Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.Noch in einer andern Beziehung gab die Stuttgarter Versammlung zu Die Episode des Reformprojects hat also die Ueberzeugungen und Hoff¬ Noch in einer andern Beziehung gab die Stuttgarter Versammlung zu Die Episode des Reformprojects hat also die Ueberzeugungen und Hoff¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0038" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115966"/> <p xml:id="ID_86"> Noch in einer andern Beziehung gab die Stuttgarter Versammlung zu<lb/> Bedenken Anlaß. Mit besonderer Genugthuung verweilten die Redner, Hölder,<lb/> Reyscher und A. Seeger, bei der Ausführung, daß in dem Kampf der Mei¬<lb/> nungen zu Frankfurt die süddeutsche Anschauung den Sieg davon getragen habe.<lb/> In Schwaben habe man immer die preußische Spitze bekämpft und das Direk¬<lb/> torium als die einzig mögliche Centralgewalt erkannt. Selbst an die Wieder¬<lb/> aufnahme des Programms der Reichsverfassung habe man den Gedanken einer<lb/> colleqialen Centralgewalt geknüpft. Nunmehr haben sich auch die Nord-<lb/> deutschen auf den Boden des Directoriums gestellt, und die Frage wegen<lb/> Deutschöstreichs erledige sich damit von selbst. Wir möchten unsere Freunde<lb/> vor einer gefährlichen Täuschung warnen. Nicht nur ist das Zugeständnis) des<lb/> Abgeordnetcntags durch die Wendung, welche seitdem eingetreten, wie gesagt,<lb/> factisch paralysirt, sondern die Thatsache des Scheiterns dieses Projects hat<lb/> auch den innern Widerspruch, an welchem jedes großdcutsche Project noth¬<lb/> wendig scheitern muß, aufs Neue evident vor Augen gestellt. Bei jedem Ver¬<lb/> such, die Politik der beiden Großmächte enger an einander zu ketten, muß, wie<lb/> mathematisch genau auch die Parität ausgemessen sein mag, ihr Dualismus<lb/> ganz naturgemäß zum Conflict sich steigern. Die bloße Discutirung eines dahin<lb/> zielenden Projectes hat den Riß sichtlich erweitert und mußte ihn erweitern,<lb/> und man kann in Wien von dieser selbstverständlichen Folge, der einzigen<lb/> Folge, welche bis jeht die Neformacte gehabt hat. unmöglich überrascht ge¬<lb/> wesen sein. Abermals sind wir über die Lebensfähigkeit des großdeutschen<lb/> Programms um eine Erfahrung reicher. Es müßte sonderbar zugehen, wenn<lb/> die Wiederkehr dieses unabwendbaren Schicksals im deutschen Volk die Lust<lb/> erwecken würde, es immer wieder auf diesem vergeblichen Weg zu versuchen,<lb/> der überdies, selbst wenn er ausführbar wäre, doch zu nichts Anderem führte<lb/> als zu einer Wiederholung des bundestäglichen Dualismus in anderer Form.</p><lb/> <p xml:id="ID_87" next="#ID_88"> Die Episode des Reformprojects hat also die Ueberzeugungen und Hoff¬<lb/> nungen der Nationalpartei nicht im mindesten erschüttern, ihre Ziele und<lb/> ihre Mittel nicht im geringsten ändern können. Als auf der Stuttgarter Ver¬<lb/> sammlung einer der Redner schüchtern andeutete, daß die Frage der Delegation<lb/> doch noch nicht spruchreif sei, hielt ihm A. Seeger mit Recht entgegen: wir<lb/> sollten gleich im Anfang kleinmüthig unser Recht auf das Parlament auf¬<lb/> geben, während selbst, im Kreis der Fürsten unser Recht Befürwortung ge¬<lb/> funden! Mit demselben Rechte aber konnte hinzugefügt werden: wir sollten<lb/> von vornherein dem Programm des Bundesstaats, der uns Allen die einheit¬<lb/> liche Zusammenfassung und erfolgreiche Verwendung unsrer nationalen Kräfte<lb/> garantirt, entsagen, während selbst von den Fürsten, denen größere Opfer zu-<lb/> gemuthet werden als den Völkern, nicht alle die Fahne, an die sie sich vor<lb/> vierzehn Jahren geklammert, verlassen haben! Noch einmal, wir warnen vor</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Noch in einer andern Beziehung gab die Stuttgarter Versammlung zu
Bedenken Anlaß. Mit besonderer Genugthuung verweilten die Redner, Hölder,
Reyscher und A. Seeger, bei der Ausführung, daß in dem Kampf der Mei¬
nungen zu Frankfurt die süddeutsche Anschauung den Sieg davon getragen habe.
