Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.und Gemüthslebens schloß: so ist gerade dieses Gedicht wie kein zweites in Es ist nicht wenig gesagt, wenn wir hierauf einfach und ohne Vorbehalt Grenzboten IV. 1863. 49
und Gemüthslebens schloß: so ist gerade dieses Gedicht wie kein zweites in Es ist nicht wenig gesagt, wenn wir hierauf einfach und ohne Vorbehalt Grenzboten IV. 1863. 49
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116321"/> <p xml:id="ID_1331" prev="#ID_1330"> und Gemüthslebens schloß: so ist gerade dieses Gedicht wie kein zweites in<lb/> dem engsten und direktesten Anschlusse an ein reiches und anziehendes Local ge¬<lb/> dacht. Eine unendliche Mannigfaltigkeit landschaftlicher Anschauungen ist in<lb/> dasselbe hineingearbeitet, und zwar sind dieselben nicht nur äußerlich hincinver-<lb/> webt, sondern durchaus innerlich und organisch mit dem Ton des Gedichtes<lb/> verwachsen und können nicht getrennt von demselben gedacht werden. Diesen<lb/> vom Dichter in sein Werk gelegten Reichthum sichtbar zu Gestalt und Wesen<lb/> zu bringen und so auf dem Boden des poetischen ein malerisches Kunstwerk zu<lb/> vollenden, dieses mußte der Künstler bei seinem Unternehmen erstreben, wollte<lb/> er anders seiner Ausgabe gerecht werden. Und hat er es erreicht?</p><lb/> <p xml:id="ID_1332" next="#ID_1333"> Es ist nicht wenig gesagt, wenn wir hierauf einfach und ohne Vorbehalt<lb/> mit Ja antworten, und wir werden, wenn wir den Schein vermeiden wollen,<lb/> hiermit mehr ein willkürliches Postulat als ein gewissenhaftes und begründetes<lb/> Urtheil auszusprechen versuchen müssen, durch eine nähere Darlegung und<lb/> Ausführung desselben dem Leser die Ueberzeugung zu geben, daß wir uns<lb/> einer nach jeder Richtung außerordentlichen Leistung gegenüber finden, welche,<lb/> wie sie ist, mit rückhaltsloser Bewunderung empfangen sein will. In der That<lb/> begegnen wir hier einer solchen Gewalt und Genialität der Phantasie einer¬<lb/> seits, einer solchen harmonischen, lückenlosen Durchbildung dieser Begabung<lb/> andererseits, daß wir uns an die besten Zeiten früherer Kunstblüthe erinnert<lb/> finden. Vor Allem muß es erfreuen und erquicken, hier durchweg kräftigen<lb/> und männlichen Erfindungen, den Kindern einer derben und gesunden Phan¬<lb/> tasie zu begegnen, die der Anmuth am rechten Orte nicht entbehrt, aber nur<lb/> eine Anmuth kennt, die als die Blüthe einer überwundenen herben Tüchtigkeit<lb/> hervorwächst. Hier ist nichts zu finden von jener modernen Salonempfindung,<lb/> jener eines wahrhaften Gehalts entbehrenden „Grazie" 5, Wut prix, welche in<lb/> unserer Kunst nur allzusehr ihr Wesen getrieben hat und noch treibt. Aus all<lb/> diesen Bildern blickt uns vielmehr die Gestalt des Künstlers an, wie sie überaus<lb/> charakteristisch Hänel auf dem bekannten Fries im Vorhaus des dresdner Mu¬<lb/> seums gebildet hat, wo Preller in ernster Männlichkeit und Kraft einsam aus<lb/> der Höhe eines Felsens steht und, dem Sturm und Wetter trotzend, ruhig in<lb/> die Ferne schaut. Mit der gleichen überlegenen Gewalt sind die anmuthigen<lb/> Momente, die freundliche Ueppigkeit der Gestade von Scheria, wo nach langem<lb/> Unglück zuerst ein Schein der Hoffnung den Helden begrüßt, und der heimathlich<lb/> befreundete Boden Jthakas. wie diejenigen Momente gestaltet, wo alle Gewalten<lb/> Himmels und der Erden sich entfesseln, wo Schrecknis; aus Schrecknis; sich häuft und<lb/> auf den Helden einstürmt. Und dabei ist in allen diesen Gebilden der Grund¬<lb/> charakter eines sinnlich südlichen, heiter unmittelbaren Lebens gewahrt, ohne wel¬<lb/> chen wir keine homerischen, keine griechischen Landschaften in ihnen anzuerken-<lb/> nen vermöchten. Das gilt gleichermaßen von den Landschaften, wie von den</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1863. 49</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
