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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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gen, lebt die hohe Aristokratie auf und von ihrem Grundbesitz -- kümmert sich
aber heute noch gar wenig um die Fortschritte der Agricultur, vielmehr darum,
daß ihre Beamten in weißer Halsbinde sich bücken und -- dieselben Dumm¬
köpfe bleiben bis ans Ende der Tage.

Die Gutspächtcr und die kleineren Besser bilden das vorwärtstreibcnde
Element auf diesem Gebiet, aber sie entbehren noch vielfach des Bewußtseins,
einem großen Paterlande anzugehören und seinem Vorschreiten etwas schuldig
zu sein; ihnen genügt im Allgemeinen, daß sie Mitglieder irgend eines baye¬
rischen, hessischen, hannoverischen landwirtschaftlichen Local-Vereins sind. Aber
verschweigen wir nicht, daß auch von Seiten des Vorstands der deutschen Ackcrbau-
gesellschaft nichts geschal), was begreiflich machen konnte, wie viel das Nationale
gewönne, wenn alle deutschen Landwirthe die Ackerbaugesellschaft als ihren
Vorort und alle landwirthschaftlichen Provinzialinteressen ihre Vertretung in dem
Gesammtorgan eines deutschen Vereins finden würden.

Der Vorstand besteht zur Zeit aus den Herren von Nathusius zu Hun-
disburg in Preußen, von Niethammer in München und Freiherr Kiese von Stall¬
burg in Prag.

Indessen schon jetzt ist kein Zweifel, daß die deutsche Ackerbaugesellschaft
an unmittelbarer praktischer Bedeutung die Wanderversammlung überflügelt hat.
Es ist dies natürlich. Der praktische Mann will etwas vor die Augen geführt
haben und Erfolge handgreiflich spüren. Die Wissenschaft sucht dagegen die
Stille auf und ärgert sich über den Lärm und die Aeußerlichkeit. Beide Ver¬
eine werden nebeneinander bestehn; der Eine grabend Nach der Erkenntniß des
heute noch Verschlossenen, der Andere das Entdeckte producirend, das Product
vorführend; jene mit der Gewalt des Wissens, des Worts, der Debatte käm¬
pfend, diese durch das Geschaffene überzeugend und zu Weiterem einladend;
Beide den Fortschritt erstrebend und wirklich fördernd. Im nächsten Jahre
tagen sie zu gleicher Zeit in Dresden, da wird den'verschiedenen Interessen
auf ein Mal gedient.

Um für jetzt schon zu zeigen, was solche Ausstellungen bedeuten und lei¬
sten, gestatte der geneigte Leser als Schluß dieser Abhandlung, ihm in den
beiden folgenden Abschnitten die "internationale landwirthschaftli ehe
Ausstellung", die im Juli d. I. zu Hamburg abgehalten wurde, mit kurzen
Worten vorzuführen, zumal diese zweite von der deutschen Ackerbaugesellschaft
veranstaltete Ausstellung die größte und bedeutendste war, welche bisher über¬
haupt irgendwo stattfand, und dieselbe so ganz besonders geeignet erscheint, den
Standpunkt des heutigen Ackerbaues genügend zu versinnlichen.




Grenzboten IV. 1863.

gen, lebt die hohe Aristokratie auf und von ihrem Grundbesitz — kümmert sich
aber heute noch gar wenig um die Fortschritte der Agricultur, vielmehr darum,
daß ihre Beamten in weißer Halsbinde sich bücken und — dieselben Dumm¬
köpfe bleiben bis ans Ende der Tage.

Die Gutspächtcr und die kleineren Besser bilden das vorwärtstreibcnde
Element auf diesem Gebiet, aber sie entbehren noch vielfach des Bewußtseins,
einem großen Paterlande anzugehören und seinem Vorschreiten etwas schuldig
zu sein; ihnen genügt im Allgemeinen, daß sie Mitglieder irgend eines baye¬
rischen, hessischen, hannoverischen landwirtschaftlichen Local-Vereins sind. Aber
verschweigen wir nicht, daß auch von Seiten des Vorstands der deutschen Ackcrbau-
gesellschaft nichts geschal), was begreiflich machen konnte, wie viel das Nationale
gewönne, wenn alle deutschen Landwirthe die Ackerbaugesellschaft als ihren
Vorort und alle landwirthschaftlichen Provinzialinteressen ihre Vertretung in dem
Gesammtorgan eines deutschen Vereins finden würden.

Der Vorstand besteht zur Zeit aus den Herren von Nathusius zu Hun-
disburg in Preußen, von Niethammer in München und Freiherr Kiese von Stall¬
burg in Prag.

Indessen schon jetzt ist kein Zweifel, daß die deutsche Ackerbaugesellschaft
an unmittelbarer praktischer Bedeutung die Wanderversammlung überflügelt hat.
Es ist dies natürlich. Der praktische Mann will etwas vor die Augen geführt
haben und Erfolge handgreiflich spüren. Die Wissenschaft sucht dagegen die
Stille auf und ärgert sich über den Lärm und die Aeußerlichkeit. Beide Ver¬
eine werden nebeneinander bestehn; der Eine grabend Nach der Erkenntniß des
heute noch Verschlossenen, der Andere das Entdeckte producirend, das Product
vorführend; jene mit der Gewalt des Wissens, des Worts, der Debatte käm¬
pfend, diese durch das Geschaffene überzeugend und zu Weiterem einladend;
Beide den Fortschritt erstrebend und wirklich fördernd. Im nächsten Jahre
tagen sie zu gleicher Zeit in Dresden, da wird den'verschiedenen Interessen
auf ein Mal gedient.

Um für jetzt schon zu zeigen, was solche Ausstellungen bedeuten und lei¬
sten, gestatte der geneigte Leser als Schluß dieser Abhandlung, ihm in den
beiden folgenden Abschnitten die „internationale landwirthschaftli ehe
Ausstellung", die im Juli d. I. zu Hamburg abgehalten wurde, mit kurzen
Worten vorzuführen, zumal diese zweite von der deutschen Ackerbaugesellschaft
veranstaltete Ausstellung die größte und bedeutendste war, welche bisher über¬
haupt irgendwo stattfand, und dieselbe so ganz besonders geeignet erscheint, den
Standpunkt des heutigen Ackerbaues genügend zu versinnlichen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/441>, abgerufen am 15.01.2025.