Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.es ihm an Wahrhaftigkeit und Festigkeit und UnVeränderlichkeit der Grundsätze Es macht übrigens einen überaus wohlthuenden Eindruck, in der deut¬ Sehr schätzenswerthe Aufschlüsse verdanken wir der Korrespondenz Humboldts es ihm an Wahrhaftigkeit und Festigkeit und UnVeränderlichkeit der Grundsätze Es macht übrigens einen überaus wohlthuenden Eindruck, in der deut¬ Sehr schätzenswerthe Aufschlüsse verdanken wir der Korrespondenz Humboldts <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116352"/> <p xml:id="ID_1402" prev="#ID_1401"> es ihm an Wahrhaftigkeit und Festigkeit und UnVeränderlichkeit der Grundsätze<lb/> fehle. Es werde bei ihm nicht vorkommen, wie bei einem Manne von Pro-<lb/> noncirtem Charakter, daß er lieber seine Stelle aufgebe, als unter Umständen<lb/> ein ganz entgegengesetztes System befolge. Insofern werde die politische Hal¬<lb/> tung des wiener Hofes, solange Metternich die Geschäfte leite, stets schwan¬<lb/> kend, schwer zu begreifen und niemals über Zweifeln und Sorgen erhaben sein.<lb/> Die Schilderung, welche unter Anderm auch eine treffende Vergleichung Sta¬<lb/> tions und Metternichs enthält, in ihrem ganzen Umfange mitzutheilen, ver¬<lb/> bietet uns ihre Ausführlichkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403"> Es macht übrigens einen überaus wohlthuenden Eindruck, in der deut¬<lb/> schen Diplomatie nach einer langen Periode des Verfalles einem überlegenen<lb/> Geiste zu begegnen, der, während er die Gefahren der Lage und die Schwäche<lb/> der eigenen Mittel hinlänglich zu würdigen wußte, nickt einen Augenblick sich<lb/> muthlofer Verzweiflung hingab, der zu einer Zeit, wo Preußen so tief ge¬<lb/> sunken war, daß jede Laune des Imperators die letzten Reste des Staates<lb/> ungehindert zu zertrümmern vermochte, nur darauf bedacht war, die Be¬<lb/> freiung des Vaterlandes vorzubereiten. So wirkte er. der ruhige, reflec-<lb/> tirende Denker, der durchdringende, überlegene Beobachter, als Minister wie<lb/> als Gesandter, in demselben großen Sinne, wenn auch in verschiedener<lb/> Weise, wie die großen Männer der That, die Stein, Scharnhorst, Gneisenau.<lb/> Es kam der Augenblick näher, wo das ganze durch diese Männer neu erweckte<lb/> Leben der Nation, in dem einen Gedanken sich concentriren sollte: das Vater¬<lb/> land zu erretten. Noch aber war dieser Augenblick nicht gekommen, noch galt<lb/> es. ihn vorzubereiten. Die Aufgabe, die Humboldt in Wien zunächst zu lösen<lb/> hatte, hatte er klar erfaßt; es kam darauf an, ein freundschaftliches Verhältniß<lb/> zu Oestreich zu Pflegen und einem engeren Anschlusse Oestreichs an Napoleon,<lb/> der bei dem schwankenden und schweigsamen Charakter der östreichischen Staats¬<lb/> leitung allerdings zu fürchten war, entgegenzuarbeiten. Letzteres war um<lb/> so wichtiger, als die größere oder geringere Festigkeit, mit der Oestreich den<lb/> Zumuthungen Napoleons widerstand, nothwendig auch auf die Haltung Preu¬<lb/> ßens zurückwirken mußte, wie umgekehrt Oestreichs Verhalten von dem Ver¬<lb/> trauen bedingt war, welches Man in Wien auf die Festigkeit des berliner Cabi-<lb/> nets hatte. Jedem Gedanken eines engeren Anschlusses Preußens an Frank¬<lb/> reich tritt er kräftig entgegen. Als eine berliner Depesche auf die vielleicht<lb/> unvermeidliche Eventualität einer näheren Verbindung mit Frankreich hindeutet,<lb/> bekämpft er diesen Gedanken sogleich aufs Entschiedenste. Oestreich sei noch<lb/> nicht mit Frankreich alliirt. und so lange die Hoffnung bestehe, daß Oestreich mit<lb/> der Zeit eine kräftigere Haltung gegen Frankreich einnehmen werde, genüge es für<lb/> Preußen, seine Verbindlichkeiten gegen Frankreich zu erfüllen, aber nicht mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1404" next="#ID_1405"> Sehr schätzenswerthe Aufschlüsse verdanken wir der Korrespondenz Humboldts</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0424]
es ihm an Wahrhaftigkeit und Festigkeit und UnVeränderlichkeit der Grundsätze
fehle. Es werde bei ihm nicht vorkommen, wie bei einem Manne von Pro-
noncirtem Charakter, daß er lieber seine Stelle aufgebe, als unter Umständen
ein ganz entgegengesetztes System befolge. Insofern werde die politische Hal¬
tung des wiener Hofes, solange Metternich die Geschäfte leite, stets schwan¬
kend, schwer zu begreifen und niemals über Zweifeln und Sorgen erhaben sein.
