Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.ein "historisches Bild", eine Landschaft ober gar als ein Thierstück ansprechen Handelt es sich nun auch bei dieser Frage um viel tieferliegende und einer Wenn ein Künstler Landschaften mit bedeutsamen Vorgängen aus der ein „historisches Bild", eine Landschaft ober gar als ein Thierstück ansprechen Handelt es sich nun auch bei dieser Frage um viel tieferliegende und einer Wenn ein Künstler Landschaften mit bedeutsamen Vorgängen aus der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116320"/> <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> ein „historisches Bild", eine Landschaft ober gar als ein Thierstück ansprechen<lb/> solle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1329"> Handelt es sich nun auch bei dieser Frage um viel tieferliegende und einer<lb/> gründlichen Erwägung viel werthere Forderungen als die, daß jedes Ding einen<lb/> Namen haben wolle, so lassen wir doch hier billig die ästhetische Doctrin bei<lb/> Seite liegen, und fragen vielmehr, welche Anschauungen den Schöpfungen des<lb/> Künstlers als Voraussetzungen rin Hintergrunde liegen und ob dieselben sich<lb/> durch sein Wert als stichhaltige erwiesen haben. Denn die Kunst ist ein Ge¬<lb/> biet, wo es heißt: «zvvQtus xrobs-t rein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1330" next="#ID_1331"> Wenn ein Künstler Landschaften mit bedeutsamen Vorgängen aus der<lb/> Menschenwelt „staffirt" oder wenn er bei der Darstellung dieser letzteren der<lb/> Landschaft eine große Breite und Bedeutung einräumt, so kann er dabei .—<lb/> bewußt oder unbewußt, nur von der Ansicht ausgehen, daß der Mensch, wie er<lb/> sich in Gemeinschaft mit der gesammten Naturwelt aus den embryonalen Bor¬<lb/> stufen seines Daseins zu der gegenwärtigen Höhe vollendeten Menschenthums<lb/> entwickelt hat, so auch noch auf dieser Höhe zu der Natur, die ihn umgibt, in<lb/> einem entschiedenen innerlichen Bezüge steht. Man mag über den thatsächlichen<lb/> Sachverhalt denken wie man will: für die Kunst geht Ein Geist, Ein Leben,<lb/> Eine Wohl- und Wehe-Empfindung durch die ganze Natur; für sie ist es nicht<lb/> blos ein poetischer Tropus, wenn wir in der Natur von Stimmungen u. s. w.<lb/> reden," sondern sie schafft und bildet in der Ueberzeugung, daß der Mensch mit<lb/> dem Boden, der ihn trägt, mit der Atmosphäre, in der er athmet, mit dem<lb/> Himmel, der sich über ihm ausspannt, und den Bäumen, unter denen er wan¬<lb/> delt, mit den Thieren, die neben ihm diese Welt beleben und bevölkern, tief¬<lb/> innerlich verwandt ist, und daß gleichsam eine leise anklingende Borahnung, eine<lb/> Dämmerung seines inneren zum Bewußtsein gesteigerten Seelenlebens in stillem<lb/> Unbcwußtsein durch eben diese Natur geht. In dem vorliegenden Falle ist es<lb/> aber nicht blos dieser allgemeine und durchgehende Bezug der Analogie — wenn<lb/> man so sagen darf —, welcher in Betracht «kommt. Die prellerschen Bilder<lb/> geben sich nicht als Einzelwerke, sie geben sich als einen in sich geschlossenen<lb/> Cyklus, dessen gegenständliche Motive der Odyssee entlehnt sind. Hier will also<lb/> die einzelne Landschaft nicht nur als solche angesehen sein, hier soll eine ganze<lb/> Welt geschildert, der ganze Schauplatz in charakteristischen Bildern zur Anschauung<lb/> gebracht werden, auf dem des Helden Schicksal sich abrollt. In der That konnte<lb/> für eine derartige Absicht keine günstigere Anknüpfung gefunden werden als die<lb/> Odyssee. Wenn schon die ganze mythische Welt der Griechen an sich durchaus<lb/> aus dem Gefühle jener Beziehung des Menschen zur Natur hervorgegangen ist,<lb/> welche wir oben dargelegt haben, wenn ihre Götter nichts Anderes waren als<lb/> die Kinder der Ehe, welche sich in der Phantasie dieses Volkes zwischen den<lb/> Anschauungen des umgebenden Naturlebens und den Erlebnissen seines Geistes-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
ein „historisches Bild", eine Landschaft ober gar als ein Thierstück ansprechen
solle.
