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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Vorstandes und in der zur Justification vorgelegten gedruckten Rechnungsablage
desselben (beiläufig auch ein Vorzug dieses Vereins vor andern, namentlich katho-
lischen Vereinen, daß seine Verwaltung und Geldgebahrung der vollsten Oeffent-
lichkeit Preis gegeben ist und ordnungsmäßig controlirt und geprüft wrrd). --
Es sei hieraus nur bemerkt, daß der Verein im letzten Jahre überhaupt
183.418 Thaler an Unterstützungen an C.16 Gemeinden verausgabt hat; dre
Hauptsummen vertheilen sich auf Oestreich, auf die katholischen Districte Deutsch¬
lands : Rheinland. Westphalen, Bayern, Schlesien. Posen; nächstdem Frankreich
und die Donauprovinzcn. sodann die Levante, Algier, Italien n. s. w. Die
Summe übersteigt um etwas die der Vorjahre, wie denn die jährlichen Ein¬
nahmen des Vereins seit 10 bis 12 Jahren in langsamer, aber stetiger Zu¬
nahme begriffen sind, aber sie ist gering, wenn man dagegen die gedruckten
'Uebersichten der dem Verein Vorliegenden Gesuche ins Auge faßt, und wenn
man andrerseits erwägt, daß diese Summe gewissermaßen die kirchliche Bei-
steuer des gesammten protestantischen Deutschland repräsentirt. Die Propa¬
ganda in Lyon bringt allein jährlich fünfmal so viel auf. die Verwendung
bleibt Geheimniß der geistlichen Oberen. Aehnlick ists mit den zahlreichen Boni-
facius-.Pius- und Vincentius-Vereinen. DerGustav-Adolf-Verein könnte leicht über
den drei- oder vierfachen Betrag seiner jetzigen Jahreseinnahme verfügen, wenn sich
ihm die höhern und reichern Stände in gleicher Weise zuwendeten, wie die
mittlern und niedern. Aber wie unsre Aristokratie der Geburt und des Geldes
dem Volksleben sich fern hält, so steht sie auch im Allgemeinen dem kirchlichen
Leben fern, theils weil ihr ein tieferes religiöses Bedürfniß fehlt. theils weil,
wo ein solches vorhanden ist, die aristokratischen Sympathien sich uach alter
Erfahrung dem Hochkirchenthum zuwenden. Wie denn der Gustav-Adolf-Verein der
Repräsentant der kirchlichen Mittelparteien ist, so umfaßt er auch den Mittel- und
niedern Stand, und wir meinen nicht zu seinem Unglück; denn er steht sonach
mit seinen Wurzeln in der Volksschicht, die den noch völlig gesunden Kern der
Nation bildet, den Träger der Intelligenz, die Hoffnung der Zukunft.

Bei der Verwendung ihrer Unterstützungen scheinen der Genossenschaft die
östreichischen Länder und die rein oder gemischt-katholischen Districte Deutsch¬
lands als ihre Hauptaufgaben zu gelten. Da der Verein jede aggressive Ten¬
denz streng von sich ausschließt und nur die rein conservative Aufgabe verfolgt,
zu stützen und zu erhalten, was in Gefahr ist, der evangelischen Kirche verloren
zu gehen, da er nur deren zerstreute Glieder zu sammeln und zu kräftigen strebt, so
ist gegenüber der gegnerischen, vorzugsweise auf Deutschland gerichteten Aggression
wohl auch die Defensive völlig gerechtfertigt, welche besonders die in Oestreich
und Deutschland exponirten schwachen Glieder zu stärken sucht. Auffallen muß
aber gegenüber der obigen Thalersumme die große Zahl der unterstützten Ge¬
meinden, worauf sich durchschnittlich auf jede einzelne Gemeinde ein ziemlich


Vorstandes und in der zur Justification vorgelegten gedruckten Rechnungsablage
desselben (beiläufig auch ein Vorzug dieses Vereins vor andern, namentlich katho-
lischen Vereinen, daß seine Verwaltung und Geldgebahrung der vollsten Oeffent-
lichkeit Preis gegeben ist und ordnungsmäßig controlirt und geprüft wrrd). —
Es sei hieraus nur bemerkt, daß der Verein im letzten Jahre überhaupt
183.418 Thaler an Unterstützungen an C.16 Gemeinden verausgabt hat; dre
Hauptsummen vertheilen sich auf Oestreich, auf die katholischen Districte Deutsch¬
lands : Rheinland. Westphalen, Bayern, Schlesien. Posen; nächstdem Frankreich
und die Donauprovinzcn. sodann die Levante, Algier, Italien n. s. w. Die
Summe übersteigt um etwas die der Vorjahre, wie denn die jährlichen Ein¬
nahmen des Vereins seit 10 bis 12 Jahren in langsamer, aber stetiger Zu¬
nahme begriffen sind, aber sie ist gering, wenn man dagegen die gedruckten
'Uebersichten der dem Verein Vorliegenden Gesuche ins Auge faßt, und wenn
man andrerseits erwägt, daß diese Summe gewissermaßen die kirchliche Bei-
steuer des gesammten protestantischen Deutschland repräsentirt. Die Propa¬
ganda in Lyon bringt allein jährlich fünfmal so viel auf. die Verwendung
bleibt Geheimniß der geistlichen Oberen. Aehnlick ists mit den zahlreichen Boni-
facius-.Pius- und Vincentius-Vereinen. DerGustav-Adolf-Verein könnte leicht über
den drei- oder vierfachen Betrag seiner jetzigen Jahreseinnahme verfügen, wenn sich
ihm die höhern und reichern Stände in gleicher Weise zuwendeten, wie die
mittlern und niedern. Aber wie unsre Aristokratie der Geburt und des Geldes
dem Volksleben sich fern hält, so steht sie auch im Allgemeinen dem kirchlichen
Leben fern, theils weil ihr ein tieferes religiöses Bedürfniß fehlt. theils weil,
wo ein solches vorhanden ist, die aristokratischen Sympathien sich uach alter
Erfahrung dem Hochkirchenthum zuwenden. Wie denn der Gustav-Adolf-Verein der
Repräsentant der kirchlichen Mittelparteien ist, so umfaßt er auch den Mittel- und
niedern Stand, und wir meinen nicht zu seinem Unglück; denn er steht sonach
mit seinen Wurzeln in der Volksschicht, die den noch völlig gesunden Kern der
Nation bildet, den Träger der Intelligenz, die Hoffnung der Zukunft.