Die Schilderung, welche unter Anderm auch eine treffende Vergleichung Sta¬
tions und Metternichs enthält, in ihrem ganzen Umfange mitzutheilen, ver¬
bietet uns ihre Ausführlichkeit.
Es macht übrigens einen überaus wohlthuenden Eindruck, in der deut¬
schen Diplomatie nach einer langen Periode des Verfalles einem überlegenen
Geiste zu begegnen, der, während er die Gefahren der Lage und die Schwäche
der eigenen Mittel hinlänglich zu würdigen wußte, nickt einen Augenblick sich
muthlofer Verzweiflung hingab, der zu einer Zeit, wo Preußen so tief ge¬
sunken war, daß jede Laune des Imperators die letzten Reste des Staates
ungehindert zu zertrümmern vermochte, nur darauf bedacht war, die Be¬
freiung des Vaterlandes vorzubereiten. So wirkte er. der ruhige, reflec-
tirende Denker, der durchdringende, überlegene Beobachter, als Minister wie
als Gesandter, in demselben großen Sinne, wenn auch in verschiedener
Weise, wie die großen Männer der That, die Stein, Scharnhorst, Gneisenau.
Es kam der Augenblick näher, wo das ganze durch diese Männer neu erweckte
Leben der Nation, in dem einen Gedanken sich concentriren sollte: das Vater¬
land zu erretten. Noch aber war dieser Augenblick nicht gekommen, noch galt
es. ihn vorzubereiten. Die Aufgabe, die Humboldt in Wien zunächst zu lösen
hatte, hatte er klar erfaßt; es kam darauf an, ein freundschaftliches Verhältniß
zu Oestreich zu Pflegen und einem engeren Anschlusse Oestreichs an Napoleon,
der bei dem schwankenden und schweigsamen Charakter der östreichischen Staats¬
leitung allerdings zu fürchten war, entgegenzuarbeiten. Letzteres war um
so wichtiger, als die größere oder geringere Festigkeit, mit der Oestreich den
Zumuthungen Napoleons widerstand, nothwendig auch auf die Haltung Preu¬
ßens zurückwirken mußte, wie umgekehrt Oestreichs Verhalten von dem Ver¬
trauen bedingt war, welches Man in Wien auf die Festigkeit des berliner Cabi-
nets hatte. Jedem Gedanken eines engeren Anschlusses Preußens an Frank¬
reich tritt er kräftig entgegen. Als eine berliner Depesche auf die vielleicht
unvermeidliche Eventualität einer näheren Verbindung mit Frankreich hindeutet,
bekämpft er diesen Gedanken sogleich aufs Entschiedenste. Oestreich sei noch
nicht mit Frankreich alliirt. und so lange die Hoffnung bestehe, daß Oestreich mit
der Zeit eine kräftigere Haltung gegen Frankreich einnehmen werde, genüge es für
Preußen, seine Verbindlichkeiten gegen Frankreich zu erfüllen, aber nicht mehr.
Sehr schätzenswerthe Aufschlüsse verdanken wir der Korrespondenz Humboldts
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