Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Unser Recht und Interesse in Schleswig-Holstein. Die Schleswig-holsteinische Frage ist durch die neuesten Ereignisse eine sehr Die Majorität der Bundesversammlung hat sich am 6. December, in¬ Unser Recht und Interesse in Schleswig-Holstein. Die Schleswig-holsteinische Frage ist durch die neuesten Ereignisse eine sehr Die Majorität der Bundesversammlung hat sich am 6. December, in¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116370"/> </div> <div n="1"> <head> Unser Recht und Interesse in Schleswig-Holstein.</head><lb/> <p xml:id="ID_1459"> Die Schleswig-holsteinische Frage ist durch die neuesten Ereignisse eine sehr<lb/> einfache geworden. Sie drückt sich in einer Formel aus, welche Alles, was<lb/> bisher streitig war, einschließt und löst. Diese Formel heißt- Anerkennung<lb/> des Herzogs Friedrich als Souverän der Lande zwischen Elbe und KönigSau<lb/> oder Anerkennung des londoner Protokolls? Mit andern Worten: Trennung<lb/> Schleswig-Holsteins von Dänemark oder neue und endgiltige Zusammcnschwci-<lb/> ßung dieser deutscheu Herzogthümer mit den Besitzungen eines fremden Herr¬<lb/> schers? Wieder mit andern Worten: Wahrung eines wahren deutschen Interesses<lb/> oder Nachgiebigkeit gegen ein vorgebliches europäisches Interesse?</p><lb/> <p xml:id="ID_1460"> Die Majorität der Bundesversammlung hat sich am 6. December, in¬<lb/> dem sie sich für die Execution entschied, gegen das deutsche Interesse er¬<lb/> klärt; denn den Vorbehalt der Successionssrage halten wir für eine blos<lb/> scheinbare und blos vorläufige Concession an die erregte Stimmung der<lb/> Nation, die Behauptung, daß das Erbfvlgerecht der Äugustcnburger erst<lb/> noch der Prüfung bedürfe, für eine Ausflucht aus Gründen vermeintlicher<lb/> Zweckmäßigkeit. Die Schleswig-holsteinische Erbfolgcfrage ist seit vollen zwan¬<lb/> zig Jahren im Munde der Diplomatie, und wozu vollbesetzte Ministerien<lb/> des Auswärtigen, wenn man bis heute noch nicht zu Ja oder Nein kom¬<lb/> men konnte? Die Schleswig-holsteinische Erbfolgefrage ist von den deutschen<lb/> Staatsrechtslehrern und Historikern seit ebenso langer Zeit mit deutscher Gründ¬<lb/> lichkeit und Gewissenhaftigkeit durchforscht worden, und sie ist nicht blos von<lb/> solchen, die wir der freisinnigen Partei zuzählen, nicht blos von Dahlmann,<lb/> Waitz, Michelsen, Droysen, Samwer, sondern auch von Männer» der Gegenpartei,<lb/> wie Zachariä und Zoepfl entschieden und zweifellos zu Gunsten derjenigen<lb/> Auffassung gelöst worden, nach welcher der bisherige Erbprinz von Augusten¬<lb/> burg jetzt Herzog von Schleswig-Holstein ist. Eine einzige Stimme, der ver¬<lb/> storbene Geheimrath und Professor Pernice in Halle, erklärte sich im entgegen¬<lb/> gesetzten Sinne, und auch dieser — wir nehmen an aus Scham — nur in<lb/> der Stille, hinter dem Vorhang, der die Ränke der Diplomatie den Augen<lb/> der Welt verbirgt. Sein Gutachten, bis heute nie veröffentlicht, jetzt in<lb/> Kopenhagen zur Publication vorbereitet, entstand auf Veranlassung des Herrn<lb/> v. Manteuffel, der damit den König von Preußen bewegen wollte, gegen seine<lb/> frühere offene und unzweideutige Erklärung für das Erbrecht des Manns-<lb/> stammes das londoner Protokoll zu unterzeichnen. Der König ließ si.!, obwohl<lb/> der Hauptgrund Pcrnices, die mangelnde Ebenbürtigkeit vor der unzweifelhaften<lb/> Observanz des oldenburgischen Gesammthauses in nichts zerfiel, obwohl er An¬<lb/> fangs von ..faulen Fischen" sprach, überzeugen/ das Protokoll erhielt die Unter-<lb/> schrift Preußens, und der Herr v. Manteuffel den dänischen Elephcmtenvrden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Unser Recht und Interesse in Schleswig-Holstein.