Handelt es sich nun auch bei dieser Frage um viel tieferliegende und einer
gründlichen Erwägung viel werthere Forderungen als die, daß jedes Ding einen
Namen haben wolle, so lassen wir doch hier billig die ästhetische Doctrin bei
Seite liegen, und fragen vielmehr, welche Anschauungen den Schöpfungen des
Künstlers als Voraussetzungen rin Hintergrunde liegen und ob dieselben sich
durch sein Wert als stichhaltige erwiesen haben. Denn die Kunst ist ein Ge¬
biet, wo es heißt: «zvvQtus xrobs-t rein.
Wenn ein Künstler Landschaften mit bedeutsamen Vorgängen aus der
Menschenwelt „staffirt" oder wenn er bei der Darstellung dieser letzteren der
Landschaft eine große Breite und Bedeutung einräumt, so kann er dabei .—
bewußt oder unbewußt, nur von der Ansicht ausgehen, daß der Mensch, wie er
sich in Gemeinschaft mit der gesammten Naturwelt aus den embryonalen Bor¬
stufen seines Daseins zu der gegenwärtigen Höhe vollendeten Menschenthums
entwickelt hat, so auch noch auf dieser Höhe zu der Natur, die ihn umgibt, in
einem entschiedenen innerlichen Bezüge steht. Man mag über den thatsächlichen
Sachverhalt denken wie man will: für die Kunst geht Ein Geist, Ein Leben,
Eine Wohl- und Wehe-Empfindung durch die ganze Natur; für sie ist es nicht
blos ein poetischer Tropus, wenn wir in der Natur von Stimmungen u. s. w.
reden," sondern sie schafft und bildet in der Ueberzeugung, daß der Mensch mit
dem Boden, der ihn trägt, mit der Atmosphäre, in der er athmet, mit dem
Himmel, der sich über ihm ausspannt, und den Bäumen, unter denen er wan¬
delt, mit den Thieren, die neben ihm diese Welt beleben und bevölkern, tief¬
innerlich verwandt ist, und daß gleichsam eine leise anklingende Borahnung, eine
Dämmerung seines inneren zum Bewußtsein gesteigerten Seelenlebens in stillem
Unbcwußtsein durch eben diese Natur geht. In dem vorliegenden Falle ist es
aber nicht blos dieser allgemeine und durchgehende Bezug der Analogie — wenn
man so sagen darf —, welcher in Betracht «kommt. Die prellerschen Bilder
geben sich nicht als Einzelwerke, sie geben sich als einen in sich geschlossenen
Cyklus, dessen gegenständliche Motive der Odyssee entlehnt sind. Hier will also
die einzelne Landschaft nicht nur als solche angesehen sein, hier soll eine ganze
Welt geschildert, der ganze Schauplatz in charakteristischen Bildern zur Anschauung
gebracht werden, auf dem des Helden Schicksal sich abrollt. In der That konnte
für eine derartige Absicht keine günstigere Anknüpfung gefunden werden als die
Odyssee. Wenn schon die ganze mythische Welt der Griechen an sich durchaus
aus dem Gefühle jener Beziehung des Menschen zur Natur hervorgegangen ist,
welche wir oben dargelegt haben, wenn ihre Götter nichts Anderes waren als
die Kinder der Ehe, welche sich in der Phantasie dieses Volkes zwischen den
Anschauungen des umgebenden Naturlebens und den Erlebnissen seines Geistes-
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