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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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dem der Entwurf hat sich überhaupt als untauglich erwiesen zum praktischen
Anfang der Reform. Er ist ohne Schuld der Nationalpartei schon "in Wider¬
stand eines Theils der Regierungen gescheitert. Damit ist der Nationalpartei die
Freiheit ihres Entschlusses zurückgegeben, ihr Entgegenkommen ist zurückgewiesen
worden, sie steht nicht mehr vor einem Project, sondern vor einem mißlungenen
Project, sie hat sich einfach wieder auf ihr früheres Programm zu stellen.

Dies ist der Grund, warum wir es bedenklich finden, wenn auch jetzt
noch Versammlungen wie die am 12. Sept. zu Stuttgart gehaltene, sich darauf
beschränken, ihre Zustimmung zu den Beschlüssen des Abgeordnetentags zu er¬
klären. Gewiß, die häussersche Kritik war namentlich nach der freiheitlichen
Seite hin erschöpfend, sie verdiente die Zustimmung der ganzen nationalen
Partei. Allein was damals genügte, als die Resormacte noch Project war.
genügt heute nicht mehr, wo sie thatsächlich den Erfolg gehabt hat. Deutsch¬
land in officieller Weise in zwei Lager zu theilen. Heute handelt es sich nickt
mehr um die materielle Kritik eines Ncformentwurfs, sondern um das Ger¬
halten gegenüber den Schritten, welche gethan werden sollen, um das Programm
einer Coalition ins Leben zu führen, welcher ein andrer Theil der Regierungen
Prvtestirend gegenübersteht. Diese Schritte sind freilich noch in weitem Feld.
Man wird sich selbst in Wien und München mit der factischen Zerreißung des
Bundesverbands noch etwas besinnen. Aber angekündigt wird es doch täglich
in den süddeutschen Blättern, daß "die Refvrmstaaten Ernst machen werden",
daß der Sonderbund ins Leben geführt und eine Delegirtenversammlung der
coalirten Staaten, die vom Moniteur der Nechberg-Drouyn de Lhuysschen Freund¬
schaft in Frankfurt bereits als Centralparlament bezeichnet wird, binnen Kur¬
zem einberufen werde. Angesichts solcher Drohungen hätte es doch, zumal in
den Mittelstaaten, nahe gelegen, daß man sich darüber ausgesprochen hätte,
ob man die Bildung eines solchen Sonderbundes etwa auch als einen Anfang
zum Bessern anerkennen und den östreichischen Staatsmännern auch dann noch
folgen würde, wenn sie das Institut eines Numpfrcichsraths, mit dem sie
allerdings bis jetzt in Oestreich selbst nicht unglücklich gewesen, in Deutschland
einzubürgern gedenken. Der Abgeordnete Oesterlen wahrte für sich und seine
großdeutschen Freunde, obwohl sie gegen den Beschluß der Versammlung nichts
einzuwenden hatten, ausdrücklich ihr Votum in ihrer Eigenschaft als Kammer-
Mitglieder, da voraussichtlich die Bedingung eines constituirenden oder mit¬
wirkenden Parlaments doch nicht zugestanden würde, und so die Kammern leicht
in die Lage versetzt werden könnten, dem Ncformproject zuzustimmen. Mehr
am Platze als diese selbstverständliche Verwahrung wäre es gewesen, wenn von
irgend einer Seite eine Andeutung darüber gegeben worden wäre, ob man
eventuell die Regierung auch im Beitritt zu diesem Sonderbund unterstützen
und bereit sein werde, selbst eine active Rolle dabei zu spielen.


dem der Entwurf hat sich überhaupt als untauglich erwiesen zum praktischen
Anfang der Reform. Er ist ohne Schuld der Nationalpartei schon «in Wider¬
stand eines Theils der Regierungen gescheitert. Damit ist der Nationalpartei die
Freiheit ihres Entschlusses zurückgegeben, ihr Entgegenkommen ist zurückgewiesen
worden, sie steht nicht mehr vor einem Project, sondern vor einem mißlungenen
Project, sie hat sich einfach wieder auf ihr früheres Programm zu stellen.

Dies ist der Grund, warum wir es bedenklich finden, wenn auch jetzt
noch Versammlungen wie die am 12. Sept. zu Stuttgart gehaltene, sich darauf
beschränken, ihre Zustimmung zu den Beschlüssen des Abgeordnetentags zu er¬
klären. Gewiß, die häussersche Kritik war namentlich nach der freiheitlichen
Seite hin erschöpfend, sie verdiente die Zustimmung der ganzen nationalen
Partei. Allein was damals genügte, als die Resormacte noch Project war.
genügt heute nicht mehr, wo sie thatsächlich den Erfolg gehabt hat. Deutsch¬
land in officieller Weise in zwei Lager zu theilen. Heute handelt es sich nickt
mehr um die materielle Kritik eines Ncformentwurfs, sondern um das Ger¬
halten gegenüber den Schritten, welche gethan werden sollen, um das Programm
einer Coalition ins Leben zu führen, welcher ein andrer Theil der Regierungen
Prvtestirend gegenübersteht. Diese Schritte sind freilich noch in weitem Feld.
Man wird sich selbst in Wien und München mit der factischen Zerreißung des
Bundesverbands noch etwas besinnen. Aber angekündigt wird es doch täglich
in den süddeutschen Blättern, daß „die Refvrmstaaten Ernst machen werden",
daß der Sonderbund ins Leben geführt und eine Delegirtenversammlung der
coalirten Staaten, die vom Moniteur der Nechberg-Drouyn de Lhuysschen Freund¬
schaft in Frankfurt bereits als Centralparlament bezeichnet wird, binnen Kur¬
zem einberufen werde. Angesichts solcher Drohungen hätte es doch, zumal in
den Mittelstaaten, nahe gelegen, daß man sich darüber ausgesprochen hätte,
ob man die Bildung eines solchen Sonderbundes etwa auch als einen Anfang
zum Bessern anerkennen und den östreichischen Staatsmännern auch dann noch
folgen würde, wenn sie das Institut eines Numpfrcichsraths, mit dem sie
allerdings bis jetzt in Oestreich selbst nicht unglücklich gewesen, in Deutschland
einzubürgern gedenken. Der Abgeordnete Oesterlen wahrte für sich und seine
großdeutschen Freunde, obwohl sie gegen den Beschluß der Versammlung nichts
einzuwenden hatten, ausdrücklich ihr Votum in ihrer Eigenschaft als Kammer-
Mitglieder, da voraussichtlich die Bedingung eines constituirenden oder mit¬
wirkenden Parlaments doch nicht zugestanden würde, und so die Kammern leicht
in die Lage versetzt werden könnten, dem Ncformproject zuzustimmen. Mehr
am Platze als diese selbstverständliche Verwahrung wäre es gewesen, wenn von
irgend einer Seite eine Andeutung darüber gegeben worden wäre, ob man
eventuell die Regierung auch im Beitritt zu diesem Sonderbund unterstützen
und bereit sein werde, selbst eine active Rolle dabei zu spielen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/37>, abgerufen am 15.01.2025.