In Schwaben habe man immer die preußische Spitze bekämpft und das Direk¬
torium als die einzig mögliche Centralgewalt erkannt. Selbst an die Wieder¬
aufnahme des Programms der Reichsverfassung habe man den Gedanken einer
colleqialen Centralgewalt geknüpft. Nunmehr haben sich auch die Nord-
deutschen auf den Boden des Directoriums gestellt, und die Frage wegen
Deutschöstreichs erledige sich damit von selbst. Wir möchten unsere Freunde
vor einer gefährlichen Täuschung warnen. Nicht nur ist das Zugeständnis) des
Abgeordnetcntags durch die Wendung, welche seitdem eingetreten, wie gesagt,
factisch paralysirt, sondern die Thatsache des Scheiterns dieses Projects hat
auch den innern Widerspruch, an welchem jedes großdcutsche Project noth¬
wendig scheitern muß, aufs Neue evident vor Augen gestellt. Bei jedem Ver¬
such, die Politik der beiden Großmächte enger an einander zu ketten, muß, wie
mathematisch genau auch die Parität ausgemessen sein mag, ihr Dualismus
ganz naturgemäß zum Conflict sich steigern. Die bloße Discutirung eines dahin
zielenden Projectes hat den Riß sichtlich erweitert und mußte ihn erweitern,
und man kann in Wien von dieser selbstverständlichen Folge, der einzigen
Folge, welche bis jeht die Neformacte gehabt hat. unmöglich überrascht ge¬
wesen sein. Abermals sind wir über die Lebensfähigkeit des großdeutschen
Programms um eine Erfahrung reicher. Es müßte sonderbar zugehen, wenn
die Wiederkehr dieses unabwendbaren Schicksals im deutschen Volk die Lust
erwecken würde, es immer wieder auf diesem vergeblichen Weg zu versuchen,
der überdies, selbst wenn er ausführbar wäre, doch zu nichts Anderem führte
als zu einer Wiederholung des bundestäglichen Dualismus in anderer Form.
Die Episode des Reformprojects hat also die Ueberzeugungen und Hoff¬
nungen der Nationalpartei nicht im mindesten erschüttern, ihre Ziele und
ihre Mittel nicht im geringsten ändern können. Als auf der Stuttgarter Ver¬
sammlung einer der Redner schüchtern andeutete, daß die Frage der Delegation
doch noch nicht spruchreif sei, hielt ihm A. Seeger mit Recht entgegen: wir
sollten gleich im Anfang kleinmüthig unser Recht auf das Parlament auf¬
geben, während selbst, im Kreis der Fürsten unser Recht Befürwortung ge¬
funden! Mit demselben Rechte aber konnte hinzugefügt werden: wir sollten
von vornherein dem Programm des Bundesstaats, der uns Allen die einheit¬
liche Zusammenfassung und erfolgreiche Verwendung unsrer nationalen Kräfte
garantirt, entsagen, während selbst von den Fürsten, denen größere Opfer zu-
gemuthet werden als den Völkern, nicht alle die Fahne, an die sie sich vor
vierzehn Jahren geklammert, verlassen haben! Noch einmal, wir warnen vor
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |