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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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über die Beziehungen Preußens und Oestreichs zu Rußland und Frankreich
während des russisch-französischen Krieges, ganz besonders aber über die
Windungen, durch welche die östreichische Politik nach der Katastrophe in Nu߬
land sich dem französischen Bündnisse aus eine möglichst glatte und nach keiner
Seite hin compromittirende oder bindende Weise zu entziehen suchte. In Preu¬
ßen waren, als die Nachricht von dem Untergange der französischen Armee be¬
kannt wurde, Volk und Negierung darüber einig, daß diese Gelegenheit zur
Avschüttelung des verhaßten Joches und zur Wiederherstellung der preußischen
Monarchie in ihrem alten Umfange mit Aufbietung aller Kräfte benutzt werden
müsse. In Oestreich dagegen traten jedem raschen Entschlüsse sofort,zdie mannig¬
fachsten Bedenken entgegen. Zunächst die allerdings nicht unbegründete Furcht
vor einem übermäßigen Anschwellen der russischen Macht; sodann die entschiedene
Abneigung gegen den volkstümlichen Charakter, den der Kampf in Folge der
preußischen Erhebung anzunehmen drohte. Endlich läßt sich nicht verkennen,
daß früh die Eifersucht gegen Preußen wiederum in den Erwägungen des wie¬
ner Cabinets sich geltend machte. Man wollte allerdings die Herstellung Preu¬
ßens; in welchem Sinne man aber dieselbe verstand, beweist die Frage, die
Metternich nach der Schlacht bei Bautzen an Humboldt richtete, ob einige
Landstriche an der Elbe und das polnische Südpreußen Friedrich Wilhelm dem
Dritten genügen würden. Unter diesen verschiedenartigen Eindrücken bildete
sich schon während des französisch-russischen Krieges die von Hardenberg und
Humboldt eifrig bekämpfte Ansicht aus, man müsse die beiden Kämpfer sich
selbst abschwächen lassen; während sie sich verbluteten, gewinne Oestreich und
Preußen Zeit, neue Kraft zu sammeln und allmälig die Machtstellung wieder zu
gewinnen, die sie vordem besessen. Die rein neutrale Rolle eines Zuschauers
mußte sich, nachdem Preußen seine ersten Schritte zu einem Bündnisse mit
Rußland gethan hatte, von selbst in die Rolle des Vermittlers verwandeln.
nachdrücklich weist Hauffer die vom französischen Standpunkte aus gegen Oest¬
reich erhobene Anklage der Perfidie und Illoyalität zurück. Oestreichs Ver¬
mittelungsbasis war für Frankreich so überaus günstig, daß ihre Zurückweisung
sich nur aus der völligen Verblendung Napoleons über seine Lage erklären
läßt. Am 16. Mai hatte im Auftrag des wiener Cabinets Bubna an Napoleon
die Vorschläge Preußens und Rußlands zu überbringen: Herstellung Preußens
und Oestreichs in ihrem Umfange von 1805, Auflösung des Rheinbundes und
die Zurückgabe der norddeutschen Gebiete, dazu die Auflösung des Herzogthums
Warschau. Die Forderung des Rheinbundes sollte Bubna nach seiner Instruc-
tion nur in dem Falle an Napoleon richten, wenn die Verbündeten einen Sieg
erfochten hätten; die Rückgabe der norddeutschen Gebiete sollte er lediglich als
einen Wunsch Rußlands und Preußens betonen und höchstens dann in die
Reihe seiner Austräge ausnehmen, wenn Napoleons jüngster Erfolg sich nicht


Grenzboten IV. 1863. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/425>, abgerufen am 23.01.2025.