Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Zollverein 247 zählt) nur 123 noch sich in den anderen Ländern er¬
hoben. Gar keine Rübenzuckcrfabriken besitzen: Hessen, Nassau, Oldenburg und
Frankfurt. Von den 31,692,394 Ctr. Zuckerrüben, die 1861--62 im Zoll¬
verein verarbeitet wurden, kommen 28'/" Mill. auf Preußen. Aus jenem
Material lieferte der Zollverein beiläufig 2V" Mill. Ctr. Rohzucker. Im
Jahre 1840--41 war die Zahl der Fabriken 145 gewesen, welche 4,829,734 Ctr.
Rüben zu 268,919 Ctr. Rohzucker verarbeiteten. Seitdem ist die Zahl der
Fabriken gestiegen, sowie die Menge der verarbeiteten Rüben, und man hat
gelernt aus weniger Rüben mehr Zucker zu gewinnen.

Aber die Rübenernten zu erhöhen oder nur gleichhoch gegen früher zu er¬
halten, hat Niemand gelingen wollen. Der Morgen Feld trägt immer weniger
Zucker und baben sich die Geldkasten mit Hilfe des Rübenbaus und des
Schutzzolls, wie es natürlich war. gefüllt, so wehklagen die Landleute jetzt über ihr
entwerthetes Grundeigenthum. Da möchte man fast die Theile Deutschlands
glücklich preisen, denen es trotz Schutzzoll nicht möglich war, mit dem Product
der westindischen Erde und der heißeren Sonne zu concurriren!

Die Sicherheit des Ackerbaus hing noch Vor Jahrzehnten von dem Stern
oder Unstern weniger Augenblicke ab.

Da standen die Aehren, glänzend und wogend wie ein goldblinkendes
Meer, auf kräftigem Halm, und das Getreidefeld, Product vieler Mühe, Arbeit
und Sorge erfreute des Landmanns Herz. Aber die Wolken ziehen sich zu¬
sammen, dunkel wächst es am Firmament und der Sturm braust über die Flur.
Blitze zucken, der Donner rollt -- und das Dach des Heubodens steht in
Flammen, die der Wind' nach dem Stalle treibt. Scheu und sinnlos wird das
Vieh, reißt sich los von der Kette und eilt taumelnd mitten in die Lohe, bis
es zusammensinkt. Die Hofraithe brennt ab, -- des Besitzers Reichthum ist
geknickt! -- Oder der Regen rauscht hernieder, ungestüm wirft er das hohe
Gras zur Erde! Es fällt Hagel, und in wenigen Minuten ist das Getreidefeld
in Stoppel verwandelt, der Besitzer ein armer Mann.

Wo fände er den Muth sich wieder aufzuraffen, neu aufzubauen; frisch zu
säen! Es fehlt Alles: das Vieh verbrannte, Geschirr und Geräth wird vermißt;
es fehlt das Saatgetreide, der Hagel hat es für die Vögel gedroschen.

So vor kaum drei Jahrzehnten noch. Heute werden solche Gefahren wenig
mehr gefürchtet, solche Klagen kaum noch vernommen.

Das Versicherungswesen, das sich seit etwa fünfundzwanzig Jahren allmälig
ausbildete, hat allen Menschen, die etwas besitzen, was die Elemente zerstören
können, genützt, aber dem Landwirth am meisten. Früher ruinirte ein Hagel¬
wetter den Gutsherrn und den Pächter. Nach neueren Pachtverträgen geht ein
Unglücksfall, der das Gut heimsucht, ohne dem VerPachter Schaden zuzufügen,
vorüber, und der Pachter lebt sorglos, denn er ist versichert. Kommt ein Wetter,


48"

und der Zollverein 247 zählt) nur 123 noch sich in den anderen Ländern er¬
hoben. Gar keine Rübenzuckcrfabriken besitzen: Hessen, Nassau, Oldenburg und
Frankfurt. Von den 31,692,394 Ctr. Zuckerrüben, die 1861—62 im Zoll¬
verein verarbeitet wurden, kommen 28'/» Mill. auf Preußen. Aus jenem
Material lieferte der Zollverein beiläufig 2V« Mill. Ctr. Rohzucker. Im
Jahre 1840—41 war die Zahl der Fabriken 145 gewesen, welche 4,829,734 Ctr.
Rüben zu 268,919 Ctr. Rohzucker verarbeiteten. Seitdem ist die Zahl der
Fabriken gestiegen, sowie die Menge der verarbeiteten Rüben, und man hat
gelernt aus weniger Rüben mehr Zucker zu gewinnen.

Aber die Rübenernten zu erhöhen oder nur gleichhoch gegen früher zu er¬
halten, hat Niemand gelingen wollen. Der Morgen Feld trägt immer weniger
Zucker und baben sich die Geldkasten mit Hilfe des Rübenbaus und des
Schutzzolls, wie es natürlich war. gefüllt, so wehklagen die Landleute jetzt über ihr
entwerthetes Grundeigenthum. Da möchte man fast die Theile Deutschlands
glücklich preisen, denen es trotz Schutzzoll nicht möglich war, mit dem Product
der westindischen Erde und der heißeren Sonne zu concurriren!