und Gemüthslebens schloß: so ist gerade dieses Gedicht wie kein zweites in
dem engsten und direktesten Anschlusse an ein reiches und anziehendes Local ge¬
dacht. Eine unendliche Mannigfaltigkeit landschaftlicher Anschauungen ist in
dasselbe hineingearbeitet, und zwar sind dieselben nicht nur äußerlich hincinver-
webt, sondern durchaus innerlich und organisch mit dem Ton des Gedichtes
verwachsen und können nicht getrennt von demselben gedacht werden. Diesen
vom Dichter in sein Werk gelegten Reichthum sichtbar zu Gestalt und Wesen
zu bringen und so auf dem Boden des poetischen ein malerisches Kunstwerk zu
vollenden, dieses mußte der Künstler bei seinem Unternehmen erstreben, wollte
er anders seiner Ausgabe gerecht werden. Und hat er es erreicht?
Es ist nicht wenig gesagt, wenn wir hierauf einfach und ohne Vorbehalt
mit Ja antworten, und wir werden, wenn wir den Schein vermeiden wollen,
hiermit mehr ein willkürliches Postulat als ein gewissenhaftes und begründetes
Urtheil auszusprechen versuchen müssen, durch eine nähere Darlegung und
Ausführung desselben dem Leser die Ueberzeugung zu geben, daß wir uns
einer nach jeder Richtung außerordentlichen Leistung gegenüber finden, welche,
wie sie ist, mit rückhaltsloser Bewunderung empfangen sein will. In der That
begegnen wir hier einer solchen Gewalt und Genialität der Phantasie einer¬
seits, einer solchen harmonischen, lückenlosen Durchbildung dieser Begabung
andererseits, daß wir uns an die besten Zeiten früherer Kunstblüthe erinnert
finden. Vor Allem muß es erfreuen und erquicken, hier durchweg kräftigen
und männlichen Erfindungen, den Kindern einer derben und gesunden Phan¬
tasie zu begegnen, die der Anmuth am rechten Orte nicht entbehrt, aber nur
eine Anmuth kennt, die als die Blüthe einer überwundenen herben Tüchtigkeit
hervorwächst. Hier ist nichts zu finden von jener modernen Salonempfindung,
jener eines wahrhaften Gehalts entbehrenden „Grazie" 5, Wut prix, welche in
unserer Kunst nur allzusehr ihr Wesen getrieben hat und noch treibt. Aus all
diesen Bildern blickt uns vielmehr die Gestalt des Künstlers an, wie sie überaus
charakteristisch Hänel auf dem bekannten Fries im Vorhaus des dresdner Mu¬
seums gebildet hat, wo Preller in ernster Männlichkeit und Kraft einsam aus
der Höhe eines Felsens steht und, dem Sturm und Wetter trotzend, ruhig in
die Ferne schaut. Mit der gleichen überlegenen Gewalt sind die anmuthigen
Momente, die freundliche Ueppigkeit der Gestade von Scheria, wo nach langem
Unglück zuerst ein Schein der Hoffnung den Helden begrüßt, und der heimathlich
befreundete Boden Jthakas. wie diejenigen Momente gestaltet, wo alle Gewalten
Himmels und der Erden sich entfesseln, wo Schrecknis; aus Schrecknis; sich häuft und
auf den Helden einstürmt. Und dabei ist in allen diesen Gebilden der Grund¬
charakter eines sinnlich südlichen, heiter unmittelbaren Lebens gewahrt, ohne wel¬
chen wir keine homerischen, keine griechischen Landschaften in ihnen anzuerken-
nen vermöchten. Das gilt gleichermaßen von den Landschaften, wie von den
Grenzboten IV. 1863. 49
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |