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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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rinn für Dänemark kein andres gibt. Man hat dort die Massen so lange
fanatisirt, daß jetzt, wenn das Ministerium sich nicht behauptet, keine Schranke
mehr ist gegen eine Pöbel-Revolution, der voraussichtlich ein verzweifelter An¬
schluß des dynastielosen Staates an Schweden folgen würde. Ein Fall, den
auch wir Deutsche für ein Glück nicht nur der Herzogthümer, auch Europas
erachten müssen. Dennoch ist nicht unmöglich, daß Dänemark durch Furcht vor
den Folgen der Execution und durch daS Drängen der befreundeten Regierungen
bewogen werde, noch in der letzten Stunde einige Concessionen zu machen,
welche die Execution verhindern, oder doch zu einer schnell vorübergehenden
Bändigungsmaßregel gegen die Herzogthümer machen.

In Deutschland aber haben sich die Verhältnisse so seltsam gestaltet, daß
mit den Staaten, welche den neuen Herzog von Schleswig-Holstein offen an¬
erkannt haben, jetzt Sachsen, Würtemberg, Darmstadt, Nassau in vorsichtiger
Zurückhaltung der Sache der Herzogthümer geneigt scheinen, Bayern aber sich
anschickt. Vorkämpfer der nationalen Auffassung zu werden*). Im Bunde selbst
ist das Schisma entschieden, die beiden Großmächte haben ihre Abneigung er¬
klärt, sich in dieser Frage majorisiren zu lassen.

Die Stellung Oestreichs ist einfach und klar. Es bedürfte für uns keines
Beweises', welche Tendenz die Reformbestrebungen des vergangenen Sommers
hatten. Jetzt ist die ganze Hohlheit dieses Anlaufs vor Jedermanns Augen
bloß gelegt. Daß die Herzogthümer unter einem selbständigen Fürsten zuletzt doch
der natürliche Verbündete Preußens sein würden und daß Oestreich eine solche
Machtvermehrung Preußens nicht zugeben dürfe, ist das Axiom der Politik des
Herrn v. Rechberg, welches sich mit der Naivetät geltend macht, womit solche
dynastische Interessen etwa zur Zeit des wiener Congresses behandelt wurden.
Wenn Herr v. Rechberg aus eine Jnterpellation des Reichtages gar die Treu¬
herzigkeit hat zu versichern, daß eine Bundesexecution in Holstein keineswegs
die Anerkennung der Successionsrechte des jetzigen Königs von Dänemark invol-
vire, so ist dergleichen Phrase allerdings vielleicht genügend, um die Oppo¬
sition im Reichsrath zum Schweigen zu bringen; wenn dieselbe Phrase aber
auch dem unseligen Executionsbeschluß des Bundes angehängt wurde, so dür-
sen wir versichern, daß sie den Deutschen keine hohe Meinung, entweder von



D. Red.
") Nach der officiösen "Bayerischen Zeitung" wäre dies leider nicht der Fall, sondern
Bayern nähme zu der Frage ungefähr die Stellung ein wie Sachsen und Würtemberg.

rinn für Dänemark kein andres gibt. Man hat dort die Massen so lange
fanatisirt, daß jetzt, wenn das Ministerium sich nicht behauptet, keine Schranke
mehr ist gegen eine Pöbel-Revolution, der voraussichtlich ein verzweifelter An¬
schluß des dynastielosen Staates an Schweden folgen würde. Ein Fall, den
auch wir Deutsche für ein Glück nicht nur der Herzogthümer, auch Europas
erachten müssen. Dennoch ist nicht unmöglich, daß Dänemark durch Furcht vor
den Folgen der Execution und durch daS Drängen der befreundeten Regierungen
bewogen werde, noch in der letzten Stunde einige Concessionen zu machen,
welche die Execution verhindern, oder doch zu einer schnell vorübergehenden
Bändigungsmaßregel gegen die Herzogthümer machen.

In Deutschland aber haben sich die Verhältnisse so seltsam gestaltet, daß
mit den Staaten, welche den neuen Herzog von Schleswig-Holstein offen an¬
erkannt haben, jetzt Sachsen, Würtemberg, Darmstadt, Nassau in vorsichtiger
Zurückhaltung der Sache der Herzogthümer geneigt scheinen, Bayern aber sich
anschickt. Vorkämpfer der nationalen Auffassung zu werden*). Im Bunde selbst
ist das Schisma entschieden, die beiden Großmächte haben ihre Abneigung er¬
klärt, sich in dieser Frage majorisiren zu lassen.

