helfen, noch mehre werden es nicht wollen.<lb/> Ein neuer Uebelstand, dessen Wirkungen sich noch nicht bemessen lassen, ist die<lb/> Zahlungseinstellung großer russisch-polnischer Handelshäuser, die lange Reihe<lb/> von Naturaiverlusten, welche die Kaufleute aus den Hauptplätzen des Grenz¬<lb/> handels erlitten haben, respective noch erleiden. Sie erinnern sich Wohl,<lb/> was für ein Schlag die Einverleibung Krakaus in das östreichische Landes¬<lb/> gebiet 1846 für Breslau war, welche hoch angesehenen Firmen erschüttert<lb/> wurden', welche untergingen. Die polnische Empörung von 1863 scheint ähn¬<lb/> lich bewirken zu wollen, und das freundliche Gesicht, welches unsre Geschäfts¬<lb/> welt bei den vielen Bestellungen für die Lager machte, hat sich merklich ver¬<lb/> düstert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1518" next="#ID_1519"> Während so mancher Unschuldige durch die Ereignisse hart getroffen ist,<lb/> fitzen die eigentlichen Anstifter des Werkes in Ruhe und Frieden zu Paris und<lb/> London, freuen sich der von ihnen bewirkten Erregung und warten der Stunde,<lb/> wo ihnen reife Früchte in den Schooß fallen sollen. Diejenigen wiederum,<lb/> welche sich dem von ihnen cmsgegangnen moralischen Zwange unterwarfen und<lb/> sich zu ihren Werkzeugen hergaben, warten in den Gefängnissen des Staats¬<lb/> gerichtshofes auf die Entscheidung ihres Geschickes. Wessen sie sich zu versehen<lb/> haben, ist jetzt durch den Proceß gegen den Propst Symforion v. Tomicki aus<lb/> Konojad ersichtlich geworden. Dieser hatte in der von ihm zu Kosten heraus¬<lb/> gegebenen Zeitschrift L^Kot-tur niöäüiLlrm (Sonntagsschule) in einem Aufsatz<lb/> zum Lobe der Jnsurrection zuletzt gesagt: „Verwandelt eure Pflüge in Schwer¬<lb/> ter und eure Hacken in Lanzen, denn ein freies Vaterland ist das Paradies<lb/> auf Erden." Die Staatsanwaltschaft sah in diesen Worten eine Aufforderung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
den Schlägereien der polnischen und deutschen Gymnasiasten hörte, die auf dem
grünen Platze in Posen recht erhebliche Dimensionen annehmen. Buche es
bei diesen Früchten der Unruhen, wir möchten sie gern Passiren lassen; aber
wir haben deren bitterere zu brechen. Dazu rechnen wir die Nothwendigkeit,
unsre armen Soldaten während des Winters in den Quartieren an der Grenze
stativniren zu müssen. Es waren nicht blos die Dörfer, in denen sie selbst im
Sommer ein sehr trauriges, ungesundes Logis fanden. Wie soll es nun wer¬
den? Schon hat der Herbst mancherlei Krankheiten gebracht, welchen das wunder¬
liche Wetter gewiß noch reichlichere Nahrung bieten wird. Natürlich läßt es
die Umsicht der obersten Militärbehörden an der nöthigen Pflege nicht fehlen,
und da der halbe Kriegszustand so wie so ein vertraulicheres Verhältniß zwi-
schen Offizieren und Soldaten mit sich führt als die Garnisonstadt, so thun
auch diese das Ihrige. Wie aber mag es in den Lagern der Aufständischen
zugehn? Welche Krankheiten, welch Elend mögen sich von da aus verbreiten.
Armuth, Nahrungslosigkeit, Sorge und Trauer genug hat der Aufruhr gewiß
über die armen Familien polnischer Zunge gebracht, und mancher Edelmann
wird sich außer Stande sehen, zu helfen, noch mehre werden es nicht wollen.
Ein neuer Uebelstand, dessen Wirkungen sich noch nicht bemessen lassen, ist die
Zahlungseinstellung großer russisch-polnischer Handelshäuser, die lange Reihe
von Naturaiverlusten, welche die Kaufleute aus den Hauptplätzen des Grenz¬
handels erlitten haben, respective noch erleiden. Sie erinnern sich Wohl,
was für ein Schlag die Einverleibung Krakaus in das östreichische Landes¬
gebiet 1846 für Breslau war, welche hoch angesehenen Firmen erschüttert
wurden', welche untergingen. Die polnische Empörung von 1863 scheint ähn¬
lich bewirken zu wollen, und das freundliche Gesicht, welches unsre Geschäfts¬
welt bei den vielen Bestellungen für die Lager machte, hat sich merklich ver¬
düstert.
Während so mancher Unschuldige durch die Ereignisse hart getroffen ist,
fitzen die eigentlichen Anstifter des Werkes in Ruhe und Frieden zu Paris und
London, freuen sich der von ihnen bewirkten Erregung und warten der Stunde,
wo ihnen reife Früchte in den Schooß fallen sollen. Diejenigen wiederum,
welche sich dem von ihnen cmsgegangnen moralischen Zwange unterwarfen und
sich zu ihren Werkzeugen hergaben, warten in den Gefängnissen des Staats¬
gerichtshofes auf die Entscheidung ihres Geschickes. Wessen sie sich zu versehen
haben, ist jetzt durch den Proceß gegen den Propst Symforion v. Tomicki aus
Konojad ersichtlich geworden. Dieser hatte in der von ihm zu Kosten heraus¬
gegebenen Zeitschrift L^Kot-tur niöäüiLlrm (Sonntagsschule) in einem Aufsatz
zum Lobe der Jnsurrection zuletzt gesagt: „Verwandelt eure Pflüge in Schwer¬
ter und eure Hacken in Lanzen, denn ein freies Vaterland ist das Paradies
auf Erden." Die Staatsanwaltschaft sah in diesen Worten eine Aufforderung
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