Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.apparent verschwand. Von anderen Trugbildern der Phantasie, die am häufig¬ Um allen Spuk von sich fern zu halten pflegte man in Athen der Ge¬ apparent verschwand. Von anderen Trugbildern der Phantasie, die am häufig¬ Um allen Spuk von sich fern zu halten pflegte man in Athen der Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116205"/> <p xml:id="ID_953" prev="#ID_952"> apparent verschwand. Von anderen Trugbildern der Phantasie, die am häufig¬<lb/> sten mit dem nahe bevorstehenden Tode in Verbindung stehen sollten, seien<lb/> hier nur ein paar Beispiele erwähnt. Der Regent von Syrcckus, Dion, sah,<lb/> wie Plutarch erzählt, vor dem Ende seines Lebens einst am Tage in seinem<lb/> Hause eine weibliche Gestalt, aber mit dem Aeußeren einer Eumcnide, mit dem<lb/> Besen den Boden fegen und erschreck darüber so, daß er seine Freunde bat, in<lb/> der Nacht bei ihm zu bleiben. Dem Germanensieger Drusus erschien an der<lb/> Elbe ein Weib von übermenschlicher Größe und sprach: „Wohin eilst Du in<lb/> aller Welt, unersättlicher Drusus? Alles dies zu schauen, ist Dir nicht vom<lb/> Schicksal bestimmt. Eile von binnen; Deiner Thaten und Tage Ziel ist nahe!"<lb/> Der abergläubische Berichterstatter Dio Kassius setzt hinzu: „Zwar mag eine<lb/> solche Weisung der Gottheit an.einem Sterblichen wunderbar erscheinen; ich<lb/> sehe aber keinen Grund, ihr den Glauben zu verweigern, da sie alsbald in<lb/> Erfüllung ging." Der jüngere Plinius endlich erzählt von Kurtius Rufus,<lb/> daß demselben, als er noch mittellos und unbekannt im Gefolge des afrikanischen<lb/> Statthalters sich befand, bei einem abendlichen Spaziergang eine weibliche Ge¬<lb/> stalt von großer Schönheit entgegengetreten sei und erklärt habe, sie sei Afrika-<lb/> und weissage ihm, er werde in Rom zu hohen Ehren gelangen und endlich als<lb/> Oberbefehlshaber in Afrika sterben. — Sogar die Gestorbenen selbst dachte man<lb/> sich noch von Gespenstern gequält. Als daher zu Oktavicms Zeit Asinius<lb/> Pollio gegen den charakterlosen Munatius erst nach dessen Tode Reden heraus¬<lb/> geben wollte, bemerkte dieser treffend: „Mit den Todten ringen nur die Ge¬<lb/> spenster." — Endlich bildete man sich zuweilen auch von Bildsäulen ein, daß sie<lb/> bei nächtlicher Weile von ihrem Piedestal herabstiegen und umgingen. Im<lb/> Lukianischen „Lügenfreund" wird erzählt, daß das Standbild eines berühmten<lb/> Arztes in einem Hause während der ganzen Nacht herumspazierte und einst<lb/> einen Sklaven, der die ihm an jedem Neumond geweihten Obolen gestohlen<lb/> hatte, nicht blos so verwirrte, daß er den Ausweg nicht fand, sondern auch von<lb/> da an jede Nacht weidlich ausbläute! Natürlicher als diese Geschichte klingt noch,<lb/> was der Redner Dion Chrysostomos von der Rache einer Statue berichtet.<lb/> Nachdem nämlich von zwei Todfeinden der eine gestorben war, ließ der andere<lb/> seinen Haß noch an dem steinernen Bilde des Todten aus, das mitten auf<lb/> dem Markte stand, indem er es des Nachts geiselte. Da fiel das Monument<lb/> einst unter den Peitschenschlägen um und erschlug den kindischen Frevler!</p><lb/> <p xml:id="ID_954" next="#ID_955"> Um allen Spuk von sich fern zu halten pflegte man in Athen der Ge¬<lb/> spensterkönigin Hekate vor den Häusern Kapellchen und Bilder zu stiften. Wie<lb/> allgemein dieser Gebrauch war. sieht man aus den „Wespen" von Aristopha-<lb/> nes. wo Philokleon sagt: „Nun sieh, wie sich der alte Seherspruch erfüllt,<lb/> der mir verkündet hatte, daß die athenischen Bürger alle einst richten würden<lb/> im eigenen Hause. Vor seiner Hausthür würde sich jeder ein kleines Gericht-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