Die Schleswig-holsteinische Frage ist durch die neuesten Ereignisse eine sehr
einfache geworden. Sie drückt sich in einer Formel aus, welche Alles, was
bisher streitig war, einschließt und löst. Diese Formel heißt- Anerkennung
des Herzogs Friedrich als Souverän der Lande zwischen Elbe und KönigSau
oder Anerkennung des londoner Protokolls? Mit andern Worten: Trennung
Schleswig-Holsteins von Dänemark oder neue und endgiltige Zusammcnschwci-
ßung dieser deutscheu Herzogthümer mit den Besitzungen eines fremden Herr¬
schers? Wieder mit andern Worten: Wahrung eines wahren deutschen Interesses
oder Nachgiebigkeit gegen ein vorgebliches europäisches Interesse?
Die Majorität der Bundesversammlung hat sich am 6. December, in¬
dem sie sich für die Execution entschied, gegen das deutsche Interesse er¬
klärt; denn den Vorbehalt der Successionssrage halten wir für eine blos
scheinbare und blos vorläufige Concession an die erregte Stimmung der
Nation, die Behauptung, daß das Erbfvlgerecht der Äugustcnburger erst
noch der Prüfung bedürfe, für eine Ausflucht aus Gründen vermeintlicher
Zweckmäßigkeit. Die Schleswig-holsteinische Erbfolgcfrage ist seit vollen zwan¬
zig Jahren im Munde der Diplomatie, und wozu vollbesetzte Ministerien
des Auswärtigen, wenn man bis heute noch nicht zu Ja oder Nein kom¬
men konnte? Die Schleswig-holsteinische Erbfolgefrage ist von den deutschen
Staatsrechtslehrern und Historikern seit ebenso langer Zeit mit deutscher Gründ¬
lichkeit und Gewissenhaftigkeit durchforscht worden, und sie ist nicht blos von
solchen, die wir der freisinnigen Partei zuzählen, nicht blos von Dahlmann,
Waitz, Michelsen, Droysen, Samwer, sondern auch von Männer» der Gegenpartei,
wie Zachariä und Zoepfl entschieden und zweifellos zu Gunsten derjenigen
Auffassung gelöst worden, nach welcher der bisherige Erbprinz von Augusten¬
burg jetzt Herzog von Schleswig-Holstein ist. Eine einzige Stimme, der ver¬
storbene Geheimrath und Professor Pernice in Halle, erklärte sich im entgegen¬
gesetzten Sinne, und auch dieser — wir nehmen an aus Scham — nur in
der Stille, hinter dem Vorhang, der die Ränke der Diplomatie den Augen
der Welt verbirgt. Sein Gutachten, bis heute nie veröffentlicht, jetzt in
Kopenhagen zur Publication vorbereitet, entstand auf Veranlassung des Herrn
v. Manteuffel, der damit den König von Preußen bewegen wollte, gegen seine
frühere offene und unzweideutige Erklärung für das Erbrecht des Manns-
stammes das londoner Protokoll zu unterzeichnen. Der König ließ si.!, obwohl
der Hauptgrund Pcrnices, die mangelnde Ebenbürtigkeit vor der unzweifelhaften
Observanz des oldenburgischen Gesammthauses in nichts zerfiel, obwohl er An¬
fangs von ..faulen Fischen" sprach, überzeugen/ das Protokoll erhielt die Unter-
schrift Preußens, und der Herr v. Manteuffel den dänischen Elephcmtenvrden.
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