Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.dem Urtheil oder von der Wahrhaftigkeit der Regierungen gibt, welche durch¬ Ganz anders steht die Politik des Herrn v. Bismarck. Man sagt, daß dem Urtheil oder von der Wahrhaftigkeit der Regierungen gibt, welche durch¬ Ganz anders steht die Politik des Herrn v. Bismarck. Man sagt, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116381"/> <p xml:id="ID_1498" prev="#ID_1497"> dem Urtheil oder von der Wahrhaftigkeit der Regierungen gibt, welche durch¬<lb/> gesetzt haben, daß man gegen den König von Dänemark Herzog von Hol¬<lb/> stein exequirt, um ih» zu einigen Concessionen gegen dies Land zu vermögen,<lb/> und daß man zu gleicher Zeit sich vorbehält, ihn. nachdem man mit ihm über<lb/> diese Concessionen verhandelt hat, später für einen Usurpator zu erklären.<lb/> Wenn es irgend etwas Vernunftwidriges und Unehrliches gibt, so ist es ein<lb/> solches Verfahren, — Bei alledem ist Oestreich weit abhängiger von der öffent¬<lb/> lichen Meinung, als die Leiter der wiener Politik zugeben möchten, man ist<lb/> dort beifallsbcdürstig geworden, und sobald die Bewegung in Deutschland<lb/> selbst Sorge einflößt, ist eine plötzliche Schwenkung, welche es an populärer<lb/> Auffassung Preußen zuvorthun möchte, gar nicht unmöglich. Wo nicht, so<lb/> wird diese Frage beitragen, die Deutschen für alle Zeit mit der Regierung des<lb/> Kaiserstaates auseinanderzusetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1499" next="#ID_1500"> Ganz anders steht die Politik des Herrn v. Bismarck. Man sagt, daß<lb/> König Wilhelm persönlich für eine Lebensfrage des preußischen Staats nicht<lb/> ohne Gefühl und der Sache der Herzogthümer nicht abgeneigt sei, aber dies<lb/> ist vorläufig gleichgiltig. Denn Herr v. Bismarck ist noch Vorsitzender seines<lb/> Ministeriums. Wahrlich, wenn man einst in der Geschichte lesen wird, daß ein<lb/> preußischer Minister mit dreister Stirn eine Politik verfolgt hat, welche die<lb/> Erhaltung Dänemarks wichtiger erachtet, als die Vergrößerung des preußischen<lb/> Einflusses durch ein, zwei stattliche Landschaften, man wird ein solches Nicht-<lb/> achten der höchsten Interessen des eigenen Staates, Verachten der leidenschaft¬<lb/> lichsten Wünsche in Preußen und Deutschland, Verhöhnen der verpfändeten Ehre<lb/> des preußischen Heeres als eine monströse Verirrung betrachten, deren letzte<lb/> Ursachen für gemeinen Menschenverstand und ein redliches Gemüth ganz unfa߬<lb/> bar sind. Den Preußen aber muß man immer wieder zurufen: Was sind<lb/> das für Zustände, die ihr zu ertragen habt, wie ist es möglich, daß dergleichen<lb/> bei euch eine Dauer haben kann! Für das Wort Friedrich Wilhelm des Vierten:<lb/> „Die Herzogthümer sind untheilbar und sie sind im Mannsstamm erblich", ist<lb/> Preußisches Blut Vergossen; in der schlechtesten Zeit einer schmachvollen, elenden,<lb/> unpreußischen Politik hat man wenigstens den äußern Schein bewahren wollen,<lb/> der Sache Schleswig-Holsteins zu dienen, und jetzt, wo die ganze Frage so<lb/> günstig geändert ist, daß Conservative und Liberale, Legitimität und Volksrecht<lb/> in seltener und höchst günstiger Weise zusammenstimmen, jetzt wagte ein preußischer<lb/> Minister kaum mehr geheim, nein öffentlich für die Interessen des alten erbitter¬<lb/> ten Feindes von Preußen Partei zu ergreifen, gegen das Staatsinteresse, gegen<lb/> die Stimmen des Volkes und seiner Vertreter, gegen die Forderung der Sol-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453]
dem Urtheil oder von der Wahrhaftigkeit der Regierungen gibt, welche durch¬
gesetzt haben, daß man gegen den König von Dänemark Herzog von Hol¬
stein exequirt, um ih» zu einigen Concessionen gegen dies Land zu vermögen,
und daß man zu gleicher Zeit sich vorbehält, ihn. nachdem man mit ihm über
diese Concessionen verhandelt hat, später für einen Usurpator zu erklären.
Wenn es irgend etwas Vernunftwidriges und Unehrliches gibt, so ist es ein
solches Verfahren, — Bei alledem ist Oestreich weit abhängiger von der öffent¬
lichen Meinung, als die Leiter der wiener Politik zugeben möchten, man ist
dort beifallsbcdürstig geworden, und sobald die Bewegung in Deutschland
selbst Sorge einflößt, ist eine plötzliche Schwenkung, welche es an populärer
Auffassung Preußen zuvorthun möchte, gar nicht unmöglich. Wo nicht, so
wird diese Frage beitragen, die Deutschen für alle Zeit mit der Regierung des
Kaiserstaates auseinanderzusetzen.
Ganz anders steht die Politik des Herrn v. Bismarck. Man sagt, daß
König Wilhelm persönlich für eine Lebensfrage des preußischen Staats nicht
ohne Gefühl und der Sache der Herzogthümer nicht abgeneigt sei, aber dies
ist vorläufig gleichgiltig. Denn Herr v. Bismarck ist noch Vorsitzender seines
Ministeriums. Wahrlich, wenn man einst in der Geschichte lesen wird, daß ein
preußischer Minister mit dreister Stirn eine Politik verfolgt hat, welche die
Erhaltung Dänemarks wichtiger erachtet, als die Vergrößerung des preußischen
Einflusses durch ein, zwei stattliche Landschaften, man wird ein solches Nicht-
achten der höchsten Interessen des eigenen Staates, Verachten der leidenschaft¬
lichsten Wünsche in Preußen und Deutschland, Verhöhnen der verpfändeten Ehre
des preußischen Heeres als eine monströse Verirrung betrachten, deren letzte
Ursachen für gemeinen Menschenverstand und ein redliches Gemüth ganz unfa߬
bar sind. Den Preußen aber muß man immer wieder zurufen: Was sind
das für Zustände, die ihr zu ertragen habt, wie ist es möglich, daß dergleichen
bei euch eine Dauer haben kann! Für das Wort Friedrich Wilhelm des Vierten:
„Die Herzogthümer sind untheilbar und sie sind im Mannsstamm erblich", ist
Preußisches Blut Vergossen; in der schlechtesten Zeit einer schmachvollen, elenden,
unpreußischen Politik hat man wenigstens den äußern Schein bewahren wollen,
der Sache Schleswig-Holsteins zu dienen, und jetzt, wo die ganze Frage so
günstig geändert ist, daß Conservative und Liberale, Legitimität und Volksrecht
in seltener und höchst günstiger Weise zusammenstimmen, jetzt wagte ein preußischer
Minister kaum mehr geheim, nein öffentlich für die Interessen des alten erbitter¬
ten Feindes von Preußen Partei zu ergreifen, gegen das Staatsinteresse, gegen
die Stimmen des Volkes und seiner Vertreter, gegen die Forderung der Sol-
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