apparent verschwand. Von anderen Trugbildern der Phantasie, die am häufig¬
sten mit dem nahe bevorstehenden Tode in Verbindung stehen sollten, seien
hier nur ein paar Beispiele erwähnt. Der Regent von Syrcckus, Dion, sah,
wie Plutarch erzählt, vor dem Ende seines Lebens einst am Tage in seinem
Hause eine weibliche Gestalt, aber mit dem Aeußeren einer Eumcnide, mit dem
Besen den Boden fegen und erschreck darüber so, daß er seine Freunde bat, in
der Nacht bei ihm zu bleiben. Dem Germanensieger Drusus erschien an der
Elbe ein Weib von übermenschlicher Größe und sprach: „Wohin eilst Du in
aller Welt, unersättlicher Drusus? Alles dies zu schauen, ist Dir nicht vom
Schicksal bestimmt. Eile von binnen; Deiner Thaten und Tage Ziel ist nahe!"
Der abergläubische Berichterstatter Dio Kassius setzt hinzu: „Zwar mag eine
solche Weisung der Gottheit an.einem Sterblichen wunderbar erscheinen; ich
sehe aber keinen Grund, ihr den Glauben zu verweigern, da sie alsbald in
Erfüllung ging." Der jüngere Plinius endlich erzählt von Kurtius Rufus,
daß demselben, als er noch mittellos und unbekannt im Gefolge des afrikanischen
Statthalters sich befand, bei einem abendlichen Spaziergang eine weibliche Ge¬
stalt von großer Schönheit entgegengetreten sei und erklärt habe, sie sei Afrika-
und weissage ihm, er werde in Rom zu hohen Ehren gelangen und endlich als
Oberbefehlshaber in Afrika sterben. — Sogar die Gestorbenen selbst dachte man
sich noch von Gespenstern gequält. Als daher zu Oktavicms Zeit Asinius
Pollio gegen den charakterlosen Munatius erst nach dessen Tode Reden heraus¬
geben wollte, bemerkte dieser treffend: „Mit den Todten ringen nur die Ge¬
spenster." — Endlich bildete man sich zuweilen auch von Bildsäulen ein, daß sie
bei nächtlicher Weile von ihrem Piedestal herabstiegen und umgingen. Im
Lukianischen „Lügenfreund" wird erzählt, daß das Standbild eines berühmten
Arztes in einem Hause während der ganzen Nacht herumspazierte und einst
einen Sklaven, der die ihm an jedem Neumond geweihten Obolen gestohlen
hatte, nicht blos so verwirrte, daß er den Ausweg nicht fand, sondern auch von
da an jede Nacht weidlich ausbläute! Natürlicher als diese Geschichte klingt noch,
was der Redner Dion Chrysostomos von der Rache einer Statue berichtet.
Nachdem nämlich von zwei Todfeinden der eine gestorben war, ließ der andere
seinen Haß noch an dem steinernen Bilde des Todten aus, das mitten auf
dem Markte stand, indem er es des Nachts geiselte. Da fiel das Monument
einst unter den Peitschenschlägen um und erschlug den kindischen Frevler!
Um allen Spuk von sich fern zu halten pflegte man in Athen der Ge¬
spensterkönigin Hekate vor den Häusern Kapellchen und Bilder zu stiften. Wie
allgemein dieser Gebrauch war. sieht man aus den „Wespen" von Aristopha-
nes. wo Philokleon sagt: „Nun sieh, wie sich der alte Seherspruch erfüllt,
der mir verkündet hatte, daß die athenischen Bürger alle einst richten würden
im eigenen Hause. Vor seiner Hausthür würde sich jeder ein kleines Gericht-
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