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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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er einen fertigen Plan bedächtig dem Urtheil seiner Rathgeber unterwirft und
in freier Entschließung ihn entweder still zurücklegt, oder trotz ihrem Wider¬
spruch zur Ausführung bringt. Mehr als ein Mal sind solche Pläne durch den
einstimmigen Protest seiner Bertrauten unterdrückt worden, sie sind deswegen
nicht aufgegeben und kommen vielleicht in später Zeit unter andern Umständen
plötzlich wieder hervor. Ja, wie man erzählt, besteht unter den verständigen
Routiniers in der Nähe des Kaisers eine immer wiederkehrende bange Sorge
vor seinen "Ideen", bei denen unsicher sei. ob sie abenteuerlich, abstrus oder
großartig herauskommen. Aber wie seine Speculationen und Pläne bei ihrem
ersten Hervortreten zuweilen erscheinen, seine Stärke besteht, so scheint uns,
darin, daß dem träumerischen und springenden Erfinden ein kluger Verstand immer
auf dem Fuße folgt. Mit der besten Manier weiß er Undurchführbares bei
Seite zu schieben, sich aus Verwicklungen herauszuziehen und vielleicht durch
eine kleine Wendung und durch richtige Behandlung seiner Gegner doch noch
etwas für sich durchzusetzen. Denn wie weitschichtig und seltsam zuweilen
seine Combinationen sind, ebenso scharf, sicher, von Illusionen frei, ist sein Ur¬
theil über Personen und gegebene Verhältnisse. Und dies feste Uebersehen hat
ihn fremder Unsicherheit gegenüber bis jetzt immer wieder in Vortheil gesetzt.

So, meinen wir, wird es auch mit dem Plane eines allgemeinen Con-
gresses und einer großen Fürstenzusammenkunft gehen, den er jetzt vor dem er¬
staunten Europa ausgesprochen hat. Es ist kein neuer Plan. Nach dem orien¬
talischen Kriege und nach dem italienischen Kriege trat er gegen seine Verbün¬
deten hervor. Jahre lang hat England gegen diese stille "Idee" des Kaisers
gekämpft. Was ihm jetzt den Gedanken wieder nahe legt, ist zuverlässig nicht
blos der Wunsch, eine neue Vergrößerung für Frankreich, eine neue Bedeutung
für sich zu gewinnen, sondern er ist auch hierin noch ein wenig Gelehrter der
Weltgeschichte, er empfindet es als einen großen erwärmenden Gedanken, für
Europa dauernde Zustände zu gewinnen; es ist ihm vorläufig Ernst, wenn er aus¬
spricht, daß er damit nichts für sich und Frankreich gewinnen wolle, in seinem
nachdenklichen und speculirenden Haupte wälzt er alle unsicheren und nach
Entscheidung ringenden Staatsverhältnisse der Erde herum, und er denkt in
der That an eine glückliche Zeit für sich und Frankreich, wo entschieden sein
wird, was jetzt sein Budget belastet, die Stimmungen seines Volkes aufregt,
Handel und Kredit erschüttert. Aber ebenso wahrscheinlich ist, daß ihm trotz
dieser großen und philosophischen Auffassung seiner Stellung, wenn der Plan
praktische Folgen hat, durch das Widerstreben der Gegner, durch die Wünsche
der Freunde und durch die verständige Rücksicht auf seinen und Frankreichs
Vortheil bei der Ausführung selbst die' Gesichtspunkte in den Vordergrund
treten würden, welche seinem Interesse besser dienen, als dem Vortheil der
Andern.


er einen fertigen Plan bedächtig dem Urtheil seiner Rathgeber unterwirft und
in freier Entschließung ihn entweder still zurücklegt, oder trotz ihrem Wider¬
spruch zur Ausführung bringt. Mehr als ein Mal sind solche Pläne durch den
einstimmigen Protest seiner Bertrauten unterdrückt worden, sie sind deswegen
nicht aufgegeben und kommen vielleicht in später Zeit unter andern Umständen
plötzlich wieder hervor. Ja, wie man erzählt, besteht unter den verständigen
Routiniers in der Nähe des Kaisers eine immer wiederkehrende bange Sorge
vor seinen „Ideen", bei denen unsicher sei. ob sie abenteuerlich, abstrus oder
großartig herauskommen. Aber wie seine Speculationen und Pläne bei ihrem
ersten Hervortreten zuweilen erscheinen, seine Stärke besteht, so scheint uns,
darin, daß dem träumerischen und springenden Erfinden ein kluger Verstand immer
auf dem Fuße folgt. Mit der besten Manier weiß er Undurchführbares bei
Seite zu schieben, sich aus Verwicklungen herauszuziehen und vielleicht durch
eine kleine Wendung und durch richtige Behandlung seiner Gegner doch noch
etwas für sich durchzusetzen. Denn wie weitschichtig und seltsam zuweilen
seine Combinationen sind, ebenso scharf, sicher, von Illusionen frei, ist sein Ur¬
theil über Personen und gegebene Verhältnisse. Und dies feste Uebersehen hat
ihn fremder Unsicherheit gegenüber bis jetzt immer wieder in Vortheil gesetzt.

So, meinen wir, wird es auch mit dem Plane eines allgemeinen Con-
gresses und einer großen Fürstenzusammenkunft gehen, den er jetzt vor dem er¬
staunten Europa ausgesprochen hat. Es ist kein neuer Plan. Nach dem orien¬
talischen Kriege und nach dem italienischen Kriege trat er gegen seine Verbün¬
deten hervor. Jahre lang hat England gegen diese stille „Idee" des Kaisers
gekämpft. Was ihm jetzt den Gedanken wieder nahe legt, ist zuverlässig nicht
blos der Wunsch, eine neue Vergrößerung für Frankreich, eine neue Bedeutung
für sich zu gewinnen, sondern er ist auch hierin noch ein wenig Gelehrter der
Weltgeschichte, er empfindet es als einen großen erwärmenden Gedanken, für
Europa dauernde Zustände zu gewinnen; es ist ihm vorläufig Ernst, wenn er aus¬
spricht, daß er damit nichts für sich und Frankreich gewinnen wolle, in seinem
nachdenklichen und speculirenden Haupte wälzt er alle unsicheren und nach
Entscheidung ringenden Staatsverhältnisse der Erde herum, und er denkt in
der That an eine glückliche Zeit für sich und Frankreich, wo entschieden sein
wird, was jetzt sein Budget belastet, die Stimmungen seines Volkes aufregt,
Handel und Kredit erschüttert. Aber ebenso wahrscheinlich ist, daß ihm trotz
dieser großen und philosophischen Auffassung seiner Stellung, wenn der Plan
praktische Folgen hat, durch das Widerstreben der Gegner, durch die Wünsche
der Freunde und durch die verständige Rücksicht auf seinen und Frankreichs
Vortheil bei der Ausführung selbst die' Gesichtspunkte in den Vordergrund
treten würden, welche seinem Interesse besser dienen, als dem Vortheil der
Andern.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/287>, abgerufen am 15.01.2025.