Die Sicherheit des Ackerbaus hing noch Vor Jahrzehnten von dem Stern
oder Unstern weniger Augenblicke ab.

Da standen die Aehren, glänzend und wogend wie ein goldblinkendes
Meer, auf kräftigem Halm, und das Getreidefeld, Product vieler Mühe, Arbeit
und Sorge erfreute des Landmanns Herz. Aber die Wolken ziehen sich zu¬
sammen, dunkel wächst es am Firmament und der Sturm braust über die Flur.
Blitze zucken, der Donner rollt — und das Dach des Heubodens steht in
Flammen, die der Wind' nach dem Stalle treibt. Scheu und sinnlos wird das
Vieh, reißt sich los von der Kette und eilt taumelnd mitten in die Lohe, bis
es zusammensinkt. Die Hofraithe brennt ab, — des Besitzers Reichthum ist
geknickt! — Oder der Regen rauscht hernieder, ungestüm wirft er das hohe
Gras zur Erde! Es fällt Hagel, und in wenigen Minuten ist das Getreidefeld
in Stoppel verwandelt, der Besitzer ein armer Mann.

Wo fände er den Muth sich wieder aufzuraffen, neu aufzubauen; frisch zu
säen! Es fehlt Alles: das Vieh verbrannte, Geschirr und Geräth wird vermißt;
es fehlt das Saatgetreide, der Hagel hat es für die Vögel gedroschen.

So vor kaum drei Jahrzehnten noch. Heute werden solche Gefahren wenig
mehr gefürchtet, solche Klagen kaum noch vernommen.

Das Versicherungswesen, das sich seit etwa fünfundzwanzig Jahren allmälig
ausbildete, hat allen Menschen, die etwas besitzen, was die Elemente zerstören
können, genützt, aber dem Landwirth am meisten. Früher ruinirte ein Hagel¬
wetter den Gutsherrn und den Pächter. Nach neueren Pachtverträgen geht ein
Unglücksfall, der das Gut heimsucht, ohne dem VerPachter Schaden zuzufügen,
vorüber, und der Pachter lebt sorglos, denn er ist versichert. Kommt ein Wetter,