Bei der Verwendung ihrer Unterstützungen scheinen der Genossenschaft die
östreichischen Länder und die rein oder gemischt-katholischen Districte Deutsch¬
lands als ihre Hauptaufgaben zu gelten. Da der Verein jede aggressive Ten¬
denz streng von sich ausschließt und nur die rein conservative Aufgabe verfolgt,
zu stützen und zu erhalten, was in Gefahr ist, der evangelischen Kirche verloren
zu gehen, da er nur deren zerstreute Glieder zu sammeln und zu kräftigen strebt, so
ist gegenüber der gegnerischen, vorzugsweise auf Deutschland gerichteten Aggression
wohl auch die Defensive völlig gerechtfertigt, welche besonders die in Oestreich
und Deutschland exponirten schwachen Glieder zu stärken sucht. Auffallen muß
aber gegenüber der obigen Thalersumme die große Zahl der unterstützten Ge¬
meinden, worauf sich durchschnittlich auf jede einzelne Gemeinde ein ziemlich


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[0031] Vorstandes und in der zur Justification vorgelegten gedruckten Rechnungsablage desselben (beiläufig auch ein Vorzug dieses Vereins vor andern, namentlich katho- lischen Vereinen, daß seine Verwaltung und Geldgebahrung der vollsten Oeffent- lichkeit Preis gegeben ist und ordnungsmäßig controlirt und geprüft wrrd). — Es sei hieraus nur bemerkt, daß der Verein im letzten Jahre überhaupt 183.418 Thaler an Unterstützungen an C.16 Gemeinden verausgabt hat; dre Hauptsummen vertheilen sich auf Oestreich, auf die katholischen Districte Deutsch¬ lands : Rheinland. Westphalen, Bayern, Schlesien. Posen; nächstdem Frankreich und die Donauprovinzcn. sodann die Levante, Algier, Italien n. s. w. Die Summe übersteigt um etwas die der Vorjahre, wie denn die jährlichen Ein¬ nahmen des Vereins seit 10 bis 12 Jahren in langsamer, aber stetiger Zu¬ nahme begriffen sind, aber sie ist gering, wenn man dagegen die gedruckten 'Uebersichten der dem Verein Vorliegenden Gesuche ins Auge faßt, und wenn man andrerseits erwägt, daß diese Summe gewissermaßen die kirchliche Bei- steuer des gesammten protestantischen Deutschland repräsentirt. Die Propa¬ ganda in Lyon bringt allein jährlich fünfmal so viel auf. die Verwendung bleibt Geheimniß der geistlichen Oberen. Aehnlick ists mit den zahlreichen Boni- facius-.Pius- und Vincentius-Vereinen. DerGustav-Adolf-Verein könnte leicht über den drei- oder vierfachen Betrag seiner jetzigen Jahreseinnahme verfügen, wenn sich ihm die höhern und reichern Stände in gleicher Weise zuwendeten, wie die mittlern und niedern. Aber wie unsre Aristokratie der Geburt und des Geldes dem Volksleben sich fern hält, so steht sie auch im Allgemeinen dem kirchlichen Leben fern, theils weil ihr ein tieferes religiöses Bedürfniß fehlt. theils weil, wo ein solches vorhanden ist, die aristokratischen Sympathien sich uach alter Erfahrung dem Hochkirchenthum zuwenden. Wie denn der Gustav-Adolf-Verein der Repräsentant der kirchlichen Mittelparteien ist, so umfaßt er auch den Mittel- und niedern Stand, und wir meinen nicht zu seinem Unglück; denn er steht sonach mit seinen Wurzeln in der Volksschicht, die den noch völlig gesunden Kern der Nation bildet, den Träger der Intelligenz, die Hoffnung der Zukunft. Bei der Verwendung ihrer Unterstützungen scheinen der Genossenschaft die östreichischen Länder und die rein oder gemischt-katholischen Districte Deutsch¬ lands als ihre Hauptaufgaben zu gelten. Da der Verein jede aggressive Ten¬ denz streng von sich ausschließt und nur die rein conservative Aufgabe verfolgt, zu stützen und zu erhalten, was in Gefahr ist, der evangelischen Kirche verloren zu gehen, da er nur deren zerstreute Glieder zu sammeln und zu kräftigen strebt, so ist gegenüber der gegnerischen, vorzugsweise auf Deutschland gerichteten Aggression wohl auch die Defensive völlig gerechtfertigt, welche besonders die in Oestreich und Deutschland exponirten schwachen Glieder zu stärken sucht. Auffallen muß aber gegenüber der obigen Thalersumme die große Zahl der unterstützten Ge¬ meinden, worauf sich durchschnittlich auf jede einzelne Gemeinde ein ziemlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/31>, abgerufen am 15.01.2025.