Die Stellung Oestreichs ist einfach und klar. Es bedürfte für uns keines
Beweises', welche Tendenz die Reformbestrebungen des vergangenen Sommers
hatten. Jetzt ist die ganze Hohlheit dieses Anlaufs vor Jedermanns Augen
bloß gelegt. Daß die Herzogthümer unter einem selbständigen Fürsten zuletzt doch
der natürliche Verbündete Preußens sein würden und daß Oestreich eine solche
Machtvermehrung Preußens nicht zugeben dürfe, ist das Axiom der Politik des
Herrn v. Rechberg, welches sich mit der Naivetät geltend macht, womit solche
dynastische Interessen etwa zur Zeit des wiener Congresses behandelt wurden.
Wenn Herr v. Rechberg aus eine Jnterpellation des Reichtages gar die Treu¬
herzigkeit hat zu versichern, daß eine Bundesexecution in Holstein keineswegs
die Anerkennung der Successionsrechte des jetzigen Königs von Dänemark invol-
vire, so ist dergleichen Phrase allerdings vielleicht genügend, um die Oppo¬
sition im Reichsrath zum Schweigen zu bringen; wenn dieselbe Phrase aber
auch dem unseligen Executionsbeschluß des Bundes angehängt wurde, so dür-
sen wir versichern, daß sie den Deutschen keine hohe Meinung, entweder von



D. Red.
") Nach der officiösen „Bayerischen Zeitung" wäre dies leider nicht der Fall, sondern
Bayern nähme zu der Frage ungefähr die Stellung ein wie Sachsen und Würtemberg.
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[0452] rinn für Dänemark kein andres gibt. Man hat dort die Massen so lange fanatisirt, daß jetzt, wenn das Ministerium sich nicht behauptet, keine Schranke mehr ist gegen eine Pöbel-Revolution, der voraussichtlich ein verzweifelter An¬ schluß des dynastielosen Staates an Schweden folgen würde. Ein Fall, den auch wir Deutsche für ein Glück nicht nur der Herzogthümer, auch Europas erachten müssen. Dennoch ist nicht unmöglich, daß Dänemark durch Furcht vor den Folgen der Execution und durch daS Drängen der befreundeten Regierungen bewogen werde, noch in der letzten Stunde einige Concessionen zu machen, welche die Execution verhindern, oder doch zu einer schnell vorübergehenden Bändigungsmaßregel gegen die Herzogthümer machen. In Deutschland aber haben sich die Verhältnisse so seltsam gestaltet, daß mit den Staaten, welche den neuen Herzog von Schleswig-Holstein offen an¬ erkannt haben, jetzt Sachsen, Würtemberg, Darmstadt, Nassau in vorsichtiger Zurückhaltung der Sache der Herzogthümer geneigt scheinen, Bayern aber sich anschickt. Vorkämpfer der nationalen Auffassung zu werden*). Im Bunde selbst ist das Schisma entschieden, die beiden Großmächte haben ihre Abneigung er¬ klärt, sich in dieser Frage majorisiren zu lassen. Die Stellung Oestreichs ist einfach und klar. Es bedürfte für uns keines Beweises', welche Tendenz die Reformbestrebungen des vergangenen Sommers hatten. Jetzt ist die ganze Hohlheit dieses Anlaufs vor Jedermanns Augen bloß gelegt. Daß die Herzogthümer unter einem selbständigen Fürsten zuletzt doch der natürliche Verbündete Preußens sein würden und daß Oestreich eine solche Machtvermehrung Preußens nicht zugeben dürfe, ist das Axiom der Politik des Herrn v. Rechberg, welches sich mit der Naivetät geltend macht, womit solche dynastische Interessen etwa zur Zeit des wiener Congresses behandelt wurden. Wenn Herr v. Rechberg aus eine Jnterpellation des Reichtages gar die Treu¬ herzigkeit hat zu versichern, daß eine Bundesexecution in Holstein keineswegs die Anerkennung der Successionsrechte des jetzigen Königs von Dänemark invol- vire, so ist dergleichen Phrase allerdings vielleicht genügend, um die Oppo¬ sition im Reichsrath zum Schweigen zu bringen; wenn dieselbe Phrase aber auch dem unseligen Executionsbeschluß des Bundes angehängt wurde, so dür- sen wir versichern, daß sie den Deutschen keine hohe Meinung, entweder von D. Red. ") Nach der officiösen „Bayerischen Zeitung" wäre dies leider nicht der Fall, sondern Bayern nähme zu der Frage ungefähr die Stellung ein wie Sachsen und Würtemberg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/452>, abgerufen am 28.01.2025.