48"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116315"/>
          <p xml:id="ID_1310" prev="#ID_1309"> und der Zollverein 247 zählt) nur 123 noch sich in den anderen Ländern er¬<lb/>
hoben. Gar keine Rübenzuckcrfabriken besitzen: Hessen, Nassau, Oldenburg und<lb/>
Frankfurt. Von den 31,692,394 Ctr. Zuckerrüben, die 1861&#x2014;62 im Zoll¬<lb/>
verein verarbeitet wurden, kommen 28'/» Mill. auf Preußen. Aus jenem<lb/>
Material lieferte der Zollverein beiläufig 2V« Mill. Ctr. Rohzucker. Im<lb/>
Jahre 1840&#x2014;41 war die Zahl der Fabriken 145 gewesen, welche 4,829,734 Ctr.<lb/>
Rüben zu 268,919 Ctr. Rohzucker verarbeiteten. Seitdem ist die Zahl der<lb/>
Fabriken gestiegen, sowie die Menge der verarbeiteten Rüben, und man hat<lb/>
gelernt aus weniger Rüben mehr Zucker zu gewinnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1311"> Aber die Rübenernten zu erhöhen oder nur gleichhoch gegen früher zu er¬<lb/>
halten, hat Niemand gelingen wollen. Der Morgen Feld trägt immer weniger<lb/>
Zucker und baben sich die Geldkasten mit Hilfe des Rübenbaus und des<lb/>
Schutzzolls, wie es natürlich war. gefüllt, so wehklagen die Landleute jetzt über ihr<lb/>
entwerthetes Grundeigenthum. Da möchte man fast die Theile Deutschlands<lb/>
glücklich preisen, denen es trotz Schutzzoll nicht möglich war, mit dem Product<lb/>
der westindischen Erde und der heißeren Sonne zu concurriren!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1312"> Die Sicherheit des Ackerbaus hing noch Vor Jahrzehnten von dem Stern<lb/>
oder Unstern weniger Augenblicke ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1313"> Da standen die Aehren, glänzend und wogend wie ein goldblinkendes<lb/>
Meer, auf kräftigem Halm, und das Getreidefeld, Product vieler Mühe, Arbeit<lb/>
und Sorge erfreute des Landmanns Herz. Aber die Wolken ziehen sich zu¬<lb/>
sammen, dunkel wächst es am Firmament und der Sturm braust über die Flur.<lb/>
Blitze zucken, der Donner rollt &#x2014; und das Dach des Heubodens steht in<lb/>
Flammen, die der Wind' nach dem Stalle treibt. Scheu und sinnlos wird das<lb/>
Vieh, reißt sich los von der Kette und eilt taumelnd mitten in die Lohe, bis<lb/>
es zusammensinkt. Die Hofraithe brennt ab, &#x2014; des Besitzers Reichthum ist<lb/>
geknickt! &#x2014; Oder der Regen rauscht hernieder, ungestüm wirft er das hohe<lb/>
Gras zur Erde! Es fällt Hagel, und in wenigen Minuten ist das Getreidefeld<lb/>
in Stoppel verwandelt, der Besitzer ein armer Mann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1314"> Wo fände er den Muth sich wieder aufzuraffen, neu aufzubauen; frisch zu<lb/>
säen! Es fehlt Alles: das Vieh verbrannte, Geschirr und Geräth wird vermißt;<lb/>
es fehlt das Saatgetreide, der Hagel hat es für die Vögel gedroschen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1315"> So vor kaum drei Jahrzehnten noch. Heute werden solche Gefahren wenig<lb/>
mehr gefürchtet, solche Klagen kaum noch vernommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1316" next="#ID_1317"> Das Versicherungswesen, das sich seit etwa fünfundzwanzig Jahren allmälig<lb/>
ausbildete, hat allen Menschen, die etwas besitzen, was die Elemente zerstören<lb/>
können, genützt, aber dem Landwirth am meisten. Früher ruinirte ein Hagel¬<lb/>
wetter den Gutsherrn und den Pächter. Nach neueren Pachtverträgen geht ein<lb/>
Unglücksfall, der das Gut heimsucht, ohne dem VerPachter Schaden zuzufügen,<lb/>
vorüber, und der Pachter lebt sorglos, denn er ist versichert. Kommt ein Wetter,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 48"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0387] und der Zollverein 247 zählt) nur 123 noch sich in den anderen Ländern er¬ hoben. Gar keine Rübenzuckcrfabriken besitzen: Hessen, Nassau, Oldenburg und Frankfurt. Von den 31,692,394 Ctr. Zuckerrüben, die 1861—62 im Zoll¬ verein verarbeitet wurden, kommen 28'/» Mill. auf Preußen. Aus jenem Material lieferte der Zollverein beiläufig 2V« Mill. Ctr. Rohzucker. Im Jahre 1840—41 war die Zahl der Fabriken 145 gewesen, welche 4,829,734 Ctr. Rüben zu 268,919 Ctr. Rohzucker verarbeiteten. Seitdem ist die Zahl der Fabriken gestiegen, sowie die Menge der verarbeiteten Rüben, und man hat gelernt aus weniger Rüben mehr Zucker zu gewinnen. Aber die Rübenernten zu erhöhen oder nur gleichhoch gegen früher zu er¬ halten, hat Niemand gelingen wollen. Der Morgen Feld trägt immer weniger Zucker und baben sich die Geldkasten mit Hilfe des Rübenbaus und des Schutzzolls, wie es natürlich war. gefüllt, so wehklagen die Landleute jetzt über ihr entwerthetes Grundeigenthum. Da möchte man fast die Theile Deutschlands glücklich preisen, denen es trotz Schutzzoll nicht möglich war, mit dem Product der westindischen Erde und der heißeren Sonne zu concurriren! Die Sicherheit des Ackerbaus hing noch Vor Jahrzehnten von dem Stern oder Unstern weniger Augenblicke ab. Da standen die Aehren, glänzend und wogend wie ein goldblinkendes Meer, auf kräftigem Halm, und das Getreidefeld, Product vieler Mühe, Arbeit und Sorge erfreute des Landmanns Herz. Aber die Wolken ziehen sich zu¬ sammen, dunkel wächst es am Firmament und der Sturm braust über die Flur. Blitze zucken, der Donner rollt — und das Dach des Heubodens steht in Flammen, die der Wind' nach dem Stalle treibt. Scheu und sinnlos wird das Vieh, reißt sich los von der Kette und eilt taumelnd mitten in die Lohe, bis es zusammensinkt. Die Hofraithe brennt ab, — des Besitzers Reichthum ist geknickt! — Oder der Regen rauscht hernieder, ungestüm wirft er das hohe Gras zur Erde! Es fällt Hagel, und in wenigen Minuten ist das Getreidefeld in Stoppel verwandelt, der Besitzer ein armer Mann. Wo fände er den Muth sich wieder aufzuraffen, neu aufzubauen; frisch zu säen! Es fehlt Alles: das Vieh verbrannte, Geschirr und Geräth wird vermißt; es fehlt das Saatgetreide, der Hagel hat es für die Vögel gedroschen. So vor kaum drei Jahrzehnten noch. Heute werden solche Gefahren wenig mehr gefürchtet, solche Klagen kaum noch vernommen. Das Versicherungswesen, das sich seit etwa fünfundzwanzig Jahren allmälig ausbildete, hat allen Menschen, die etwas besitzen, was die Elemente zerstören können, genützt, aber dem Landwirth am meisten. Früher ruinirte ein Hagel¬ wetter den Gutsherrn und den Pächter. Nach neueren Pachtverträgen geht ein Unglücksfall, der das Gut heimsucht, ohne dem VerPachter Schaden zuzufügen, vorüber, und der Pachter lebt sorglos, denn er ist versichert. Kommt ein Wetter, 48"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/387
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/387>, abgerufen am 15.01.2025.